OGH 2Ob206/08w

OGH2Ob206/08w22.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus L*****, vertreten durch Dr. Hannelore Gassner-Heimerl, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei W***** gemeinnützige registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Mag. Albert H. Reiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 14.286,86 EUR und Feststellung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Mai 2008, GZ 4 R 72/08y-43, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Februar 2008, GZ 1 Cg 18/06y-37, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger stürzte am 1. 2. 2003 gegen 8:30 Uhr auf der Liegenschaft ***** in Wals-Siezenheim von der Mietwohnung seiner Lebensgefährtin kommend, wo er übernachtet hatte, auf dem Weg zu seinem Auto im Bereich des Besucherparkplatzes und verletzte sich. Die Beklagte ist sowohl Eigentümerin als auch Hausverwalterin der Liegenschaft und hatte neben weiteren Hausbetreuungsaufgaben auch die Durchführung des Winterdienstes vertraglich weitergegeben. Die Räumung und Streuung des Besucherparkplatzes war von diesem Vertrag zwar nicht umfasst, wurde aber von den Mitarbeitern des Hausbetreuungsunternehmens bei Bedarf tatsächlich vorgenommen.

Der Kläger begehrt aufgrund dieses Vorfalls 13.000 EUR Schmerzengeld, 1.036,86 EUR Verdienstentgang und 250 EUR pauschale Unkosten. Er habe Winterschuhe getragen und trotz aufmerksamer Gehweise den Sturz nicht verhindern können. Die Beklagte hafte als Hausverwalterin für die ordnungsgemäße Schneeräumung und habe auch ihrer in § 93 StVO normierten Säuberungs- und Streupflicht nicht entsprochen.

Die Beklagte ließ Verdienstentgang und Unkosten der Höhe nach unbestritten. Der Besucherparkplatz sei durch Fahrzeuge der Hausbewohner und Besucher über Nacht zugeparkt und eine Schneeräumung daher erst nach Entfernen der Fahrzeuge möglich gewesen. Die Hausbetreuungsfirma habe den Parkplatz bei Bedarf mitgeräumt, sodass die Beklagte davon ausgehen habe dürfen, dass die Räumung erfolge.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang des Verdienstentgangs und der Unkosten sowie eines Schmerzengelds von 7.000 EUR statt und wies das restliche Schmerzengeldbegehren ab. Beim Besucherparkplatz handle es sich um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, der nicht dem öffentlichen Verkehr diene, weshalb § 93 Abs 1 StVO nicht anwendbar sei. Zwischen der Lebensgefährtin des Klägers und der Hauseigentümerin bestehe ein Mietvertragsverhältnis, das hinsichtlich des Klägers als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu qualifizieren sei. Die beklagte Partei treffe daher die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB und die verschärfte Haftung für Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313a ABGB. Die Sturzstelle sei vom Hausbetreuungsvertrag nicht umfasst gewesen. Aufgrund der unzureichenden vertraglichen Verpflichtung habe die Beklagte nicht darauf vertrauen können, dass der Parkplatzbereich der gebotenen Sorgfalt entsprechend geräumt und gestreut werde. Auch sei eine Räumung zwischen den geparkten Fahrzeugen zumutbar und der Beklagten daher insgesamt leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren über Berufung der beklagten Partei zur Gänze ab. Es erachtete den unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen Tatsachenfeststellung gerügten Aspekt, der Unfall habe sich nicht auf dem Besucherparkplatz ereignet, sondern auf dem vom Haus zur Straße führenden Gehsteig, für nicht entscheidungsrelevant. Nach neuerer oberstgerichtlicher Judikatur seien vom Schutzbereich eines Mietvertrags aber nur die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen erfasst, nicht dagegen solche, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhielten. Der zu Besuch kommende Lebensgefährte der Mieterin sei daher nicht vom Schutzbereich des Mietvertrags umfasst. Auch eine Haftung nach § 1319a ABGB liege mangels grob fahrlässigen Verschuldens nicht vor. Selbst wenn der Unfall nicht auf dem Besucherparkplatz, sondern auf dem Gehsteig stattgefunden haben sollte, bestehe keine Haftung der beklagten Partei, weil sie den Winterdienst auf Dritte übertragen habe und dann nur eine Haftung in Frage komme, wenn dieser Unternehmer nicht sorgfältig genug ausgewählt oder eine zusätzliche Überwachungspflicht verletzt worden sei, wofür keinerlei Anhaltspunkte vorlägen. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die (richtig: außerordentliche) Revision des Klägers, die darauf verweist, dass der Lebensgefährte im Bereich des Schadenersatzrechts, Mietrechts und in weiteren Rechtsgebieten einem Familienangehörigen gleichgehalten werde. Seine Gleichstellung mit einem kurzfristig aufhältigen Gast sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen sei der Kläger durch diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts überrascht worden und hätte ansonst leicht den Umfang der Lebensgemeinschaft darstellen können, insbesondere, dass er tatsächlich bei seiner Lebensgefährtin gewohnt habe und dort zum Unfallszeitpunkt auch aufrecht gemeldet gewesen sei. Er sei demnach als zur Hausgemeinschaft der Mieterin gehörige Person zu behandeln und demzufolge vom Schutzbereich des Mietvertrags umfasst. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Den Bestandgeber treffen nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs bei Erbringung der Hauptleistung gegenüber dem Bestandnehmer und dessen Angehörigen als geschützte Dritte Schutz- und Sorgfaltspflichten, vor allem soweit es um Gefahrenquellen geht, die mit der Beschaffenheit des Bestandgegenstands in Zusammenhang stehen und nicht leicht erkennbar sind. Der Bestandgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass der Bestandnehmer durch Gefahrenquellen, die mit dem Bestandgegenstand, seiner Beschaffenheit bzw der Art des Gebrauchs zusammenhängen, nicht geschädigt wird. Für infolge Vernachlässigung einer dieser Pflichten zur Gebrauchsüberlassung verursachte Schäden an Personen oder Eigentum des Bestandnehmers hat der Bestandgeber diesem einzustehen (RIS-Justiz RS0020884).

Diese Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen auch Personen gegenüber, die der Sphäre eines Vertragspartners angehören und denen dieser selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist, bzw gegenüber jenen Personen, die durch die Vertragserfüllung in einem erhöhten Maße gefährdet werden. Der Kreis der begünstigten Personen umfasst die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden, insbesondere seine Familienangehörigen und Hausangestellte, nicht dagegen Personen mit denen er rein gesellschaftlich oder im allgemeinen Verkehr mit der Umwelt in Kontakt kommt. Nicht zum Schutzbereich des Mietvertrags werden Personen gezählt, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhalten, wie Gäste, Lieferanten und Handwerker (2 Ob 335/97x) oder bloße Besucher (6 Ob 70/06x) und zu Besuch weilende Angehörige des Mieters (2 Ob 163/99f; vgl auch 2 Ob 202/00w; 2 Ob 216/03h; RIS-Justiz RS0023168; die im Leitsatz der in ZVR 1996/32 veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 26/95 wiedergegebene gegenteilige Meinung vertrat dort lediglich das Berufungsgericht).

Eine Lebensgemeinschaft setzt nach der Judikatur im Allgemeinen eine Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, es müssen aber nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein (RIS-Justiz RS0047000). Eine Lebensgemeinschaft kann also auch ohne Wohnungsgemeinschaft bestehen.

Das Erstgericht hat festgestellt, dass es sich beim Kläger um den Lebensgefährten der Mieterin der beklagten Partei handelt. Ob dieser zur Zeit des Unfalls in einer Wohnungsgemeinschaft mit der Mieterin lebte und als zu deren Hausgemeinschaft gehörende Person anzusehen ist, die in den Schutzbereich des Mietvertrags fiele, oder ob er nur ein „Besucher" war, wovon das Berufungsgericht ausging, wird im fortgesetzten Verfahren durch entsprechende Feststellungen klarzustellen sein. Er selbst hat im Übrigen eine andere Wohnadresse angegeben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Stichworte