OGH 2Ob216/03h

OGH2Ob216/03h16.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa S*****, vertreten durch Dr. Karin Metz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Helmut O*****, vertreten durch Dr. Isabelle Dessulemoustier-Bovekercke, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 6.506 sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Mai 2003, GZ 36 R 41/03a-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. November 2002, GZ 15 C 1993/02v-7, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.636,70 (darin EUR 272,78 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 6.506 sA sowie die Feststellung, dass der Beklagte ihr für alle künftigen, derzeit nicht vorhersehbaren Spät- und Dauerfolgen aus dem Vorfall vom 10. 4. 2002 hafte. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, der Beklagte habe mit Dr. Ingeborg W***** in dem ihm gehörigen Haus *****, über die Wohnung top 3 einen Mietvertrag abgeschlossen. Dr. W***** betreibe im Bestandobjekt eine Zahnarztpraxis. Am 10. 4. 2002 habe sich die Klägerin mit ihrer Tochter Romana S***** in diese Ordination begeben, weil sich die Tochter dort einer Kieferoperation habe unterziehen müssen. Kurz nach 21 Uhr sei die Behandlung abgeschlossen gewesen und hätten die Klägerin und ihre Tochter die Ordination verlassen. Beim Betreten des Stiegenhauses sei dieses noch beleuchtet gewesen. Nachdem die Klägerin die ersten zwei Stufen passiert habe, sei das Ganglicht ausgegangen und es sei "stockfinster" gewesen. Der Lichtschalter sei weder sichtbar noch erkennbar gewesen und sei die Klägerin gezwungen gewesen, sich langsam den breiten Hausflur entlang zu tasten, um einen Lichtschalter zu suchen. Dabei sei sie infolge völliger Finsternis über die Stufen gestolpert und gestürzt, wobei sie sich Verletzungen am rechten Fuß zugefügt habe. Sie sei bis 15. 5. 2002 arbeitsunfähig gewesen. Da ihre Verletzungen nicht ausgeheilt seien und Spät- und Dauerfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten, habe sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für Spät- und Dauerfolgen.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, jedes Stockwerk sei durch Lampen mit einem 4-Minuten-Licht ausgeleuchtet. Vor der Ordinationstüre befinde sich weiters ein ständig leuchtendes sehr helles Licht, das während der gesamten Ordinationszeit leuchte. Aufgrund der starken Straßenbeleuchtung und der Fenster seien selbst in der Nacht die Stufen deutlich sichtbar. Die Klägerin hätte den unmittelbar hinter ihr befindlichen Lichttaster erkennen können und sei aufgrund der eigenen Ungeschicklichkeit gestolpert bzw sei der Vorfall dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Das Ganglicht und die Beleuchtung der Lichtschalter hätten am Unfallstag einwandfrei funktioniert und habe die Klägerin den Vorfall auch erst am 19. 4. 2002 Dr. W***** mitgeteilt. Romana S***** sei volljährig und habe der Ordinationstermin lediglich einem Erstgespräch ohne Behandlung gedient, sodass eine Begleitung durch die Klägerin nicht erforderlich gewesen wäre. Ihre Tochter sei in der Lage gewesen, die verletzte Klägerin mit dem Auto bis zur Wohnung im 10. Bezirk zu führen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Es führte aus, die Klägerin habe ihren Anspruch ausdrücklich rechtlich qualifiziert, indem sie die Haftung des Beklagten aus dem Mietvertrag zwischen dem Beklagten und der behandelnden Ärztin ableite. Aus der Judikatur ergebe sich aber, dass den Beklagten aufgrund des Mietvertrages keine Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin treffen und diese ihre Ansprüche daher nicht aus der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen ableiten könne, weil sie aufgrund ihrer nur vorübergehenden Verweildauer in den Mieträumlichkeiten zu dem Personenkreis zähle, der aus dem Schutzbereich herausfalle. Da sich die Klägerin ausschließlich auf den Rechtsgrund der vertraglichen Haftung stütze, sei es dem Erstgericht verwehrt, dem Klagebegehren aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben, selbst wenn das Tatsachenvorbringen mehrere Rechtsgründe abdecke. Eine allfällige deliktische Haftung des Beklagten sei daher nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Nach ständiger Rechtsprechung sei die rechtliche Qualifikation durch die Partei dann als bindend zu betrachten, wenn sie von der klagenden Partei ausdrücklich vorgenommen werde; dem Klagebegehren dürfe in diesem Fall auch dann nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgegeben werden, wenn das Tatsachenvorbringen mehrere Rechtsgründe abdecke. Zu Recht weise die Berufungswerberin jedoch darauf hin, dass sie ihren Anspruch zwar auch auf eine vertragliche Haftung des Beklagten, die aus dem zwischen ihm und der behandelnden Ärztin abgeschlossenen Mietvertrag resultiere, gestützt habe, ihr Begehren aber keineswegs ausschließlich auf diesen Rechtsgrund beschränkt habe. Tatsächlich habe die Klägerin insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 8. 10. 2002 ihr Begehren auf die den Beklagten zugunsten von Patienten und Begleitpersonen treffenden Verkehrssicherungspflichten gestützt. Dies stelle einen weiteren möglichen Haftungsgrund dar.

Als Hauseigentümer und Vermieter einer Ordination treffe den Beklagten eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht, aufgrund der er im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet sei, den Zugang zum Mietobjekt in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu erhalten, sodass dessen ordnungsgemäße Benützung auch einem größeren, mit den Besonderheiten des Hauses weniger vertrauten Kreis von Personen ohne Gefährdung ihrer körperlichen Integrität möglich sei. Im konkreten Fall setze sich dieser Personenkreis jedenfalls aus den Mietern und deren Mitbewohnern, Angehörigen und Besuchern, sowie den Patienten der Mieter und auch deren Begleitpersonen zusammen, wobei es auch nicht darauf ankomme, ob die Begleitung von Patienten im konkreten Fall unbedingt notwendig gewesen sei, weil der Hauseigentümer jedenfalls bei Eröffnung des Verkehrs damit rechnen habe müssen, dass Patienten oft auch ohne zwingenden Grund von Dritten begleitet würden. Dass solchen Personen ein Zutritt zum Haus verboten worden wäre, sei nicht einmal behauptet worden.

Für die Beurteilung, ob der Beklagte der Klägerin wegen der behaupteten Verletzung der ihn treffenden Verkehrssicherungspflichten hafte, fehle es aber an den erforderlichen Feststellungen, die erst nach Durchführung eines Beweisverfahrens getroffen werden könnten. Das erstgerichtliche Urteil sei daher schon aus diesem Grunde aufzuheben gewesen.

Allerdings könnte auch die Frage, ob die Klägerin in den Schutzbereich des zwischen dem Beklagten und der Zahnärztin abgeschlossenen Mietvertrag falle, nach Ansicht des Berufungsgerichtes alleine aufgrund des Parteienvorbringens und des außer Streit stehenden Sachverhaltes noch nicht abschließend beurteilt werden. In Lehre und Rechtsprechung sei allgemein anerkannt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten des Schuldners nicht nur seinen Vertragspartner, sondern auch dritten Personen gegenüber bestehen könnten. In diesem Fall erwerbe der Dritte direkt vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner, der dann auch gemäß § 1313a ABGB wie für sein eigenes für das Verschulden der Personen hafte, deren er sich zur Erfüllung bediene. Der Kreis der mitgeschützten Dritten werde dabei im Wege einer objektiven Vertragsauslegung ermittelt. Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss voraussehbar gewesen sei, und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstige oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse habe oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet sei, würden vom Vertrag mitgeschützt. Es sei durchaus nicht ganz ungewöhnlich, dass Patienten auch ohne zwingenden Grund von Angehörigen oder ihnen nahestehenden Personen (zB zur moralischen Unterstützung) begleitet würden. Gerade bei einem Zahnarzt, zu dessen Patienten jedenfalls in aller Regel auch Kinder gehören, müsse zwingend auch mit der Benützung des Zugangs zur Ordination durch Begleitpersonen gerechnet werden. Das Argument der Unvorhersehbarkeit vermöge daher nicht zu überzeugen und diene wohl eher der angestrebten Beschränkung des Kreises der vertraglich mitgeschützten Dritten. Es könne auch nicht zweifelhaft sein, dass der Arzt als Vertragspartner des Mietvertrages auch ein eigenes Interesse am sicheren Zugang seiner Patienten und deren Begleitpersonen zur Ordination habe und ihn bezüglich dieser Personen auch selbst eine Fürsorgepflicht treffe. Eine vertragliche Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin könne daher jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, selbst wenn die Begleitung durch die Klägerin nicht unbedingt notwendig gewesen sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen gewesen, weil einerseits der Kreis der durch einen Mietvertrag mitgeschützten Dritten in Fällen der Vermietung eines Bestandobjektes zu Wohnzwecken ein anderer sei, als der in Fällen der Vermietung zur Verwendung als Arztpraxis und zu letzterem Personenkreis eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, andererseits in der vom Berufungsgericht überbundenen Rechtsansicht eine Abweichung von der oberstgerichtlichen Judikatur erblickt werden könnte; auch komme der hier relevanten Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die Klägerin habe sich nicht auf eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Begleitpersonen, sondern nur gegenüber Patienten gestützt und nur eine vertragliche Haftung geltend gemacht. Die für eine Qualifizierung als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Vertrags- bzw Leistungsnähe liege nicht vor, die Begleitung volljähriger Personen zu ärztlichen Gesprächen sei für den Vermieter nicht vorhersehbar. Eine Zuwendung der vertraglichen Hauptleistung durch den Vermieter an die Begleitperson des Patienten eines Mieters liege nicht vor; der Arzt als Vertragspartner des Vermieters habe auch keine Fürsorgepflicht gegenüber Begleitern eines volljährigen Patienten. Dies müsse um so mehr für den von der Vertragsleistung noch mehr entfernten Vermieter gelten. Auch eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber der Klägerin bestehe nicht, weil aufgrund des versperrten Haustores samt Gegensprechanlage der Beklagte den Verkehr im Stiegenhaus nicht für jedermann, sondern nur für jene Personen, welche Stiegenhaus und Gang benützen müssten, eröffnet habe; dazu würden die zur Hausgemeinschaft des jeweiligen Mieters gehörenden Personen, bei ärztlichen Mietern deren Patienten, nicht hingegen andere Personen zählen.

Hiezu wurde erwogen:

Mit der Frage der Schutz- und Sorgfaltspflichten des Bestandgebers hat sich der erkennende Senat in jüngerer Zeit mehrmals auseinander gesetzt und dabei ausgeführt, dass der Kreis der aus einem Mietvertrag begünstigten Personen nur die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen, insbesondere seine Familienangehörigen und Hausangestellten, erfasse, nicht aber Personen, mit denen er rein gesellschaftlich oder im allgemeinen Verkehr mit der Umwelt in Kontakt komme. Nicht in den Schutzbereich des Mietvertrages seien daher Personen einzubeziehen, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhielten, wie Gäste, Lieferanten und Handwerker. Die gegenteilige Lehre (F. Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359 [363]) und Rechtsprechung (MietSlg 35.232) wurde ausdrücklich abgelehnt (2 Ob 335/97x = JBl 1998, 655 [Dullinger] = ZVR 1998/139 = MietSlg 49.113; 2 Ob 163/99f = MietSlg 51.191; 2 Ob 202/00w = MietSlg 52.137; RIS-Justiz RS0023168, RS0020884).

Bei der Miete von Geschäftsräumlichkeiten sind alle Arbeitnehmer des Mieters geschützt, die dort ihre Dienste verrichten; sie sind den Hausgenossen eines Wohnungsmieters gleichzuhalten. Nach überwiegender deutscher Lehre trifft dies auf Kunden, Klienten oder Patienten eines Geschäftsraummieters nicht zu (vgl Gottwald im Münchner Kommentar4 § 328 BGB Rz 156; Jagmann in Staudinger [2001] § 328 BGB Rz 197; Hadding in Soergel12 Anh § 328 BGB Rz 38); die Kurzfristigkeit ihres Aufenthaltes im Bestandobjekt mag - wie bei den Gästen oder Lieferanten und Handwerkern eines Wohnungsmieters - dagegen sprechen. Dieser Frage muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil die verletzte Klägerin selbst nicht Patientin der Mieterin, sondern (nur) Begleitperson der Patientin war. Sie ist also im Bezug auf den Mietvertrag nicht mehr "Dritte" sondern schon "Vierte". Eine Ausdehnung der mietvertraglichen Schutzwirkungen auf sie würde zu einem Ausufern vertraglicher Haftpflichten führen.

Ob die Klägerin als Begleitperson einer erwachsenen Patientin in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages fiele, kann auf sich beruhen, weil die Klage nicht gegen die behandelnde Ärztin, sondern gegen den Hauseigentümer gerichtet ist. Die Rechtsprechung lehnt eine vertragliche Haftung gegenüber Besuchern oder Begleitern eines Patienten im Allgemeinen ab, und macht eine Ausnahme nur für den Fall, dass eine für den Kranken notwendige oder zweckmäßige Betreuungsmaßnahme, die sonst das Krankenhauspersonal vorzunehmen müsste, besorgt wird und die Schädigung hiebei erfolgt (1 Ob 661/98 = SZ 58/4 = EvBl 1986/110; vgl auch 2 Ob 310/98x = JBl 1999, 461; RIS-Justiz RS0021902, RS0022449). Nur am Rande sei bemerkt, dass die Klägerin eine zwingende medizinische Notwendigkeit zur Begleitung ihrer Tochter nicht darstellen konnte, sondern nur unbestimmte "behandlungsimmanente" Gründe, die erforderliche Informationsaufnahme, die Notwendigkeit des Beistandes vertrauter Personen und die Gewichtigkeit der zu treffenden Entscheidungen nannte. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Argumente eine Einbeziehung in den behandlungsvertraglichen Schutzbereich rechtfertigten könnten (vgl allerdings 6 Ob 584/88); zur Einbeziehung in den Schutzbereich des Mietvertrages des behandelnden Arztes mit dem von der Begleitperson des Patienten noch weiter entfernten Vermieter besteht jedenfalls kein Anlass.

Entgegen der Darstellung des Rechtsmittelwerbers hat die Klägerin sehr wohl das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten nicht nur gegenüber Patienten der Mieterin, sondern auch gegenüber Begleitpersonen behauptet (AS 25). Die Verneinung eines mietvertraglichen Anspruches der Klägerin schließt eine deliktische Haftung des Beklagten aus der Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten nicht aus (vgl Dullinger aaO; 10 Ob 2048/96s = RdM 1997/11). Jeder Hauseigentümer ist verpflichtet, alle Gänge, Treppen und Teile des Hauses, die zu dessen ordnungsgemäßer Benützung erforderlich und einem größeren, mit den Besonderheiten des Hauses weniger vertrauten Kreis von Personen zugänglich sind, in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu erhalten (vgl neuerlich 10 Ob 2048/96s mwN; RIS-Justiz RS0023355). Auch die Klägerin als Begleitperson war zur Benutzung der Treppen und Gänge, die zur Arztordination führen, befugt und zählte - insoweit unabhängig von der zwingenden Notwendigkeit einer Begleitung - zum geschützten Personenkreis.

Allerdings ist ihrem Vorbringen keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Beklagten zu entnehmen: Nach ihrer letzten Unfallsdarstellung (ON 5) war ihre Tochter am Unfallsabend die letzte Patientin, die die Ordination (in ihrer Begleitung) verließ, worauf nach kurzer Zeit wegen Beendigung des Ordinationsbetriebes das (zusätzliche) vor der Ordinationstür befindliche Licht ausgeschaltet wurde, die Klägerin in der Dunkelheit auf den Stufen stürzte, die Tochter der Klägerin sich zurück tastete, den Schalter der Stiegenhausbeleuchtung fand und betätigte, ihrer Mutter aufhalf und sie mit dem Auto nach Hause brachte.

Daraus folgt im Zusammenhalt mit früheren Unfallsdarstellungen der Klägerin (ON 1 und 3), dass der Gang nach Verlassen der Ordination durch das Ordinationslicht beleuchtet war, sodass die Klägerin und ihre Tochter keine Veranlassung hatten, die Stiegenhausbeleuchtung zu suchen und einzuschalten, und deren Schalter (zu dem sich die Tochter später zurück tastete) offensichtlich passierten. Der Unfall ist in der Folge nicht durch einen Mangel der (gar nicht eingeschalteten) Stiegenhausbeleuchtung verursacht worden, sondern durch das für die Klägerin überraschende Ausschalten des Ordinationslichtes, als sie schon die ersten Stufen zum Haustor passiert hatte. Dementsprechend hat sie auch am Ende ihres Vorbringens (AS 27) ausgeführt, beim Betrieb eine Ordination sei jedenfalls darauf Bedacht zu nehmen, dass die Patienten die Möglichkeit haben, die Ordinationsräumlichkeiten im beleuchteten Zustand zu begehen und wieder zu verlassen; eine (diesbezügliche) Pflichtverletzung sei evident. Dieser Vorwurf richtet sich aber gegen den Ordinationsbetreiber und nicht gegen den Hauseigentümer. Von diesem zu verlangen, der Gefahr aus einem hypothetischen vorzeitigen Ausschalten des Ordinationslichtes des Ordinationsbetreibers durch ständige Beleuchtung des Stiegenhauses während der ganzen Nacht, Installation von Bewegungsmeldern (AS 11) oder von Schalterknöpfen, die selbst die Stufen ausleuchten können, zu begegnen, würde eine Überspannung seiner Verkehrssicherungspflichten bedeuten (vgl RIS-Justiz RS0023311).

Aus dem Klagsvorbringen lässt sich somit weder ein vertraglicher, noch ein deliktischer Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ableiten, weshalb das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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