OGH 7Ob257/08g

OGH7Ob257/08g27.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gudrun J*****, vertreten durch Dr. Christiane Buchleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Peter J*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über die „außerordentliche" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2008, GZ 43 R 406/08m-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. April 2008, GZ 4 C 161/07w-15, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihrem geschiedenen Ehegatten, die Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für den Zeitraum Oktober 2006 bis einschließlich November 2007 von insgesamt 11.616,38 EUR sA. Sie geht von einem monatlichen Unterhaltsanspruch von 575,17 EUR im Jahr 2006 (insgesamt 1.725,51 EUR für drei Monate) und von 899,17 EUR im Jahr 2007 (insgesamt 9.890,87 EUR für elf Monate) aus und beruft sich auf einen im Scheidungsverfahren der Streitteile (im Jahr 1972) abgeschlossenen Vergleich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil nicht Folge und sprach aus, dass „der ordentliche Revisionsrekurs" (gemeint: die ordentliche Revision) nicht zugelassen werde.

Die dagegen erhobene „außerordentliche" Revision der Klägerin legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 3 ZPO idFd WGN 1997 iVm Art 94 Z 14 des 2. Euro-Justiz-BegleitG BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn in einem Verfahren über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert nicht insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat (3 Ob 253/07p).

Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN zwar grundsätzlich mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten. Eine Bewertung nach dieser Bestimmung findet aber nur statt, wenn es sich um Streitigkeiten über das Recht zum Bezug der dort genannten Leistungen oder Nutzungen handelt. Die Bewertungsvorschrift ist daher nur anzuwenden, wenn es um die wiederkehrende Leistung als Ganzes geht. Werden jedoch - wie hier - nur einzelne Teilleistungen oder Teilbeträge eingeklagt, sind diese für den Streitwert maßgebend; für eine Bewertung nach § 58 JN bleibt dann kein Raum (RIS-Justiz RS0046547; RS0111964 = 5 Ob 152/99k mwN; Gitschthaler in Fasching² I § 58 JN Rz 3; Mayr in Rechberger³ § 58 JN Rz 1).

Demnach beträgt hier der Streitwert (Wert des Entscheidungsgegenstands) 11.616,38 EUR.

Allerdings kann eine Partei in einem solchen Fall nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Der Oberste Gerichtshof wäre hier also nur dann zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen, wenn das Berufungsgericht einem im Sinn des § 508 Abs 1 und 2 ZPO gestellten Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs stattgegeben hätte. Da eine solche Abänderung hier nicht erfolgte, war das Rechtsmittel nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Mangels funktioneller Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs, über das Rechtsmittel der Klägerin zu entscheiden, musste auch der Umstand, dass es - nach der Aktenlage - verspätet erhoben wurde, unberücksichtigt bleiben (vgl 1 Ob 82/04x; 8 Ob 48/08d mwN). Dazu ist aber noch Folgendes festzuhalten:

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde den damaligen Klagevertretern am 22. 8. 2008 zugestellt. Die von der nunmehrigen Klagevertreterin am 22. 9. 2008, also nach Ablauf der 4-wöchigen Rechtsmittelfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) zur Post gegebene außerordentliche Revision ist verspätet; da es sich bei der vorliegenden Streitigkeit um eine Ferialsache handelt, haben die Gerichtsferien nämlich gemäß § 225 Abs 2 ZPO keinen Einfluss auf die Revisionsfrist:

Ob eine Ferialsache im Sinn des § 224 Abs 1 ZPO vorliegt, ist nach den Klagsbehauptungen zu beurteilen und bei der Überprüfung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels von Amts wegen zu prüfen (Schragel in Fasching/Konecny² II/2 § 224 ZPO Rz 1 mwN). Gemäß § 224 Abs 1 Z 4 ZPO sind unter anderem „Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt" Ferialsachen. Die Formulierung entspricht wörtlich dem § 49 Abs 2 Z 2 JN, der für diese Art familienrechtlicher Streitigkeiten die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte vorsieht. Zu den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen zählen auch Unterhaltsansprüche aus einer vertraglichen Unterhaltsvereinbarung, soweit durch diese eine im Gesetz gegründete Unterhaltspflicht geregelt wird, also auch aus Unterhaltsvergleichen der Ehegatten; nach ständiger Rechtsprechung ändert nämlich der Umstand, dass Unterhaltsansprüche der Höhe nach durch Vergleich festgesetzt sind, grundsätzlich nichts an ihrer Rechtsnatur als gesetzlicher Unterhaltsanspruch. Ferialsachen sind daher unter anderem alle Streitigkeiten zwischen Ehegatten über den gesetzlichen Unterhalt, auch wenn - wie hier - aus einem Unterhaltsvergleich geklagt wird (Gitschthaler in Rechberger³ § 224 ZPO Rz 5; Schragel aaO § 224 ZPO Rz 2 jeweils mwN ua; RIS-Justiz RS0037368; RS0037450; RS0046467; 10 ObS 85/04d und jüngst: 9 Ob 45/08w).

Der Oberste Gerichtshof ist jedoch für die Entscheidung über die „außerordentliche" Revision - aus den eingangs dargestellten Erwägungen - funktionell nicht zuständig. Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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