OGH 9Ob45/08w

OGH9Ob45/08w9.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ulrike G*****, vertreten durch Dr. Martin Hahn, Rechtsanwalt in Seebenstein, gegen die beklagte Partei Mag. Monika G*****-P*****, Angestellte, *****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 39.192,39 EUR sA (Rekursinteresse 23.466,60 EUR), über den „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. März 2008, GZ 43 R 133/08i-17, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Dezember 2007, GZ 3 C 164/06b-11, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das teils klagestattgebende, teils klageabweisende Urteil des Erstgerichts wurde dem Klagevertreter am 13. 12. 2007 zugestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die am 21. 1. 2008 zur Post gegebene Berufung der Klägerin als verspätet zurück. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsanspruch aufgrund des Scheidungsvergleichs vom 12. 8. 1992 handle es sich um eine Ferialsache gemäß § 224 Abs 1 Z 4 ZPO. Die verhandlungsfreie Zeit ab 24. 12. 2007 habe daher keinen Einfluss auf den Anfang und Ablauf der vierwöchigen Berufungsfrist, weshalb die Berufung verspätet sei.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Klägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin - die unrichtige Bezeichnung als „Revisionsrekurs" schadet nicht, weil das Begehren deutlich erkennbar ist (§ 84 Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0036258 ua) - ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO); er ist jedoch nicht berechtigt.

Eine Nichtigkeit des Verfahrens erblickt die Rekurswerberin in der Nichtbeischaffung des Pflegschaftsakts des Unterhaltsschuldners, der zum Beweis dafür beantragt worden sei, dass sich das Vermögen des Unterhaltsschuldners in der fraglichen Zeit erheblich vermehrt habe. Damit zielt die Rekurswerberin allerdings nicht auf die Rechtzeitigkeit der Berufung, sondern bereits auf die Beurteilung der Sache ab; zu dieser kommt es jedoch nicht, wenn die Berufung verspätet erhoben worden ist. Der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung durch das Berufungsgericht haftet keine Nichtigkeit an. Nicht berechtigt ist auch der im Rekurs erhobene Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit; diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Richtig wies das Berufungsgericht darauf hin, dass bei der Überprüfung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels von Amts wegen auch zu prüfen ist, ob eine Ferialsache iSd § 224 Abs 1 ZPO vorliegt. Diese Frage ist nach den Klagebehauptungen zu beurteilen (Schragel in Fasching/Konecny² II/2 § 224 ZPO Rz 1 mwN ua). Gemäß § 224 Abs 1 Z 4 ZPO sind - neben Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und über die dessen Vater der Mutter und dem Kind gegenüber gesetzlich obliegenden Pflichten - auch „sonstige Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt" Ferialsachen. Die Formulierung entspricht dem § 49 Abs 2 Z 2 JN, der für diese Art familienrechtlicher Streitigkeiten die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte vorsieht. Zu den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen zählen auch Unterhaltsansprüche aus einer vertraglichen Unterhaltsvereinbarung, soweit durch diese eine im Gesetz gegründete Unterhaltspflicht geregelt wird, also auch aus Unterhaltsvergleichen der Ehegatten (10 Ob 85/04d ua). Die Auffassung der Rekurswerberin, dass von § 224 Abs 1 Z 4 ZPO nur Unterhaltsansprüche von Kindern gegenüber Eltern, nicht jedoch der Ehegattenunterhalt erfasst sei, ist verfehlt. Von einer „grammatikalischen Fehlinterpretation" des Berufungsgerichts kann keine Rede sein. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung ändert auch der Umstand, dass Unterhaltsansprüche der Höhe nach durch Vergleich festgesetzt sind, grundsätzlich nichts an ihrer Rechtsnatur als gesetzlicher Unterhaltsanspruch. Ferialsachen sind daher alle Streitigkeiten zwischen Ehegatten über den gesetzlichen Unterhalt, auch wenn aus einem Unterhaltsvergleich oder sonstigen Vertrag geklagt wird (vgl Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ § 224 Rz 5; Schragel aaO § 224 Rz 2 jeweils mwN; 10 Ob 85/04d; RIS-Justiz RS0037368 ua). Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung, dass durch die Verbindung einer Ferialsache mit einer Nichtferialsache in einer Klage auch die Nichtferialsache zur Ferialsache wird (10 Ob 85/04d; RIS-Justiz RS0037388 ua). An der Qualifikation als „sonstige Streitigkeit über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt" ändert sich daher auch nichts, wenn sich der Unterhaltsberechtigte neben dem Unterhaltsvergleich darauf stützt, dass der Unterhaltsanspruch vom Unterhaltsschuldner dem Grund nach anerkannt wurde. Bei der Behauptung im Rekurs, die Klägerin habe sich im Übrigen auf „alle Rechtstitel", insbesondere Schadenersatz und (ungerechtfertigte) Bereicherung, gestützt, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung. Aus welchen Gründen der Unterhaltsschuldner nicht gezahlt hat, ist für die Frage, ob es sich beim geltend gemachten Unterhaltsanspruch um eine Ferialsache handle, irrelevant. Dass der Einbehalt des Unterhalts durch den Unterhaltsschuldner gegen Treu und Glauben erfolgt sei, ist daher für die Qualifikation als Streitigkeit iSd § 224 Abs 1 Z 4 ZPO unerheblich. Die in § 224 Abs 1 ZPO genannten Sachen sind immer Ferialsachen (Gitschthaler aaO § 224 Rz 1 ua); ob im Einzelfall tatsächlich Dringlichkeit geboten ist, ist unmaßgeblich (Gitschthaler aaO § 224 Rz 5 ua). Schließlich vermag auch der Umstand, dass der ursprünglich geklagte geschiedene Ehegatte der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz verstorben ist und der Rechtsstreit nunmehr von seiner Alleinerbin fortgeführt wird, nichts daran zu ändern, dass es sich beim vorliegenden Rechtsstreit weiterhin um eine Ferialsache iSd § 224 Abs 1 Z 4 ZPO handelt (vgl 10 Ob 85/04d ua). Gemäß § 225 Abs 2 ZPO hat die verhandlungsfreie Zeit auf den Anfang und den Ablauf von Fristen in Ferialsachen keinen Einfluss. Durch den Beginn der verhandlungsfreien Zeit am 24. 12. 2007 (§ 222 ZPO) trat daher keine Verlängerung der vierwöchigen Berufungsfrist ein.

Die Berufung wurde somit vom Berufungsgericht zurecht als verspätet zurückgewiesen. Dem unbegründeten Rekurs der Klägerin muss ein Erfolg versagt bleiben.

Stichworte