OGH 6Ob194/08k

OGH6Ob194/08k6.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei m***** gmbh, *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 50.277,34 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 20. Mai 2008, GZ 3 R 17/08b-18, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 16. November 2007, GZ 15 Cg 63/06t-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.997,10 EUR (darin 332,85 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zwischen der Klägerin, einem Bauunternehmen, und der beklagten Partei, einem gemeinnützigen Verein, wurde im Jahr 2003 ein Vertrag über die Errichtung einer Garage und von Umbauten einschließlich eines Zugangsbauwerks in Linz abgeschlossen. Das dabei erstellte Leistungsverzeichnis war ein standartisierter Computervordruck, wobei Textteile herausgestrichen und handschriftlich im Einvernehmen beider Parteien ersetzt wurden. Es lautete im hier strittigen Punkt wie folgt:

Firma: m***** gmbh

LEISTUNGSVERZEICHNIS

Angebot Nr: 03-0460-1

Projekt: a***** garage anbauten

Projektbasis: Das Originalangebot wird mit Zusatzvereinbarung

6.12.03 verbindlich anerkannt.

Pauschalpreis

Zusätzliche Auskünfte (Bezugsquellen, Bieterlücken etc.) werden

sinngemäß zu den heutigen Absprachen gelöst. Schiedsrichter Dipl.

Ing. E***** 3 Beilagen angeheftet.

Angebotssumme Netto: 40.000,--

Umsatzsteuer: 20 % 8.000,--

Angebotssumme inkl USt: 48.000,--

M*****, am 6.12.2003

A*****

[Unterschrift]

vorbehaltlich Zustimmung Verein

m***** gmbh

[Unterschrift]

Bei der Vertragserrichtung anwesend waren Dr. Hans H*****, ein

Mitglied der beklagten Partei ohne Funktion im Verein, der als

Schiedsrichter angeführte Dipl.-Ing. Josef E***** und der

Geschäftsführer der Klägerin.

Dem Einfügen der Wortfolge „Schiedsrichter Dipl. Ing. E*****" gingen die Überlegungen der Parteien voraus, im Fall von Meinungsverschiedenheiten jedenfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden; die Einbeziehung eines Schiedsrichters war also von beiden Seiten gewollt und Dipl.-Ing. Josef E*****, ein früherer Zivilingenieur für Bauwesen, hinsichtlich aller anfallenden Fragen als Schiedsrichter gewählt. Beide Vertragsparteien waren ihm gut bekannt; er genoss deren Vertrauen. Die Schiedsvereinbarung wurde geschlossen, um Kosten zu vermeiden. Dipl.-Ing. Josef E***** sollte nicht nur technische Fragen, sondern auch Abrechnungsprobleme definitiv entscheiden.

In einem Fax vom 30. 9. 2005 schrieb die Beklagte an die Klägerin, „da die Zahlungen jedoch bis zum heutigen Tage nicht ordnungsgemäß geleistet wurden, sahen wir uns veranlasst, über den im Vertrag vereinbarten Schiedsrichter einen Abschluss herbeizuführen. Vom 29. 10. 2004 bis Mitte März 2005 sind mehrere Gespräche geführt worden, die zu keiner Einigung führten. Bei diesen Gesprächen waren Sie [Dr. Hans H*****] als auch Herr Dipl.-Ing. E*****, als Schiedsrichter, anwesend. [...] Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie an einer Lösung nicht teilnehmen werden und sehen uns daher veranlasst, die offene Forderung einzuklagen".

Bis 15. 1. 2007 wurden bei Dipl.-Ing. Josef E***** drei Abrechnungsanträge eingebracht, und zwar zwei von Seiten der Klägerin und einer von Seiten der beklagten Partei. Die Verfahren hiezu wurden jeweils sehr einfach an Ort und Stelle mit den Parteien abgeführt und endeten jeweils mit einer Einigung.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei 50.277,34 EUR an Werklohn; die beklagte Partei erhob in der Klagebeantwortung die Einrede der „Rechtswegsunzulässigkeit und somit der Unzuständigkeit" des Landesgerichts Linz und verwies auf die abgeschlossene Schiedsvereinbarung.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück, das Rekursgericht sprach außerdem aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob sich eine Partei im Zusammenhang mit einer Schiedsvereinbarung - unabhängig von einer Einbringung einer Schiedsklage - auf eine den Schutz der Gegenpartei sichernde Formvorschrift erfolgreich berufen kann. In der Sache selbst vertraten die Vorinstanzen die Auffassung, die Parteien hätten eine umfassende Schiedsvereinbarung getroffen, von der auch der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch der Klägerin erfasst sei. Auf den Umstand, dass Dr. Hans H***** bei Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht über eine Spezialvollmacht nach § 1008 ABGB verfügte, könne sich die Klägerin nicht stützen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Gemäß Art VII SchiedsRÄG 2006 sind auf den vorliegenden Sachverhalt die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das Schiedsverfahren vor dem SchiedsRÄG anzuwenden.

2. Nach dieser Rechtslage bedurfte eine Schiedsvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftlichkeit, wozu nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch die Unterfertigung der schriftlichen Schiedsvereinbarung durch die Vertragsparteien oder ihre Bevollmächtigten gehörte (RIS-Justiz RS0017285). Dieses Schriftformerfordernis bezog sich jedenfalls auf den Mindestregelungsinhalt der Schiedsvereinbarung (vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO² [2007] § 583 Rz 8), also die genaue Bezeichnung der Parteien, die genaue Bezeichnung des bestimmten Rechtsverhältnisses, aus dem die zu entscheidenden Streitigkeiten entstanden sind oder resultieren könnten, sowie die unzweideutige Vereinbarung der Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht (7 Ob 544/86 = SZ 59/86; 1 Ob 641/95 = SZ 69/73; RIS-Justiz RS0044994; vgl auch Hausmaninger aaO § 581 Rz 32).

Dass die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende

Abrechnungsfrage nach dem beiderseitigen Willen der Parteien der von

ihnen getroffenen Schiedsvereinbarung unterliegen sollte und sich die

Parteien der Streitentscheidung durch den vereinbarten Schiedsrichter

unterworfen haben, haben die Vorinstanzen ausdrücklich und

zweifelsfrei festgestellt („ ... Schiedsrichter hinsichtlich aller

anfallenden Fragen ... "; „ ... jedenfalls eine gerichtliche

Auseinandersetzung vermeiden"; ... auch Abrechnungsprobleme definitiv

entscheiden").

3. Die Klägerin meint in ihrem Revisionsrekurs, das Schriftlichkeitsgebot habe nicht nur Beweis-, sondern auch Warnfunktion (gehabt). Damit müsste aber der gesamte Mindestregelungsinhalt schriftlich vereinbart werden; die Nennung des Schiedsrichters allein genüge nicht.

Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst, jedoch noch zur Rechtslage vor dem SchiedsRÄG ausgeführt (8 Ob 4/08h mwN), eine Schiedsvereinbarung müsse in der von den Parteien unterfertigten Urkunde oder jedenfalls in einer dieser Urkunde angeschlossenen Urkunde enthalten sein; nur dann sei sichergestellt, dass den Parteien bei der Unterfertigung der Urkunde der Abschluss der Schiedsvereinbarung auch tatsächlich bewusst ist. Das Schriftlichkeitserfordernis solle (unter anderem) den Vertragspartner warnen und damit vor Übereilung schützen und somit Gewähr dafür bieten, dass sich die Parteien der Bedeutung dieser Vereinbarung, die einem Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs gleichkommt, bewusst sind. Nicht in der verfahrensgesetzlich vorgesehenen Form zustandegekommene Schiedsgerichtsvereinbarungen könnten zwar durch vor dem Schiedsgericht abgegebene und dort zu Protokoll genommene Parteienerklärungen verbessert werden, die bloß schriftliche Bestellung eines Schiedsrichters könne die Voraussetzungen für eine in der verfahrensgesetzlich vorgesehenen Form zustandegekommene Schiedsgerichtsvereinbarung jedoch nicht ersetzen. Wenn das Gesetz Schriftform verlangt, müssten alle anderen Beweise für das Zustandekommen einer Willensübereinstimmung unbeachtlich bleiben. Darum geht es im vorliegenden Verfahren jedoch gar nicht. Die Parteien haben in Kenntnis der Konsequenzen eine umfassende Schiedsgerichtsvereinbarung im Zusammenhang mit dem von ihnen abgeschlossenen Werkvertrag getroffen und dies im Vertragstext dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie Dipl.-Ing. Josef E***** zum Schiedsrichter bestimmten. Diese Schiedsvereinbarung ist zwar grundsätzlich nach den Vorschriften des Prozessrechts auszulegen; dies schließt aber nicht aus, den von den Parteien mit der Schiedsgerichtsvereinbarung gemeinsam verfolgten Zweck, also die Parteiabsicht und die Grundsätze des redlichen Verkehrs, als Auslegungsmittel heranzuziehen (RIS-Justiz RS0045045, RS0044997, RS0018023).

Die Vorinstanzen haben die von den Parteien getroffene Vereinbarung dahin ausgelegt, dass auch die diesem Verfahren zugrunde liegende Auseinandersetzung der Parteien von der Schiedsklausel erfasst ist. Abgesehen davon, dass die Klägerin dies in ihrem Revisionsrekurs gar nicht einmal konkret bestreitet, ist das Ergebnis der Auslegung einer Schiedsgerichtsvereinbarung grundsätzlich einzelfallbezogen (9 Ob 39/04g; 2 Ob 29/07i); der Oberste Gerichtshof teilt die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung.

4.1. Die Klägerin vertritt in ihrem Revisionsrekurs weiters die Auffassung, die Schiedsvereinbarung sei lediglich von Dr. Hans H***** unterfertigt worden, der jedoch für die beklagte Partei nicht vertretungsbefugt gewesen sei; auch die (allfällige) nachträgliche schriftliche Genehmigung der Vereinbarung durch den Vereinsobmann der beklagten Partei sei nicht ausreichend gewesen, weil laut Vereinsregister die beklagte Partei nur durch drei Gesamtvertretungsbefugte vertreten werden könne. Dabei übersieht sie jedoch, dass sie im Verfahren erster Instanz Dr. Hans H***** ausdrücklich als bevollmächtigten Vertreter der Beklagten bei Abschluss der Vereinbarung bezeichnete (AS 3) und dies nicht einmal widerrief, nachdem die Beklagte die Einrede der „Rechtswegsunzulässigkeit und somit der Unzuständigkeit" des Erstgerichts erhoben hatte; ihr nunmehr gegenteiliger Prozessstandpunkt verstößt somit gegen das Neuerungsverbot des § 482

ZPO.

4.2. Weiters meint die Klägerin, die Beklagte habe nicht einmal behauptet, dass Dr. Hans H***** über eine Spezialvollmacht zum Abschluss der Schiedsvereinbarung verfügte. Sie beruft sich dabei insbesondere auf die Entscheidung 7 Ob 64/06x zu einem „vergleichbaren" Sachverhalt.

Nach dieser Entscheidung sind bei Schiedsvereinbarungen, die von Personengesellschaften geschlossen werden, die Unterschriften jeweils durch die gesetzlichen oder statutenmäßigen organschaftlichen Vertreter zu leisten. Diesen kommt schon kraft Gesetzes die Berechtigung zur Schließung von Schiedsverträgen für den Geschäftsherrn zu, sodass sie keine besondere Vollmacht benötigen. Die Personengesellschaft kann sich daneben zwar auch durch von ihren Organen rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Personen als „sonstige" Vertreter vertreten lassen; diese benötigen jedoch zum wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung eine Spezialvollmacht nach § 1008 ABGB, wobei für eine derartige Spezialvollmacht auch Schriftlichkeit zu verlangen ist.

Dass Dr. Hans H***** über eine derartige Spezialvollmacht verfügt hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Allerdings hat sich in dem der Entscheidung 7 Ob 64/06x zugrunde liegenden Verfahren die dortige Klägerin darauf berufen, bei Abschluss der Schiedsvereinbarung habe ihr (!) Vertreter über keine (Spezial-)Vollmacht verfügt, während sich im vorliegenden Verfahren die Klägerin darauf beruft, die Beklagte (!) sei nicht ausreichend bevollmächtigt gewesen.

Dazu hat nun das Rekursgericht ausgeführt, auch zum Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO werde die Meinung vertreten, dass diesen nur derjenige geltend machen könne, dessen gesetzlicher Schutz durch die Außerachtlassung der Vorschrift beeinträchtigt oder verletzt wurde; dies sei auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Tatsächlich kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 174/71 = EvBl 1972/104; 6 Ob 72/75) und von Zweitinstanzgerichten (etwa LGZ Wien EFSlg 57.786, 82.279; aA KG Wels ZfRV 1971, 47) sowie nach herrschender Lehre (Fasching IV1 [1971] 133; Pimmer in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 477 Rz 62; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ [2006] § 477 Rz 8; aA Böhm, ZfRV 1971, 47) der Gegner der in ihrer Vertretung verletzten Partei nicht auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO stützen. Die Auffassung des Rekursgerichts, diesen Grundgedanken auch auf Fälle des Vollmachtsmangels im Sinne des § 1008 ABGB auszudehnen, ist allein schon deshalb nicht zu beanstanden, weil diese Bestimmung ja (lediglich) der Gefahr begegnen will, dass sich der Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht dem Machthaber völlig ausliefert (vgl Apathy in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1008 Rz 2 mwN); diese Gefahr besteht im konkreten Fall aber nicht, wenn der Machtgeber die Schiedsvereinbarung gegen sich gelten lassen will.

5. Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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