OGH 3Ob69/08f

OGH3Ob69/08f3.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raimund S*****, vertreten durch Mag. Gunther Gram, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Waltraud U*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2007, GZ 40 R 153/07g‑151, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom 23. März 2007, GZ 29 C 155/05d‑147, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Begründung

Der klagende Wohnungseigentümer kündigte der Beklagten „die Wohnung" top Nr. 10 in einem bestimmten Haus zum 31. Jänner 2002 gerichtlich auf. Er stützte sich dazu auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 1 MRG (ohne weiteres Vorbringen) und des § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall sowie Z 6 MRG. Dazu brachte er vor, die Mieterin mache infolge Nichtbenützung erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjekts, insbesondere durch Nichtmeldung von Wasserschäden und Glasbruch sowie Vernachlässigung der regelmäßigen Wartung und Obsorge; sie habe einen für ihn nachteiligen Fernsehbeitrag am 15. Dezember 2000 veranlasst, wobei das Haus ohne Zustimmung des Klägers von innen und außen gezeigt worden sei; auch sei ihm unterstellt worden, die Beklagte abzuhören. Sie verwende die Wohnung nicht regelmäßig zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses, sondern nur als Abstellobjekt bzw in der Freizeit; sie wohne in einer ihr gehörenden Eigentumswohnung.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. Februar 2002 brachte der Kläger weiters vor, die Beklagte habe ohne seine Zustimmung in der Wohnung ein Bad und eine Zwischenwand errichtet. In der Tagsatzung vom 15. Mai 2002 brachte er weiter vor, dass keine Feuchtigkeitsisolierung angebracht und die Arbeiten nicht von Professionisten durchgeführt worden seien. In der Tagsatzung vom 14. Juni 2005 ergänzte der Kläger, dass wegen der Nichtausführung des Fußbodens im Nassraum gemäß der bescheidmäßigen Vorschreibung die Substanz des Hauses gefährdet sei, da die Absonderung von Wasser in die Holztramdecke drohe.

Die Beklagte wendete ua ein, die Arbeiten seien bereits vor vierzig (später korrigiert auf dreißig) Jahren mit Zustimmung des damaligen Vermieters und ordnungsgemäß (in der Folge konkretisiert: durch befugte Gewerbsleute und nach dem damaligen Stand der Technik) durchgeführt worden. Es liege auch eine Baugenehmigung vor.

Das Erstgericht erklärte mit Urteil die Aufkündigung für rechtswirksam und verhielt die Beklagte zur Räumung des Mietobjekts binnen 14 Tagen nach dem 31. Jänner 2002. Ausgehend von seinen umfangreichen Tatsachenfeststellungen verneinte es ein unleidliches Verhalten der Beklagten iSd § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG, bejahte dagegen eine über die Verwendung als Absteigequartier hinausgehende Benützung zu Wohnzwecken, weshalb auch der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht vorliege. Dagegen sei erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gegeben, weil die Beklagte ein Badezimmer und in weiterer Folge eine Dusche ohne die erforderliche Feuchtigkeitsisolierung einbauen habe lassen. Dadurch habe sie die Substanz des Hauses gefährdet. Der Kläger habe sich dieses Kündigungsgrundes nicht verschwiegen. Auch die Eventualmaxime sei nicht verletzt, weil er schon in der Aufkündigung erheblich nachteiligen Gebrauch geltend gemacht habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge, hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts zu den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall und § 30 Abs 2 Z 6 MRG. Dagegen sah es die Berufung zum weiteren Kündigungsgrund (§ 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG) als berechtigt an und gab dieser Folge, ohne die in diesem Punkt erhobene Tatsachen- und (weitere) Mängelrüge zu behandeln.

Zu Recht berufe sich nämlich die Beklagte - unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - auf die Verletzung der Eventualmaxime des § 33 Abs 1 MRG. Der Kläger habe sich zum in der Aufkündigung angeführten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG eindeutig auf Schäden berufen, die dem Bestandobjekt dadurch drohten, dass das vermietete Objekt nicht bewohnt werde, und das auch durch Substanzgefährdung konkretisiert. Spätere Ergänzungen hätten sich in diesem Rahmen zu halten. Zunächst habe sich dieser in der ersten Verhandlung nur auf nicht näher bezeichnete, ohne Zustimmung des Vermieters vorgenommene Umbauarbeiten bezogen, die die Substanz des Hauses gefährdeten. Erst ein halbes Jahr nach Einbringen der Kündigung habe er substanzgefährdende Baumängel bei der Ausführung des Bades behauptet. Auf diesen völlig anderen Sachverhalt könne die Kündigung aber - ohne dass dies kleinlich wäre - nachträglich nicht gestützt werden.

Es sei daher das Fehlen einer Feuchtigkeitsisolierung und die dadurch allenfalls entstehende Gefährdung der Substanz nicht zu prüfen. Das Erstgericht habe somit die Berechtigung der Aufkündigung aufgrund der fehlenden Isolierung zu Unrecht bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und im Sinn einer vom gestellten Abänderungsantrag umfassten Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils auch berechtigt.

Nach § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG (ebenso schon § 21 MG) hat der Vermieter in der (gerichtlichen) Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen; andere kann er in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen. Da demnach eine kurze Anführung genügt, wird die schlagwortartige Bezeichnung allein (7 Ob 3/55 = MietSlg 4750; 8 Ob 521/95 = WoBl 1996, 150 [Degelsegger] = MietSlg 47.415 uam; RIS‑Justiz RS0106599 [T3 und T4]) oder auch die ziffernmäßige Bezeichnung des Kündigungsgrundes allein (7 Ob 3/55: „unter Umständen"; 7 Ob 710/89 = WoBl 1991, 36 [zust Würth] = MietSlg 41.263: „wenn diese [Gesetzesstelle] den Sachverhalt eindeutig darstellt"; wN in 2 Ob 284/50 = SZ 23/116) als ausreichend angesehen; letzteres gilt aber nur, wenn „die betreffende Ziffer nur einen Tatbestand enthält" (SZ 23/116 uva; RIS‑Justiz RS0069069; 1 Ob 218/57 = EvBl 1957/335; zust zu all dem Würth in Rummel³ § 33 MRG Rz 3; Würth in Würth/Zingher/Kovanyi, MRG21 § 33 Rz 23). Werden neben der ziffernmäßigen Bezeichnung in der Kündigung bestimmte Tatsachen als Begründung angeführt, kommt es bei der Entscheidung darüber, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wurde, nur auf die Tatsachenbehauptung an (stRsp, 7 Ob 3/55 uva, zuletzt 2 Ob 50/98m, RIS‑Justiz RS0081764). Dasselbe gilt, wenn ein gesetzlicher Kündigungsgrund mehrere Tatbestände enthält und ein individualisierendes Vorbringen erstattet wurde (stRsp, 1 Ob 530/86 = MietSlg 38.493 mwN uva; RIS‑Justiz RS0106599). Ebenso einheitlich wird judiziert, dass bei der Wertung des Vorbringens nicht kleinlich vorzugehen ist (4 Ob 2135/96s = SZ 69/177 mwN uva; RIS‑Justiz RS0106599 [T5]).

Fraglich ist, inwieweit bei (wie im vorliegenden Fall gegebener) Angabe einer nur einen Kündigungsgrund regelnden Norm (hier § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG) und bloß schlagwortartiger Individualisierung weitere „Vorfälle" nachträglich geltend gemacht werden können. Nach der (im Wesentlichen) älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (und der von Gerichten zweiter Instanz) ist eine Erweiterung ausgeschlossen, wenn in der Kündigung bestimmte Vorfälle als Kündigungsgrund angeführt wurden (7 Ob 3/55 uva, RIS‑Justiz RS0067602; 5 Ob 80/71 = MietSlg 23.457; iglS ua weiters LGZ Wien MietSlg 40.476 [vom Berufungsgericht zitiert]). In den letzten Jahren ist allerdings der Oberste Gerichtshof Würth (in Rummel3 § 33 MRG Rz 3) dahin gefolgt, dass es nicht schadet, wenn bei ordentlich bezeichnetem Kündigungsgrund in der Aufkündigung nur einzelne Vorfälle demonstrativ angeführt werden und dann im Rahmen dieses Kündigungsgrundes noch weitere Vorfälle nachgetragen werden (8 Ob 521/95 ua; RIS‑Justiz RS0106599 [T3] ähnlich schon 8 Ob 606/93 = wobl 1994, 219 [Würth] = MietSlg 45.439). Dieser neueren Rechtsprechung ist zu folgen. Denn es geht nicht an, einen Vermieter deswegen schlechter zu stellen, weil er statt sich zulässigerweise auf die bloße Angabe einer konkreten Norm des MRG als Kündigungsgrund zu beschränken dazu noch weiteres, dem Mieter zur Information dienendes Vorbringen erstattet. Bei strenger Handhabung der älteren Rechtsprechung wäre bei nur einen Tatbestand aufweisenden Kündigungsgründen jeder Vermieter sonst gut beraten, in der Aufkündigung möglichst wenig oder nur ganz allgemeine Tatsachen zu behaupten und sich damit ergänzendes Vorbringen offen zu halten; damit müsste aber der Gekündigte möglicherweise seine Einwendungen erheben, ohne auch nur einigermaßen konkret zu wissen, was ihm (vom Sachverhalt her) vorgeworfen wird.

Im zu beurteilenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass das kurze Vorbringen in der Aufkündigung zum erheblich nachteiligen Gebrauch im Einklang mit der ebenfalls angeführten Norm steht, weshalb hier Zweifel darüber, welcher Kündigungsgrund insoweit geltend gemacht wird, von vornherein ausgeschlossen waren. Zudem kann auch nicht gesagt werden, es seien „ganz bestimmte Vorfälle" (LGZ Wien MietSlg 40.476) vorgebracht worden. Schließlich legt der Wortlaut der Kündigung zwar die vom Berufungsgericht getroffene Auslegung nahe, bei weniger pingeliger Prüfung kann das Vorbringen aber auch allgemeiner als Vorwurf unter anderem auch der Vernachlässigung der regelmäßigen Wartung und Obsorge des Mietobjekts schlechthin verstanden werden. Dann wäre auch die Annahme einer bloßen Konkretisierung dieses Vorwurfs (durch mangelnde Feuchtigkeitsisolierung ungeachtet eines eine solche anordnenden Bescheids der Baubehörde) wohl vertretbar. Nach der dargelegten Rechtslage durfte der Kläger im vorliegenden Verfahren ergänzend im Rahmen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG weitere Vorfälle geltend machen. Demnach ist das Berufungsgericht zu Unrecht nicht auf die Berufungsausführungen zu diesem vom Erstgericht bejahten Kündigungsgrund eingegangen. Das macht die Aufhebung seiner Entscheidung und die Zurückverweisung der Rechtssache an die zweite Instanz erforderlich.

Auf die Frage der Zulässigkeit der Parteiendisposition über die Eventualmaxime kommt es somit für die Entscheidung nicht an. Sie wurde im Übrigen vom Obersten Gerichtshof stets einheitlich negativ beantwortet (8 Ob 50/74 = MietSlg 26.551 [„Eventualmaxime als ... Verfahrensrecht ... zwingendes Recht"] uva; RIS‑Justiz RS0041951 [T1]; 1 Ob 80/74 = EvBl 1975/7; zust Jakusch in Angst², EO, § 35 Rz 92; iglS auch schon EvBl 1957/335 zum MG).

Was den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG angeht, auf den der Kläger in der Revision noch zurückkommt, ist diesem der Beweis der Verwendung der Wohnung als bloßes Absteigequartier nach den erstinstanzlichen Feststellungen nicht gelungen. Insofern zeigt er keine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz auf.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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