OGH 7Ob710/89

OGH7Ob710/899.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ottokar Z***, Pensionist, Wien 2., Nordbahnstraße 30, vertreten durch Dr. Hellmut Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Svetomir I***, Arbeiter, Wien 21., Lorettoplatz 5/1, vertreten durch Dr. Manfred Melzer und Dr. Erich Kafka, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert 6.000 S), infolge ao. Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 31.Mai 1989, GZ 41 R 271/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 6. Februar 1989, GZ 4 C 546/88w-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses in Wien 16., Maroltingergasse 59. Der Beklagte ist seit 1984 Mieter der Wohnung Nr. 37 in diesem Haus. Der Kläger kündigte den Mietvertrag aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 Z 4 und 6 MRG auf. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Nach seinen Feststellungen benützte der Beklagte die Wohnung zunächst mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern. Seine Kinder kehrten jedoch dann nach Jugoslawien zurück, um dort die Schule zu besuchen. Seit April 1986 ist der Beklagte als Platzwart des Floridsdorfer Tennisklubs in Wien 21., Lorettoplatz 5, beschäftigt. Es wurde ihm eine aus Zimmer, Küche und Kabinett bestehende Dienstwohnung zur Verfügung gestellt, die auch über eine Heizmöglichkeit verfügt. Der Beklagte übersiedelte in die Dienstwohnung. In der aufgekündigten Wohnung ließ er einigen Hausrat und einige Kleidungsstücke zurück. Der Beklagte hat im Sommer 7 Tennisplätze zu betreuen, im Winter ist er für die Tennishalle und die Schneeräumung verantwortlich. Der Tennisklub hat von 6 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit, im Winter von 6 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten mit dem Floridsdorfer Tennisklub besteht ohne Unterbrechung seit April 1986. Der Beklagte hält sich auch regelmäßig in der Dienstwohnung auf, lediglich von Weihnachten 1987 bis Neujahr 1988 war er in der aufgekündigten Wohnung. Seit April 1986 stellte er die Wohnung wiederholt dritten Personen zur Verfügung. Diese hielten sich jeweils kürzere Zeiträume, meist einige Monate, in der Wohnung auf. Im Winter 1987/1988 wohnten verschiedene Personen in der aufgekündigten Wohnung. Danach wohnten ein namentlich nicht bekannter Mann und eine Frau in der Wohnung, die im April 1988 auszogen. Seit diesem Zeitpunkt wird die Wohnung nicht benützt. Goran I***, ein Sohn des Beklagten, kehrte im November 1987 aus Jugoslawien nach Wien zurück. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, daß dieser die Wohnung benützt. Desgleichen konnte nicht festgestellt werden, daß der Beklagte die Absicht hätte, in nächster Zeit in die aufgekündigte Wohnung zurückzukehren.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes liege der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG vor, weil der Beklagte zur Zeit der Aufkündigung (2. März 1988) die Wohnung dritten Personen zum Gebrauch überlassen habe und sie in naher Zeit nicht für sich oder für eintrittsberechtigte Personen dringend benötige.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht führte eine teilweise Beweisergänzung durch und stellte ergänzend fest, daß die Weitergabe des Bestandobjektes durch den Beklagten an Besucher aus Jugoslawien jeweils unentgeltlich erfolgte.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes könne bei Weitergabe einer Wohnung nur der spezielle Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG, nicht aber der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 4 Z 6 MRG vorliegen. Aus dem letztgenannten Kündigungsgrund könne daher im vorliegenden Fall nicht gekündigt werden. Die Weitergabe im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG umfasse zwar jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung. Hier habe aber der Kläger lediglich Untervermietung und somit eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung geltend gemacht. Da die Gebrauchsüberlassung durch den Beklagten an dritte Personen unentgeltlich erfolgt sei, komme auch eine Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene ao. Revision des Klägers ist zulässig, weil der Frage, ob von der behaupteten entgeltlichen Weitergabe des Mietgegenstandes im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG auch die unentgeltliche Weitergabe mitumfaßt ist, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt und eine Rechtsprechung hiezu fehlt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Weitergabe des Mietgegenstandes nur nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG und nicht nach § 30 Abs. 2 Z 6 MRG gekündigt werden kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung (JBl. 1987, 447; MietSlg. 37.416; 33.355, 34.438, 32.356; vgl. auch Würth in Rummel ABGB Rz 21 zu § 30 MRG). Beizupflichten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß nach § 33 Abs. 1 MRG der Vermieter die Kündigungsgründe in der Kündigung kurz anzuführen hat. Die bloß ziffernmäßige Angabe einer bestimmten Gesetzesstelle ist zur Begründung einer Kündigung nur dann hinreichend, wenn diese den Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt wird, eindeutig darstellt. Werden neben der ziffernmäßigen Bezeichnung des Kündigungsgrundes in der Kündigung bestimmte Tatsachen als Begründung für die Aufkündigung angeführt, kommt es bei der Entscheidung der Frage, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wurde, in erster Linie auf diese Tatsachenbehauptung an (MietSlg. 32.418/26 mwN). Der Zweck der Bestimmung, daß die Kündigungsgründe schon in der Kündigung kurz anzuführen sind, besteht darin, den Gegenstand des Kündigungsstreites auch bei Einwendungen des Beklagten von vornherein deutlich abzugrenzen. Dieser Abgrenzung kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn eine bestimmte Gesetzesstelle mehrere Kündigungstatbestände enthält. Der § 30 Abs. 2 Z 4 MRG enthält zwei Tatbestände: 1. Die gänzliche Weitergabe - der nach Satz 2 eine teilweise Weitergabe ohne regelmäßige Benützung des Restes gleichsteht - ohne Bedarf in naher Zukunft und 2. die Weitergabe auch nur eines Teiles gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung (Würth aaO Rz 21 zu § 30 MRG). Unter Weitergabe nach Z 4 erster Fall ist jede entgeltlich oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu verstehen (Würth aaO Rz 24 mwN). Die Entgeltlichkeit ist wesentlich nur für den zweiten Tatbestand. Hätte der Kläger behauptet, daß der Beklagte die Wohnung gegen einen übermäßigen Mietzins weitervermietet habe, hätte er zweifelsfrei den zweiten Fall des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG geltend gemacht, sodaß der erste Fall nicht berücksichtigt werden könnte (so im Fall MietSlg. 32.418/26). Hier hat aber der Kläger lediglich Untervermietung geltend gemacht und somit den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG beansprucht. Im Rahmen des geltend gemachten Kündigungsgrundes ist dann aber auch die unentgeltliche Weitergabe zu berücksichtigen, weil der Begriff der Weitergabe, wie schon dargelegt wurde, auch diese mitumfaßt und überschießende Feststellungen, die in den geltend gemachten Klagegrund fallen, zu berücksichtigen sind (SZ 21/123; JBl. 1964, 208; 2 Ob 62/81). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß hier eine Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG nicht in Betracht komme, kann daher nicht geteilt werden. Eine abschließende Beurteilung ist jedoch nicht möglich, weil das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht zwar zur Weitergabe der Wohnung ergänzende Feststellungen traf, im übrigen aber die Beweisrüge des Beklagten nicht behandelte (vgl. ON 12 AS 62) und auch den behaupteten Verfahrensmangel nicht eindeutig verneinte. Es ist daher eine Aufhebung in zweiter Instanz erforderlich. Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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