OGH 12Os39/08i

OGH12Os39/08i22.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen DI Wolfgang F***** wegen des Verbrechens nach § 3h VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 14. Jänner 2008, GZ 406 Hv 3/07d-78, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte DI Wolfgang F***** der Verbrechen (richtig: des Verbrechens) nach § 3h VG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien in der Zeit von Dezember 2006 bis zum 1. August 2007 in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet, gröblich verharmlost, gutgeheißen oder zu rechtfertigen gesucht, indem er die in den Urteilspunkten 1 bis 9 angeführten Schriftstücke und E-Mails mit den dort detailliert angeführten Textpassagen versandte bzw verbreitete.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8, 11 lit a, 12 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Beschwerdeführer behauptet einen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen die Bestimmung des § 260 Abs 1 Z 4 StPO, weil das Urteil nicht anführe, welcher „Strafsatz" des § 3g VG - welche Strafbestimmung auch für § 3h VG den Strafrahmen festlegt - zur Anwendung gekommen sei (Z 4), rügt das Unterlassen der Stellung einer Zusatzfrage gemäß § 316 StPO nach der besonderen Gefährlichkeit des Täters oder der Tat (Z 6) und die unterlassene Klarstellung, ob er „den ersten, oder den zweiten Fall des § 3h VG zu verantworten" habe (Z 12), und bringt schließlich - ausgehend von den angenommenen Strafzumessungsgründen - vor, es könne nicht ausgeschlossen werden, „dass das Erstgericht bei Berücksichtigung zweier in Frage kommender Strafsätze vom höheren ausgegangen" sei (Z 13). Schließlich habe das Erstgericht die theoretische Anwendbarkeit des § 39 StGB als erschwerend gewertet und damit infolge Annahme einer möglichen Freiheitsstrafe bis zu 30 Jahren seine Strafbefugnis überschritten.

Diese Einwände gehen schon deshalb ins Leere, weil gerade das Unterbleiben der vermissten Fragestellung nach dem allfälligen Vorliegen besonderer Gefährlichkeit (Lässig in WK2 VG Vorbem Rz 7 aE) deren Nichtannahme im Wahrspruch zur Folge hatte, sodass auch der Strafausspruch unzweifelhaft bloß wegen des Grundtatbestands des § 3h VG erfolgte. Somit mangelt es der Rüge in Bezug auf die genannten Ausführungen an der Beschwer.

Überdies geht die Behauptung eines nichtigkeitsbegründenden Verstoßes gegen die Bestimmung des § 260 Abs 1 Z 4 StPO bereits auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Regelung fehl, wonach lediglich ein Verstoß gegen § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO mit Nichtigkeit bedroht ist (vgl Lendl, WK-StPO § 260 Rz 2, 46).

In seiner weiteren Fragenrüge (Z 6) behauptet der Nichtigkeitswerber eine Undeutlichkeit der Schuldfragen wegen Verletzung des „Deutlichkeitsgebots" des § 312 Abs 1 StPO infolge ihrer Formulierung als „klare und apodiktische Aussagen, die nicht in ein Fragenschema gehören". Der Verfahrensordnung zuwider legt er jedoch nicht dar, auf welche Weise ohne Wiedergabe der inkriminierten Texte eine neuerliche Verfolgung und Verurteilung wegen der gleichen Taten ausgeschlossen werden könnte und wie ohne Anführung der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zu Grunde gelegten Sachverhaltes möglich sein sollte (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 24). Das Vorbringen, den Geschworenen sei nicht die Möglichkeit einer Fragebeantwortung, sondern bloß die Bestätigung der vorgegebenen Tatsachenbehauptungen offengestanden, orientiert sich nicht an der tatsächlich erfolgten Verneinung der Hauptfragen A bis N und der Bejahung der Eventualfragen a, b, d bis g, i, j und l und lässt außer Acht, dass die Geschworenen auch dahingehend belehrt wurden, die Fragen mit „Ja" oder „Nein" zu beantworten (S 52 der Rechtsbelehrung Blg B zum HvProtokoll ON 77).

Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach § 11 StGB vermisst, fehlt es dem Beschwerdevorbringen entgegen dem Gebot deutlich und bestimmter Bezeichnung (angeblich) Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2, 344 StPO) an einer Bezugnahme auf ein konkretes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung. In diesem Zusammenhang sei insbesondere darauf hingewiesen, dass er sich selbst gar nicht mit Zurechnungsunfähigkeit verantwortet hat (vgl Hv-Protokoll ON 77). Wie nach Urteilsverkündung auf Grund des - im Übrigen eine Geisteskrankheit, Schwachsinn, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung im Deliktszeitraum ohnedies nicht indizierenden - Zusammenbruchs des Angeklagten bei der Urteilsbegründung eine Wiedereröffnung des Beweisverfahrens zur Ergänzung des Fragenschemas in Richtung des § 11 StGB möglich sein solle, obwohl nach vollständiger und richtiger Verkündung des Tenors dessen Änderung in derselben Instanz grundsätzlich nicht mehr zulässig ist, bleibt völlig im Dunkeln (vgl EvBl 1980/89; jüngst 15 Os 70/07v; vgl auch Lendl, WK-StPO § 257 Rz 2; RIS-Justiz RS0098214). Der Beantwortung der Instruktionsrüge (Z 8) ist voranzustellen, dass dieser Nichtigkeitsgrund zwar nicht unter den relativen Nichtigkeitsgründen des § 345 Abs 3 und 4 StPO aufscheint, dessen ungeachtet aber, wie prinzipiell für jedes Rechtsmittel, die erfolgreiche Geltendmachung auch dieses Nichtigkeitsgrundes eine Beschwer des Rechtsmittelwerbers voraussetzt (RS0101006, RIS-Justiz RS0100952). Diese fehlt dem Angeklagten aber, soweit er sich auf die Rechtsbelehrung zu den Hauptfragen (A bis N), die durchgehend stimmenmehrheitlich verneint wurden, somit auf die darauf bezogenen Seiten 20 bis 48 der Rechtsbelehrung (Blg B zu ON 77) bezieht. In Ansehung des Tatbestands des Verbrechens nach § 3h VG ist weiters darauf hinzuweisen, dass ein Nichtigkeit begründender Mangel der schriftlichen Rechtsbelehrung nur dann vorliegt, wenn sie eine erhebliche sachliche Unrichtigkeit enthält oder hinsichtlich wesentlicher rechtlicher Begriffe unvollständig oder so undeutlich oder widerspruchsvoll ist, dass die Geschworenen bei Lösung wesentlicher Rechtsbegriffe irregeleitet werden konnten. Überflüssige Ausführungen, selbst wenn sie unzutreffend sind, machen eine Rechtsbelehrung jedoch nicht zu einer unrichtigen (RIS-Justiz RS0101085, RS0100949, RS0100979). Damit sind die beanstandeten Ausführungen zur Intention des Gesetzgebers - weil in einer Rechtsbelehrung nicht erforderlich - einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen.

Überdies kritisiert der Beschwerdeführer insoweit aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Instruktion zur Sonderstellung des § 3h VG im Gefüge des Verbotsgesetzes und zum Zweck dieser Strafbestimmung, Delinquenz im Vorfeld nationalsozialistischer Betätigung zu erfassen (S 48 f der Rechtsbelehrung). Dabei nimmt er jedoch nicht Maß an deren Gesamtinhalt (vgl Fabrizy StPO9 § 345 Rz 12), sondern sucht lediglich einzelnen Wendungen einen anderen Sinngehalt beizugeben.

Das Vorbringen, die Rechtsbelehrung sei hinsichtlich der Begriffe Medium, Druckwerk und Rundfunk durch Bezugnahme auf nicht erklärte Gesetzesbestimmungen unerläutert, undeutlich und beirrend, bezieht sich nur auf die ersten drei in § 3h VG genannten Begehungsarten, nicht aber auf das vierte der öffentlichen Tatbegehung auf eine Weise, dass die Äußerung vielen Menschen zugänglich wird. Gerade dieses generalklauselartige, den anderen rechtlich gleichwertige Begehungsmittel wurde jedoch von den Tatrichtern als erwiesen angenommen. In den Schuldsprüchen zu den einzelnen Fakten sind nämlich - im Gegensatz zum Einleitungssatz zum schuldigsprechenden Teil des Urteils, in dem auch die Begehungsmittel des Druckwerks, des Rundfunks und des anderen Mediums erwähnt sind - ausschließlich solche Tathandlungen beschrieben, die als öffentliche Begehung auf eine Weise, dass die Äußerung vielen Menschen zugänglich wird, aufzufassen sind. Der Beschwerdeführer kann daher durch die behauptete mangelhafte Erklärung der erwähnten Begriffe nicht beschwert sein. Abgesehen davon bleibt er ein Vorbringen schuldig, inwieweit der behauptete Mangel geeignet gewesen wäre, die Geschworenen zu beirren, indem er insbesondere nicht darlegt, weshalb diese Begriffe ungeachtet ihres deskriptiven Charakters einer weiteren Erklärung bedurft hätten (SSt 41/61; RS0100721; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57), und verfehlt solcherart die gesetzeskonforme Ausführung.

Soweit sich die Beschwerde gegen die fehlende Erläuterung des Begriffs der „konkreten Gefahr" wendet, bezieht sie sich nicht auf ein gesetzliches Merkmal des Verbrechens nach § 3h VG und verfehlt daher den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Das Tatbestandsmerkmal des Zugänglichmachens wurde hingegen ohnedies erörtert (S 50 der Rechtsbelehrung).

Der Einwand, die Rechtsbelehrung sei für einen Laien „beirrend und verwirrend", weil der auf S 52 angeführte Verweis („vgl dazu oben") nicht erkennen lasse, worauf er sich beziehe, bringt weder eine Unrichtigkeit noch eine Unvollständigkeit zur Darstellung. Im Übrigen wird der Gefahr einer allfälligen Unübersichtlichkeit oder schweren Verständlichkeit der schriftlichen Belehrung dadurch vorgebeugt, dass sie den Geschworenen auch mündlich zu erklären ist, im Anschluss daran die Fragen zu besprechen sind und der Vorsitzende sich dann zu überzeugen hat, ob seine Belehrung auch verstanden worden ist (§ 323 StPO; RIS-Justiz RS0100970, RS0101149, RS0100701).

Die Beschwerde rügt ferner den Verweis auf einen in Kopie der Rechtsbelehrung angeschlossenen Kommentar zum Verbotsgesetz, behauptet jedoch insoweit nicht einmal die Unrichtigkeit der Instruktion. Solcherart verfehlt sie jedoch neuerlich die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 11 lit a), der Angeklagte habe offengelassen, was er als Wahrheit ansehe, zumal er die Existenz der Gräueltaten des Nationalsozialismus anerkannt und sich (bloß) unkritisch mit den Ereignissen, die mit dem Holocaust in Verbindung stehen, auseinandergesetzt habe, orientiert sich nicht am gesamten Wahrspruch der Geschworenen, sondern unterzieht einzelne isoliert herausgegriffene Teile der im Verdikt festgestellten Äußerungen des Angeklagten einer eigenständigen Beurteilung. Auf diese Weise erschöpft es sich in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Laienrichter.

Weshalb bei dem als alternatives Mischdelikt konzipierten, wahldeutige Feststellungen zulassenden Verbrechen des § 3h VG (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 573 iVm Lässig in WK2 VG § 3h Rz 8) eindeutige Konstatierungen erforderlich sein sollten, ob dem Angeklagten das Leugnen, gröbliche Verharmlosen, Gutheißen oder Rechtfertigen zur Last liege, bringt die Beschwerde nicht zur Darstellung und erweist sich daher abermals nicht an der Prozessordnung ausgerichtet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 344, 285, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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