OGH 2Ob237/07b

OGH2Ob237/07b26.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Erhard F*****, vertreten durch Dr. Günther Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Schröfl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 218.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. September 2007, GZ 5 R 50/07w-26, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. § 8 ABGB sieht jedoch die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber den normativen Sinn eines (unklaren) Gesetzes durch ein neuerliches Gesetz erklärt. Diese Aufklärung hat - sofern keine andere Regelung erfolgt - rückwirkende Kraft, da sie ab dem Inkrafttreten des „erklärten Gesetzes" gilt (5 Ob 98/05f = SZ 2005/132).

Das Berufungsgericht hat die Grundsätze, nach denen von einer solchen authentischen Interpretation einer älteren Norm auszugehen ist, in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der herrschenden Lehre dargestellt. Danach kann die authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch eine - uU auch schlüssige - Erklärung des Gesetzgebers vorgenommen werden, die sich als Gesetz darstellt und auch als Gesetz kundgemacht worden ist;

bloßen Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren kommt aber ebensowenig diese Eigenschaft zu wie einer Feststellung eines Nationalratsausschusses (vgl SZ 27/198; SZ 47/134; 1 Ob 222/05m;

RIS-Justiz RS0008907; Posch in Schwimann, ABGB³ I § 8 Rz 3; F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 8 Rz 1; P. Bydlinski in KBB² § 8 Rz 1). Die Aussage über die authentische Interpretation muss demnach, auch wenn sie schlüssig erfolgt, stets (zumindest auch) im kundgemachten Text des „erklärenden Gesetzes" enthalten sein (in diesem Sinne 7 Ob 546/90 = JBl 1991, 44; 8 ObA 273/97y; 1 Ob 222/05m; RIS-Justiz RS0008908; Posch aaO § 8 Rz 3).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, § 25 Abs 3 GSpG 1989 idF der Novellen BGBl I 105/2005 und BGBl I 145/2006 enthalte keine authentische Interpretation der früheren Rechtslage, hält sich im Rahmen der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur und entspricht insbesondere der Entscheidung 1 Ob 222/05m. Mit dem Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses vom 5. 7. 2006 und der darin enthaltenen „Feststellung", der zeitliche Anwendungsbereich des § 25 Abs 3 GSpG 1989 idF der Novelle 2005, der die Ersatzansprüche eines Spielteilnehmers mit seinem konkreten Existenzminimum festlegt, bestimme sich nach den Grundsätzen des § 8 ABGB (1589 BlgNR 22. GP 1), wirft die beklagte Partei keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dasselbe gilt für die eine authentische Interpretation befürwortende Meinung Vonkilchs (Rückforderung von Glücksspielverlusten nach dem „Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz" - Rien ne va plus?, ÖJZ 2006/30; ders § 25 Abs 3 GSpG: Authentische Interpretation „zum Quadrat", ecolex 2007, 241), vermag doch selbst dieser Autor nicht darzulegen, inwiefern aus dem Gesetzestext der gesetzgeberische Wille zu einer rückwirkenden Erklärung der bisherigen Rechtslage ableitbar sein soll.

2. Es trifft wohl zu, dass nach einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auch aus späteren gesetzlichen Regelungen interpretativ abgeleitet werden kann, wie eine bestimmte, schon bisher geltende Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers zu verstehen war und ist. Danach soll es nicht jedenfalls der aufgrund eines besonderen Gesetzgebungsakts möglichen authentischen Interpretation bedürfen, um bestimmte Rechtsnormen im Einklang mit jenem Verständnis auszulegen, das der Gesetzgeber in einem späteren Gesetzgebungsakt (mittelbar) zu erkennen gibt (RIS-Justiz RS0107343).

Der erkennende Senat hat jedoch bereits in der Entscheidung 2 Ob 136/06y eine einschränkende Auslegung der früheren Fassung des § 25 Abs 3 GSpG 1989 (nur) anhand der Gesetzesmaterialien zu der Novelle 2005 mit der Begründung abgelehnt, Gesetzesmaterialien könnten nur zur Auslegung des Gesetzes, dessen Vorarbeiten sie seien, herangezogen werden. Es sei nicht zulässig, aus den Erläuterungen zu einer Regierungsvorlage darauf zu schließen, welche Absicht der Gesetzgeber bei Erlassung des früheren Gesetzes verfolgt habe (vgl auch RIS-Justiz RS0008771).

Dieser Grundsatz, an dem festzuhalten ist, muss um so eher gelten, wenn sich die beklagte Partei nunmehr zur Auslegung der anzuwendenden Norm auf einen erst aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle 2006, nämlich dem erwähnten Bericht des Finanzausschusses vom 5. 7. 2006 gewonnenen gesetzgeberischen Willen beruft. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.

3. Die Frage, ob die Spielbankleitung ihre aus § 25 Abs 3 GSpG 1989 in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl I 71/2003 erwachsenden Verpflichtungen erfüllt hat, ist eine solche des Einzelfalls und begründet, von einer krassen Fehlbeurteilung durch das Gericht zweiter Instanz abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (8 Ob 134/04w; 2 Ob 136/06y; 6 Ob 24/08k; RIS-Justiz RS0117009 [T2]).

Entgegen dem in der Revision geäußerten Vorwurf hat das Berufungsgericht eine verstärkte Überwachung des Spielverhaltens des Klägers durch Personal der beklagten Partei keineswegs nur als eine theoretisch mögliche, sondern als eine der beklagten Partei konkret zumutbare Maßnahme („... in der konkreten Situation geeignete Maßnahme ...") angesehen. Im Hinblick auf die Häufigkeit der Besuche des in den Casinos der beklagten Partei als „Stammspieler" bekannten und bevorzugt behandelten Klägers, dessen intensives Automatenspiel und seine Gewohnheiten bei den Barbehebungen an der Casinokasse ist dem Berufungsgericht auch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es zu der Rechtsansicht gelangte, die beklagte Partei habe die ihr auferlegten Überwachungspflichten verletzt und zur Hintanhaltung der Existenzgefährdung des Klägers und seiner Angehörigen geeignete Maßnahmen unterlassen. Den auf „1.500 Personen mit gleichartigem Spielverhalten" abstellenden Argumenten der beklagten Partei sind die erstinstanzlichen Feststellungen entgegenzuhalten, wonach (lediglich) 50 bis 100 Personen „so oft wie der Kläger" ihre Casinos frequentieren.

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