OGH 7Ob546/90

OGH7Ob546/907.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot.Firma Anton S*** & Söhne, Buchbinderei, Innsbruck, Bernhard Höfel-Straße 9, vertreten durch Dr.Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei S*** I***, vertreten durch Dr.Albert Tachezy, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 936.922 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19.September 1989, GZ 3 a R 362/89-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24.April 1989, GZ 15 C 219/89h-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 936.922 samt 9 % Zinsen seit 1.6.1988 zu bezahlen, wird abgewiesen.".

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 159.260,60 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 45.200 Barauslagen und S 19.010,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1052 II KG Amras, zu der unter anderem das Grundstück 686/3 gehört. Mit Vertrag aus dem Jahre 1974 begründete die beklagte Partei an dem Grundstück ein Baurecht für die Österreichische Leasing Mietdienst GmbH. Der Bauzins von S 150.000 pro Jahr wurde nach dem Verbraucherpreisindex 1966 wertgesichert. Ursprünglich sollte der Baurechtsvertrag mit der klagenden Partei abgeschlossen werden. Es trat jedoch dann die Österreichische Leasing Mietdienst GmbH als Vertragspartner der beklagten Partei auf. Die klagende Partei, die das auf dem Grundstück neu errichtete Betriebsgebäude aufgrund einer Vereinbarung mit dem Bauberechtigten bereits seit dem Jahre 1974 benützte, erwarb das Baurecht mit Kaufvertrag vom 26.1.1984, nach dessen Punkt IV sie in alle Rechte und Pflichten des Bauvertrages eintrat.

Die klagende Partei behauptet die Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel gemäß § 3 Abs 2 BauRG aF und begehrt unter Berufung auf Rechtsirrtum die Rückzahlung des bisher aufgrund der Wertsicherungsklausel bezahlten, der Höhe nach nicht strittigen Bauzinses von S 936.922 sA. Die Verkäuferin hat die ihr zustehenden Ansprüche auf Rückforderung der klagenden Partei abgetreten. Nach dem Standpunkt der beklagten Partei sei die Wertsicherungsklausel rechtswirksam, jedenfalls aber eine Kondiktion ausgeschlossen. Gegen die Klagsforderung und bis zu deren Höhe wendet die beklagte Partei aufrechnungsweise eine Gegenforderung von S 945.000 ein. Da das BauRG eine Wertsicherung nicht schlechthin ausschließe, sei zumindest eine Wertsicherung durch bestimmte laufende Erhöhungsbeträge (jährliche Erhöhung des Bauzinses um 6 % als Ausgang das Bauzinses) jedenfalls gerechtfertigt. Das Erstgericht erkannte die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil unter Verdeutlichung des Urteilsspruches im Sinne eines dreigliedrigen Urteils.

Nach der Auffassung der Vorinstanzen verstoße die Wertsicherungsklausel gegen das Verbot des § 3 Abs 2 BauRG aF und sei daher nichtig. Einem gesetzlichen Verbot widersprechende Zahlungen könnten zurückgefordert werden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Das durch das BauRG geschaffene Rechtsinstitut des Baurechts hat seinen Ursprung in den Bodenreformbestrebungen vor dem Ersten Weltkrieg. Das Baurecht sollte einerseits "die Errichtung von Eigenhäusern oder Häusern mit billigen Kleinwohnungen befördern durch Reduzierung der Kosten für den Erwerb des Baugrundes", andererseits "die Geneigtheit des Grundeigentümers fördern, mehr Bodenfläche für Wohnzwecke nutzbar zu machen" (Bericht der Kommission für Justizgegenstände des Herrenhauses, 34 BlgHH

21. Session 1911). Die im zweiten Absatz des § 3 BauRG geforderte Stabilität des Bauzinses ist nach dem erwähnten Bericht "ebenso wie die feste Dauer des Baurechtes demjenigen, der das Eigenhaus auf fremdem Boden erwerben soll, Grundbedingung seiner Kalkulation, ohne die das Baurecht seine Funktion weder als Nutzungs- noch als Kreditobjekt erfüllen könnte; etwaige unvorhergesehene Steigerung des Nutzungswertes, im Gegensatze zum Grundwerte, während des Bestandes des Baurechtes muß dem Bauberechtigten, der die Baukosten trägt, und nicht dem Grundeigentümer zugute kommen. Nicht ausgeschlossen ist damit, daß im Vertrag...der Zins von vorneherein nach gewissen (längeren) Perioden aufsteigend bestimmt werde. Um in dieser Richtung kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, hat die Kommission im Texte des § 3 die Worte 'fest und' - die nichts anderes sagen wollten, als daß jede im Baurechtsvertrage selbst nicht bestimmt vorgesehene Steigerung während der Dauer des Baurechtes unzulässig sei, so verstanden aber neben den darauf folgenden Worten überflüssig schienen - gestrichen". Die dem § 3 Abs 2 BauRG aF zugrunde liegenden Vorstellungen ergeben sich auch aus dem Erlaß des Justizministeriums vom 11.6.1912 über die Durchführung des Baurechtsgesetzes, wonach es, da die Stabilität des Bauzinses sowie die feste Dauer des Baurechtes für den Bauberechtigten Grundbedingung seiner Berechtigung sei, unzulässig wäre, daß etwa der Bauzins mit dem Bankzinsfuß in eine Beziehung gebracht werde und mit ihm steige und falle. Ebenso dürfte sich der Grundeigentümer nicht vorbehalten, zu einem bestimmten Zeitpunkt den Bauzins hinaufzusetzen. Zulässig sei es hingegen, daß der Bauzins von vornherein nach gewissen Perioden aufsteigend festgesetzt werde. Aus den Materialien ergibt sich somit ganz eindeutig, daß der Gesetzgeber eine Vereinbarung für unzulässig und damit für verboten erklären wollte, die den Bauzins auf Veränderungen des Grundwertes und auch auf solche Wertsicherungen abstellt, die die Bauzinsforderung von einem jedenfalls der Höhe nach ungewissen Ereignis abhängig machen. Eine Vereinbarung, wonach der jährlich zu entrichtende Bauzins nach dem Verbraucherpreisindex wertgesichert ist, stellt ohne jeden Zweifel auf ungewisse künftige Ereignisse ab. Die in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers deckt sich mit dem Wortsinn des § 3 Abs 2 BauRG aF. Die grammatikalische und die historische Auslegung führen somit zum gleichen Ergebnis. Es entspricht auch der fast einhelligen Meinung im Schrifttum, daß § 3 Abs 2 BauRG aF ein Wertsicherungsverbot enthält und dieses insbesondere auch die besonders gängige Verwendung des Verbraucherpreisindex als Wertsicherungsmaßstab umfaßt (M.Bydlinski, Wertsicherungsklausel im Baurechtsvertrag und Rückforderung in ÖJZ 1987, 9, insbesondere 10 f; Ertl, Die Wertsicherung des Bauzinses in NZ 1990, 49 f je mwN aus dem Schrifttum). Der letztgenannte Autor plädiert jedoch für eine teleologische Reduktion. Ob die Voraussetzungen hiefür tatsächlich gegeben sind, ist nicht mehr zu erörtern. Mit Bundesgesetz vom 25.4.1990 BGBl 258 (BauRGNov 1990), das mit 1.7.1990 in Kraft tritt, hat der Gesetzgeber das Baurecht geändert.

Wertsicherungsvereinbarungen sind danach zulässig, sofern das Ausmaß des Bauzinses nicht durch die Bezugnahme auf den Wert von Grund und Boden bestimmt wird (§ 3 Abs 2 BauRG nF). Vereinbarungen über die Wertsicherung des Bauzinses, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der BauRGNov 1990 geschlossen worden sind und dem § 3 Abs 2 BauRG in der Fassung dieser Novelle entsprechen, sind von diesem Zeitpunkt an rechtswirksam (Art III Abs 2 BauRGNov 1990). Diesen Änderungen liegt die Erwägung zugrunde, daß nach einhelliger Ansicht das Verbot der Wertsicherung nicht mehr den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht (1264 BlgNR 17.GP 1). Der § 8 ABGB räumt dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, ein Gesetz verbindlich zu erläutern, und legt dieser Aufklärung rückwirkende Kraft bei. Er besagt aber nicht, wann ein Gesetz eine solche authentische Interpretation darstellt. Anerkannt ist, daß bloße Äußerungen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens keine authentische Interpretation sind (F.Bydlinski in Rummel2 Rz 1 zu § 8; Posch in Schwimann ABGB Rz 1 zu § 8; SZ 27/198). Pisko (in Klang1 I/1 152) und Wolff (in Klang2 I/1 109) lehren, daß ein Gesetz eine authentische Interpretation auch enthalten kann, wenn es sich als eine solche nicht schon sprachlich darstellt, die authentische Auslegung somit auch schlüssig erfolgen kann. Es genügt, wenn der "disponierende Teil" des Gesetzes logisch eine Aussage über das bestehende Recht in sich schließt. Ein Gesetz muß im Zweifel so ausgelegt werden, daß der aufgestellten Norm ein Anwendungsgebiet zukommt (Pisko aaO 154). Dieser Lehre ist zu folgen. Nach ihr ergibt sich, daß die BauRGNov 1990 eine authentische Interpretation des § 3 Abs 2 BauRG aF enthält. Aus der Anordnung des Art III Abs 2 der Novelle, daß Vereinbarungen über die Wertsicherung des Bauzinses, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle geschlossen worden sind und dem § 3 Abs 2 BauRG in der Fassung der Novelle entsprechen, von diesem Zeitpunkt an rechtswirksam sind, folgt logisch, daß solche Wertsicherungsklauseln vor dem 1.1.1990 keine Rechtswirkungen entfalten können. Für diese Auffassung spricht auch die Erwägung des Gesetzgebers, daß Wertsicherungsvereinbarungen in bestehenden Baurechtsverträgen nur mit Wirkung ex nunc saniert werden sollen und die nachträgliche Anerkennung bisher rechtlich unwirksamer Wertsicherungsvereinbarungen in unbilliger Weise diejenigen Grundeigentümer benachteiligen würde, die in Beachtung des gesetzlichen Verbots von einer Wertsicherungsvereinbarung im Baurechtsvertrag Abstand genommen haben (1264 BlgNR 17.GP 3). Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs 2 BauRG aF würde auch dem Art III Abs 2 der Novelle sein Anwendungsgebiet nehmen. Durch die BauRGNov 1990 ist somit iS der ganz herrschenden Meinung verbindlich klargestellt, daß § 3 Abs 2 BauRG aF ein Verbot von Wertsicherungsklauseln enthält. Den Vorinstanzen ist daher darin beizupflichten, daß die zwischen den Streitteilen vereinbarte Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex jedenfalls bis 1.7.1990 rechtsunwirksam ist.

Nicht gefolgt werden kann dagegen den Vorinstanzen in der Beurteilung der Rückforderbarkeit bereits bezahlter Wertsicherungsbeträge.

Die BauRGNov 1990 sieht in Art III Abs 3 zwar auch vor, daß Beträge, die aufgrund unwirksamer Wertsicherungsvereinbarungen bezahlt worden sind, nicht zurückgefordert werden können. Diese Bestimmung ist jedoch auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nur dann anzuwenden, wenn die Klage nach dem 31.3.1990 bei Gericht eingebracht worden ist, was hier aber nicht zutrifft. Auf Rückforderungsansprüche bei Ungültigkeit oder Teilungültigkeit eines Vertrages gemäß § 879 ABGB kommt nach der Rechtsprechung die Bestimmung des § 877 ABGB zur Anwendung. Diese hat keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern verweist auf das allgemeine Bereicherungsrecht (RdW 1984/9 mwN). Nach diesem entscheidet im Sinne der einhelligen neueren Lehre über die Rückforderungsmöglichkeit der Zweck der die Ungültigkeit begründenden Norm. Will das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu mißbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch (Koziol-Welser8 I 401; Krejci in Rummel2 Rz 258 zu § 879; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 27 zu § 879; Rummel, ÖJZ 1978, 253; Wilburg in Klang2 V 462 ff). Dieser Meinung hat sich auch der Oberste Gerichtshof in der neueren Rechtsprechung angeschlossen (RdW 1984, 9; JBl 1989, 784). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen und festzuhalten, daß es sich hier um eine geschäftlich genutzte Liegenschaft handelt, sodaß die Gesetzeszwecke des BauRG von vornherein nicht herangezogen werden können, soweit sie auf Wohnungen zugeschnitten sind (M.Bydlinski aaO 12 Anm 23). Dieser Kategorie ist nach dem Grundgedanken des BauRG, mehr Bodenfläche für Wohnzwecke nutzbar zu machen, die Begünstigung des Bauberechtigten zuzuordnen. Der Grundsatz der Stabilität des Bauzinses war insofern schon nicht konsequent verwirklicht, als es nicht ausgeschlossen war, im Vertrag den Zins von vornherein nach gewissen längeren Perioden aufsteigend zu bestimmen. Dadurch wurde die Möglichkeit eröffnet, den Bauzins zwar periodisch zu vereinbaren, aber so hoch anzusetzen, daß damit die drohende Geldwertminderung abgesichert war (vgl M.Bydlinski aaO 13). Eine daraus sich ergebende Vermögensverschiebung wäre auch nach dem BauRG aF nicht zu mißbilligen. Die Möglichkeit, das Baurecht als Grundlage für einen Realkredit nutzbar zu machen, wird, wie M.Bydlinski (aaO 14) hervorhebt, durch die Gewährung oder Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs nicht berührt. Der Zweck, dem Bauberechtigten eine feste Grundlage seiner Kalkulation zu schaffen, war auf den Zeitpunkt der Begründung des Baurechts abgestellt und hat dann keine Bedeutung mehr, wenn Wertsicherungsbeträge bereits bezahlt wurden (vgl M.Bydlinski aaO). Daraus folgt im Sinne der oben dargestellten Grundsätze, daß aufgrund von Wertsicherungsklauseln bereits bezahlte Beträge jedenfalls bei geschäftlich genutzten Liegenschaften nicht zurückgefordert werden können, wenn die Klage vor dem 31.3.1990 bei Gericht eingebracht worden ist. Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die beiden Schriftsätze vom 3.2.1989 (ON 20 und 21) sind jedoch im Sinne des § 41 ZPO nur einmal zu honorieren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte