OGH 6Ob79/08y

OGH6Ob79/08y8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede B*****, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Claudia W*****, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert 11.133,76 EUR sA), über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2007, GZ 22 R 211/07v-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 30. April 2007, GZ 2 C 538/05x-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 766,08 EUR (darin 127,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 7. 8. 2004 wanderte die Klägerin in Begleitung ihrer Familie und ihres Hundes in Weisspriach. Der Hund der Klägerin ging einen größeren Schäferhund an. Etwa zehn Minuten später ging die Beklagte mit dem Hund ihrer Schwiegermutter in Richtung Granklerhütte. Bei diesem Hund handelte es sich um einen Familienhund der Rasse Golden Retriever, der aufgrund des Hotelbetriebs der Beklagten und ihrer Schwiegermutter andere Menschen und Hunde gewöhnt war und sich diesen gegenüber gutmütig und nicht aggressiv verhält. Er ist es gewohnt, frei zu laufen; gegenüber anderen Hunden ist er zurückhaltend. Er befolgt die gegebenen Kommandos und Befehle.

Der Hund der Klägerin ging den von der Beklagten geführten Hund aggressiv an, bellte ihn an und fletschte seine Zähne. Dadurch erschrak dieser und ging dann in Richtung des Hundes der Klägerin. Dieser lief daraufhin um die Klägerin herum auf deren Rückseite. Dadurch wickelte sich die Hundeleine um die Füße der Klägerin, wodurch sie rücklings zu Sturz kam. Der von der Beklagten geführte Hund hatte die Klägerin zwar berührt, jedoch weder mit den Vorderpfoten angesprungen noch den Hund der Klägerin gebissen oder verletzt. Die Klägerin erlitt einen Schock und ein größeres Hämatom am Oberschenkel.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahingehend, dass es der Verkehrsübung entspreche, dass Hundehalter nicht bösartige und folgsame Tiere frei im Gelände herumlaufen lassen. Für die Beklagte habe keine Veranlassung bestanden, für eine Verwahrung des Hundes Sorge zu tragen. Der Hund sei folgsam und könne auf Zuruf entsprechend dirigiert werden. Der Sturz der Klägerin sei ihr selbst bzw der Reaktion ihres eigenen Hundes zuzurechnen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Sorgfaltspflichten dürften nicht überspannt werden, könne doch nicht jede Möglichkeit einer Schadenszufügung ausgeschlossen werden (Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1320 Rz 10). Bei Hunden bestehe kein genereller Leinenzwang; in ländlicher Umgebung und bei Spaziergängen im freien Gelände könnten gutmütige Hunde grundsätzlich frei laufen (Harrer aaO, Rz 13, 14). Es habe daher keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, den Hund anzuleinen.

Über Antrag der klagenden Partei ließ das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision zu. Wenngleich die Klägerin anerkenne, dass bei Spaziergängen im freien Gelände grundsätzlich die Verkehrsübung bestehe, dass Hundehalter ihre folgsamen Tiere frei herumlaufen lassen, könne doch wegen der Unberechenbarkeit der Tiere die Verpflichtung bestehen, diese volle Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die von der Klägerin behaupteten groben Subsumtionsfehler rechtfertigten - lägen sie tatsächlich vor - die Anrufung des Obersten Gerichtshofs.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen. Eröffnet eine bereits vorhandene Grundsatzjudikatur des Obersten Gerichtshofs einen Wertungsspielraum, so darf es einen solchen Ausspruch nur dann nachträglich abändern, wenn es zur Überzeugung gelangt, dass ihm bei der Würdigung des Anlassfalls eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlief (RIS-Justiz RS0114180). Es genügt für eine Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nicht, wenn das Berufungsgericht die vom Abänderungswerber geltend gemachten Gründe nur nicht als „von vornherein völlig aussichtslos" ansieht (RIS-Justiz RS0112166).

Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0030567, RS0030058, RS0030157). Maßgeblich ist die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung und eine Abwägung der betroffenen Interessen (RIS-Justiz RS0030081). Dabei ist auch anerkannt, dass die Anforderungen an die Verwahrung und Beaufsichtigung nicht so weit überspannt werden dürfen, dass das Halten von an sich ungefährlichen Haustieren unmöglich gemacht wird (RIS-Justiz RS0029999, RS0027811).

Ebenso entspricht es gefestigter Judikatur, dass ein gutmütiger und harmloser Hund keiner besonderen Verwahrung bedarf (RIS-Justiz RS0030034) und freies Auslaufen von Hunden bei einem Spaziergang im freien Gelände grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0030287). Es entspricht der Verkehrsübung, nicht bösartige und folgsame Hunde im freien Gelände ohne Leine laufen zu lassen (RIS-Justiz RS0023101, RS0030391).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht in einer Weise abgewichen, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dass die Beklagte keine Sicht auf ihren Hund hatte, ist nicht festgestellt; insoweit hatte schon das Berufungsgericht die Berufung wegen Abweichens von den Feststellungen der ersten Instanz als nicht gesetzmäßig ausgeführt beurteilt. Die zusätzliche Überlegung des Berufungsgerichts, es fehle überdies am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil sich der Vorfall, bei dem der Hund der Klägerin auf den von der Beklagten geführten Hund losging, auch in gleicher Weise ereignen hätte können, wenn letzterer angeleint gewesen wäre, wird von der Revision nicht ausdrücklich bekämpft.

Zusammenfassend bringt die Revisionswerberin sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Stichworte