OGH 6Ob64/08t

OGH6Ob64/08t8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch zu FN ***** eingetragenen A***** GmbH mit dem Sitz in L***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer 1. Mag. Hanno A*****, 2. Günter G*****, alle *****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 30. Jänner 2008, GZ 3 R 156/07a, 3 R 157/07y, 3 R 158/07w-54, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerber vermeinen, eine erhebliche Rechtsfrage darin erblicken zu können, dass „noch keine überzeugende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur seit 1. 7. 2006 geltenden Rechtslage, die sich auch mit seinen im Begutachtungsverfahren [zum Publizitätsrichtlinie-Gesetz BGBl I 2006/103] geäußerten Bedenken, wonach das neue Zwangsstrafensystem verfassungswidrig ist, auseinandersetzt", ergangen sei; die Zwangsstrafen im Firmenbuchverfahren seien nunmehr „Kriminalstrafen", was sich - zumindest implizit - auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs Zl 2004/14/0022 vom 26. 7. 2006 erschließen lasse.

1.1. Es ist nun zwar offensichtlich, dass die bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit der Verhängung von Zwangsstrafen die - in zahlreichen gleichgelagerten Zwangsstrafenverfahren tätige - Vertreterin der Revisionsrekurswerber nicht zu „überzeugen" vermochten. Darauf kommt es aber nicht an. Der Oberste Gerichtshof hat sich nämlich mit den - immer wiederkehrenden - Ausführungen der Vertreterin der Revisionsrekurswerber, wonach die Offenlegungsbestimmungen des Unternehmensgesetzbuchs gemeinschaftsrechts- und verfassungswidrig seien, bereits mehrfach - im Übrigen auch aus Anlass von Rechtsmitteln der vorliegenden Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer - auseinandergesetzt und die jeweils dargelegten Bedenken nicht geteilt (vgl RIS-Justiz RS0113284, RS0113285, RS0113286, RS0113089). Der erkennende Senat sieht sich daher auch jetzt nicht veranlasst, ein Gesetzesprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof oder ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten.

1.2. Die Revisionsrekurswerber machen unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 16. 3. 2000, G 151/99, (Aufhebung der ursprünglich nicht verlängerbaren vierwöchigen Rechtsmittelfrist der Strafprozessordnung) geltend, die zweiwöchige Revisionsrekursfrist gemäß § 46 Abs 1 AußStrG, § 15 FBG verstoße im vorliegenden Verfahren gegen Art 6 EMRK; der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts verweise auf etwa 100 Belegstellen - überwiegend aus der Rechtsprechung des EGMR, des EuGH und des Obersten Gerichtshofs -, welche in den bisherigen Verfahren überwiegend noch nicht erörtert worden seien; in Anbetracht persönlicher und beruflicher Umstände der Revisionsrekurswerber und ihrer Vertreterin (Kuraufenthalte, Arbeitsbelastung) erscheine die Revisionsrekursfrist daher als zu kurz bemessen. Die Revisionsrekurswerber beantragen daher, ihnen „eine Frist von acht Wochen zur Ergänzung des [Revisionsrekurses] und fundierten Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss zu gewähren".

Darauf braucht allerdings nicht näher eingegangen zu werden, weil im Anlassfall weder im Tatsachen- noch im Rechtsbereich Umstände vorliegen, die eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist begründen könnten.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Zwangsstrafe nach § 283 UGB (HGB) keine „Kriminalstrafe"; sie dient - auch nach Änderung der § 24 FBG, § 283 UGB (HGB) durch das Publizitätsrichtlinie-Gesetz BGBl I 2006/103 („eine verhängte Zwangsstrafe ist auch dann zu vollstrecken, wenn der gerichtlichen Anordnung nachgekommen wurde oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist") - nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers einer „besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses" (6 Ob 261/06k = ecolex 2007/117; 6 Ob 154/05y; 6 Ob 84/07g); es handelt sich demnach entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber nicht um eine „strafrechtliche Anklage" im Sinne des Art 6 EMRK.

2.2. Selbst wenn man jedoch die Zwangsstrafen als „Kriminalstrafen" im Sinne der Ausführungen der Revisionsrekurswerber qualifizieren würde, könnte für diese daraus nichts gewonnen werden:

2.2.1. Dass nämlich im Verfahren erster Instanz ein Rechtspfleger gemäß §§ 16, 22 RPflG (siehe dazu 6 Ob 100/00z) entschieden hat, nimmt dem Zwangsstrafenverfahren nach ständiger Rechtsprechung nicht die Qualität eines Tribunals im Sinne des Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (6 Ob 261/06k; 6 Ob 293/06s = ecolex 2007/189).

Die Revisionsrekurswerber verweisen in diesem Zusammenhang auf Entscheidungen des EuGH, der Vorlagen erstinstanzlicher Firmenbuchgerichte zur Vorabentscheidung zurückgewiesen habe, und meinen, „da die Voraussetzungen für die Vorlageberechtigung nach Art 234 EG nicht wesentlich differieren von den Voraussetzungen für die Anerkennung als Tribunal nach Art 6 EMRK, kann dies als evidente Bestätigung für die Tatsache angesehen werden, dass weisungsgebundene Rechtspfleger keine Strafrichter im Sinne des Art 6 EMRK sein können". Sie übersehen dabei aber, dass der EuGH derartige Vorlagen zur Vorabentscheidung auch in Fällen zurückgewiesen hat, in denen Registerrichter tätig geworden waren (etwa Rs C-111/94 [Job Centre I] Slg 1995, I-3361 = EuZw 1996, 47). Dem EuGH ging es daher nicht um die Qualifikation des Entscheidungsträgers als Richter oder Rechtspfleger, sondern darum, dass Firmenbuchsachen in anderen Mitgliedstaaten von Verwaltungsinstanzen erledigt werden und - jedenfalls erstinstanzliche - Firmenbuchgerichte daher seinem europäischen Rechtsprechungsbegriff nicht entsprechen (vgl dazu ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Kohlegger in Fasching/Konecny, ZPO² [2003] Anh § 190 Rz 139, 142).

2.2.2. Der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf die vom Obersten Gerichtshof im Begutachtungsverfahren zum Publizitätsrichtlinie-Gesetz BGBl I 103/2006 geäußerten Bedenken versagt ebenfalls. Es trifft nämlich nicht zu, dass „eine Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Zwangsstrafenverfahrens - im Konkreten eine mündliche Verhandlung - nicht vorgesehen" wären. Nach § 15 FBG sind in Firmenbuch- und damit auch in Zwangsstrafenverfahren die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden. Dessen § 18 sieht aber - jedenfalls fakultativ - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor, wenn das Gericht dies zur Beschleunigung des Verfahrens, Erhebung des Sachverhalts oder Erörterung von Rechtsfragen für zweckmäßig erachtet (vgl zur Konventionskonformität einer derartigen Regelung Grabenwarter, EMRK³ [2008] § 24 Rz 89 mwN aus der Rechtsprechung des EGMR [konventionswidrig, wenn „... der Kläger nicht die Möglichkeit hat, eine öffentliche mündliche Verhandlung zu verlangen"]; jüngst EGMR ÖJZ 2008, 245). Die Revisionsrekurswerber legen im Revisionsrekursverfahren nicht dar, weshalb eine mündliche Verhandlung - unter den Prämissen des § 18 AußStrG - vom Erstgericht durchgeführt hätte werden müssen (vgl dazu auch G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 24 Rz 22). Im Übrigen hat bereits das Rekursgericht ausführlich begründet, weshalb im vorliegenden Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Erstgericht nicht erforderlich war; ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann jedoch im Revisionsrekursverfahren nicht mehr aufgegriffen werden.

3. Das von den Revisionsrekurswerbern erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs setzt sich - entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerber - mit der Zulässigkeit der Verhängung hoher Kriminalstrafen außerhalb des gerichtlichen Strafrechts nicht - auch nicht implizit - auseinander. Gegenstand war die Beschwerde einer Bank gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe, weil sie einem Auskunftsersuchen eines Finanzamts unter Berufung auf das Bankgeheimnis nicht nachgekommen war. Die Verhängung der Zwangsstrafe war deshalb rechtswidrig, weil die für die Ausnahme vom Bankgeheimnis notwendige Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens mittels Bescheides nicht erfolgt war (6 Ob 20/08x).

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