Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
1. Die Revisionsrekurswerber, über die nach § 277 HGB (UGB), § 24 FBG Zwangsstrafen wegen Verletzung ihrer Offenlegungspflichten betreffend die Geschäftsjahre 1999/2000 bis 2004/2005 verhängt worden sind, machen geltend, aus der Neufassung des § 24 Abs 3 FBG ergebe sich, dass die „bisherigen Erzwingungsstrafen" aus dem Handelsgesetzbuch und dem Firmenbuchgesetz „eliminiert" worden seien und dass der Gesetzgeber mit dem PublizitätsrichtlinieG" BGBl I Nr. 103/2006 eine „völlig neue Art von Strafen, nämlich volle Kriminalstrafen (Repressivstrafen) normiert" habe. Diese dürfe aber nicht ein „weisungsgebundener Rechtspfleger" verhängen; Voraussetzung sei vielmehr die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts unter Beachtung der Garantien des Art 6 EMRK, also nach mündlicher Verhandlung und in einem kontradiktorischen Verfahren.
Der erkennende Senat hat erst jüngst in einem ebenfalls vom Rechtsvertreter der Revisionsrekurswerber angestrengten Verfahren zu diesen Fragen Stellung genommen und folgendes ausgeführt (6 Ob 261/06k).
Rechtliche Beurteilung
„Nach § 283 Abs 4 HGB (UBG) und § 24 Abs 3 FBG, jeweils idF PublizitätsrichtlinieG (PuG), BGBl I Nr 103/2006, ist die verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestrafte Person ihrer Pflicht (bzw der gerichtlichen Anordnung) nachgekommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Diese Bestimmungen sind seit 1. 7. 2006 anzuwenden. Sie dienen dem erklärten Ziel des Gesetzgebers (RV BlgNR 1427 22. GP), in Umsetzung der Verpflichtung des Art 6 der Publizitätsrichtlinie (RL 68/151/EWG) zu einer besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage der Jahresabschlüsse beizutragen. Die geänderte Rechtslage bedeutet aber nicht, dass der zur Vorlage des Jahresabschlusses Verpflichtete vor Verhängung einer bereits angedrohten Zwangsstrafe neuerlich zur Erfüllung seiner Verpflichtung unter Androhung eben dieser Zwangsstrafe aufgefordert werden müsste.
Die Gesetzesänderung hatte nämlich keine Auswirkungen auf die zu
erzwingende Verpflichtung und auf die Höhe der angedrohten und
schließlich verhängten Zwangsstrafe. Aufforderung und Androhung der
Zwangsstrafe dienen der Wahrung des rechtlichen Gehörs. Im
vorliegenden Fall waren die Rechtsmittelwerber bereits unter
Androhung einer Zwangsstrafe ... zur Vorlage des Jahresabschlusses
für das Geschäftsjahr ... aufgefordert worden. Ihr rechtliches Gehör
war damit gewahrt.
Der Einwand der Rechtsmittelwerber, Art 6 EMRK erfordere eine mündliche Verhandlung vor Verhängung einer Strafe im Ausmaß von bis zu 3.600 EUR, übersieht, dass eine mündliche Verhandlung keineswegs zwingend, sondern nur dann vorzunehmen ist, wenn sie das Gericht für erforderlich hält. Dies war hier nicht der Fall. Im Übrigen hatten die Rechtsmittelwerber eine mündliche Verhandlung vor dem Rekursgericht gar nicht beantragt und dient die über sie verhängte Zwangsstrafe von lediglich ... nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (RV BlgNR 1427 22. GP) der 'besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses', ist somit keine 'Kriminalstrafe'.
Der Umstand, dass der EuGH aus Anlass eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesgerichts Feldkirch Firmenbuchgerichte nicht als vorlageberechtigte Gerichte beurteilte, besagt nicht, dass das Zwangsstrafenverfahren vor dem Rechtspfleger des Firmenbuchgerichts nicht die Qualität eines Tribunals im Sinn des Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK hätte."
Auch im vorliegenden Verfahren waren die Geschäftsführer unter Androhung von Zwangsstrafen zur Vorlage der erwähnten Jahresabschlüsse aufgefordert worden (ON 32-37). Wofür die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre, wird in den außerordentlichen Revisionsrekursen nicht dargetan. Der erkennende Senat sieht daher keine Veranlassung, von seiner vorzitierten Rechtsprechung im Anlassfall abzugehen.
2. Die Revisionsrekurswerber monieren weiters, die Höhe der Strafen sei ohne Erhebung der Einkommensverhältnisse der Geschäftsführer festgesetzt worden; sie seien exzessiv. Dass die hier verhängten Zwangsstrafen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der zur Offenlegung Verpflichteten übersteigen könnten, ist - auch ohne weitere Erhebungen - angesichts der geringen Höhe der im vorliegenden Fall verhängten Zwangsstrafen nicht zu befürchten. Davon abgesehen darf die Zwangsstrafe nicht zu niedrig angesetzt werden, dass sie dem Zweck eines Druckmittels für die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung nicht mehr dienen könnte (vgl ebenfalls 6 Ob 261/06k).
3. Schließlich meinen die Revisionsrekurswerber noch, § 277 HGB (UBG) und § 24 FBG seien gemeinschaftsrechts- und verfassungswidrig. Mit diesen Überlegungen hat sich der erkennende Senat aber bereits mehrfach auseinandergesetzt und die dargelegten Bedenken nicht geteilt (vgl RIS-Justiz RS0113284; aus jüngerer Zeit etwa 6 Ob 6 Ob 63/06t).
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