OGH 2Ob175/07k

OGH2Ob175/07k24.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich E*****, vertreten durch Dr. Klaus‑Dieter Strobach und andere, Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Franz H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr LL.M., Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen 12.380,20 EUR sA (Revisionsinteresse 11.075,60 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 30. Mai 2007, GZ 21 R 189/07d‑38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 26. Februar 2007, GZ 1 C 43/03f‑34, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0020OB00175.07K.0124.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 686,88 EUR (darin enthalten 114,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 23. 1. 2003, 3 C 83/02a‑8, wurde festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater des von seiner ‑ am 17. 12. 2001 verstorbenen ‑ Ehegattin Gertraud E***** am 5. 4. 1968 ehelich geborenen Peter E***** ist. Mit weiterem Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 27. 11. 2004, 1 C 32/03p‑23, wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Beklagte als Vater des dortigen Klägers Peter E***** anzusehen ist.

Mit der vorliegenden, am 17. 3. 2003 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger nach Ausdehnung und teilweiser rechtskräftiger Erledigung im ersten Rechtsgang aus dem Rechtsgrund der Bereicherung restliche 12.380,20 EUR sA. Er brachte im Wesentlichen vor, er habe diejenigen Leistungen als Scheinvater gegenüber Peter E***** erbracht, zu denen der Beklagte als dessen außerehelicher Vater verpflichtet gewesen wäre. Der Kläger sei für sämtliche Unterhaltsleistungen aufgekommen, und zwar für die übliche Alimentation in Form von Naturalien für Essen, Bekleidung, Schulausbildung, dazugehörige Ausflüge etc sowie für die Bereitstellung des Wohnraums. Ab Lehrbeginn des Peter E***** im Herbst 1983 habe der Kläger noch Unterhalt in Form von Naturalien und Zurverfügungstellung des Wohnraumes geleistet. Der Aufwandsersatzanspruch des Klägers bestimme sich nach der (für die einzelnen Zeiträume jeweils vorgebrachten) Leistungsfähigkeit des Beklagten als Unterhaltsverpflichteten im Zeitpunkt des Aufwands. Der Kläger machte dabei den Zeitraum von April 1973 bis Juni 1986 geltend.

Der Beklagte bestritt dem Grunde und der Höhe nach. Die Ansprüche des Klägers seien aufgrund der hier geltenden kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren verjährt, zumal der Bereicherungsanspruch jeweils am Beginn der Zahlung der einzelnen Rate „beginne" und der Kläger seit vielen Jahren gewusst habe, dass er nicht selbst der Vater des Peter E***** sei, sondern ihm bereits nahegelegt worden sei, dass der Beklagte der Vater sei. Die Höhe des Klagebegehrens bestritt der Beklagte mit dem Vorbringen, der Kläger selbst habe an Peter E***** keinen Unterhalt in der begehrten Höhe geleistet. Peter E***** habe jedenfalls bis zur Erreichung der Volljährigkeit im gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger gelebt. Der Kläger sei daher für Peter E***** niemals geldunterhaltspflichtig gewesen, sondern habe allfällige Unterhaltsleistungen durch Naturalleistungen sowohl für Peter E***** als auch für seine drei weiteren Kinder und für die Ehegattin erbracht, wobei die auf Peter E***** entfallenden Naturalleistungen bei weitem nicht die Höhe der eingeklagten Beträge erreicht hätten. Peter E***** sei spätestens seit Beginn der Lehre im Jahr 1983 aufgrund des von ihm bezogenen Einkommens selbsterhaltungsfähig gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende entscheidungsrelevanten Feststellungen:

Der am 5. 4. 1968 geborene Peter E***** ist das dritte Kind von insgesamt vier Kindern seiner Mutter Gertraud E*****; seine Halbgeschwister sind Roswitha, geboren 1960, Erich, geboren 1961, sowie Gerold, geboren 1969.

Der Kläger wohnte mit seiner Familie zuerst in einer Wohnung, ab 1976 im eigenen Haus, das er und seine Gattin um 500.000 S gekauft hatten, wovon 350.000 S „aufzunehmen" und zurückzubezahlen waren. In diesem Haus bewohnte Peter mit seinem jüngeren Halbbruder Gerold ein Zimmer. Peter zahlte während seines Wohnens im Haus niemals ein Kostgeld, auch nicht, als er schon berufstätig und selbsterhaltungsfähig war.

Der Kläger bezog zwischen 1973 und 1986 (im einzelnen festgestellte) monatliche Nettogehälter, die sich inklusive Sonderzahlungen zwischen rund 8.200 und 13.900 S bewegen.

Von Juli 1983 bis Juni 1985 verdiente die Mutter von Peter E***** monatlich etwa 6.000 S.

Peter E***** erhielt als Lehrling im Zeitraum Juli 1983 bis Juni 1986 im ersten Lehrjahr 3.000 S, im zweiten Lehrjahr 4.200 S und im dritten Lehrjahr 5.500 S an Lehrlingsentschädigung. Ab Juli 1986 war er in einem normalen Arbeitsverhältnis. Peter E***** ist seit Beginn des dritten Lehrjahrs, somit seit Juli 1985, als selbsterhaltungsfähig anzusehen.

Der Kläger leistete von der Geburt von Peter im Jahr 1968 bis 1969 (Geburt des Gerold E*****) für seine nicht berufstätige Ehefrau und drei Kinder, von 1969 bis 1979 für seine nicht berufstätige Ehefrau und vier Kinder und von 1980 bis Juni 1983 für die nicht berufstätige Ehefrau und zwei Kinder (nach dem Auszug von Roswitha und Erich 1979) Natural‑ und, soweit erforderlich, Geldunterhalt. Der Naturalunterhalt für die Kinder bestand in der Zurverfügungstellung von Wohnraum, Essen, Bekleidung, Schulsachen sowie Sonderbedürfnisse wie Schiausrüstung, Fahrrad oder Anzug zur Konfirmation.

Der tatsächliche Aufwand für Essen, Bekleidung und Sonderbedürfnisse für Peter E***** in der Zeit von April 1973 bis Juni 1983 (Schulende) kann zahlenmäßig nicht festgestellt werden. Das Erstgericht bemaß ihn gemäß § 273 ZPO mit 10.000 EUR.

Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, der Oberste Gerichtshof habe durch Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in seinen jüngsten Entscheidungen (4 Ob 15/05t, 8 Ob 68/06t) ausgesprochen, dass der Rückforderungsanspruch nach § 1042 ABGB aus Gründen des Schuldnerschutzes innerhalb derselben Verjährungsfrist wie sein Hauptanspruch verjähre, hier also in drei Jahren wie der zugrundeliegende Unterhaltsanspruch. Der Klagsanspruch sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen die Abweisung im Umfang von 11.075,60 EUR sA erhobenen Berufung Folge und gab im bekämpften Umfang dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es finde bei neuerlicher Prüfung der Verjährungsfrage keinen Anlass, von seiner dazu im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang ausgesprochenen Rechtsansicht abzugehen. Im Gegensatz zu den vom Erstgericht zitierten Entscheidungen 4 Ob 15/05t = SZ 2005/50 und 8 Ob 68/06t sei im vorliegenden Fall der Kläger zur Erbringung von (Natural‑)Unterhaltsleistungen für den Sohn seiner Ehegattin rechtlich verpflichtet gewesen; dieser Rechtsgrund sei erst später ‑ auch für die Vergangenheit ‑ durch rechtskräftige Stattgebung der vom Kläger erhobenen Ehelichkeitsbestreitungsklage weggefallen. Nach den zutreffenden Ausführungen von Christian Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395, 467 und 531 (537), könne der Rückforderungsanspruch des Ehemannes der Mutter hinsichtlich der an das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen gegen den wahren Vater erst ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, ab dem rechtskräftig feststehe, dass er nicht der Vater des Kindes sei. Das Berufungsgericht habe sich damit gerade auf jenen Autor gestützt, unter Berufung auf dessen Ausführungen der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 15/05t in Abkehr von der älteren Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre ausgesprochen habe, für den Aufwandsersatzanspruch nach § 1042 ABGB gelte die gleiche Verjährungsfrist wie für den getilgten Anspruch des Leistungsempfängers gegen den Bereicherten. Da die gegenständliche Klage jedenfalls innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des Ehelichkeitsbestreitungsurteils vom 23. Jänner 2003 eingebracht worden sei, erweise sich der Verjährungseinwand des Beklagten als nicht begründet.

Zur Höhe des Anspruchs des Klägers führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, zur Bewertung der vom Kläger erbrachten Unterhaltsleistungen und damit zur Ermittlung der Höhe der Geldforderung des Klägers gegen den Beklagten sei § 273 Abs 1 ZPO anwendbar. Besonders in Fällen, in denen das unterhaltsberechtigte Kind im gleichen Haushalt mit dem ehelichen Scheinvater lebe, könne der Beweis über den streitigen Betrag der Forderung des Scheinvaters gegen den wahren Unterhaltsverpflichteten gemäß § 1042 ABGB vom Leistenden, wenn überhaupt, so nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten erbracht werden. Somit führe an der notwendigen Anwendung von § 273 Abs 1 ZPO überhaupt kein Weg vorbei. Nach umfangreichen Berechnungen („Kontrollrechnungen") führte das Berufungsgericht aus, der vom Kläger in der Berufung begehrte Betrag sei als Ergebnis der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO nicht überhöht.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Rechtsfrage, wann die dreijährige Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch des ehelichen Scheinvaters gegen den wahren Vater hinsichtlich der an das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen beginne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Gitschthaler gehe in seiner Anmerkung zur Entscheidung 8 Ob 68/06t in EF‑Z 2006/50 offensichtlich davon aus, dass generell derjenige, der den Unterhaltsaufwand anstelle des tatsächlich Unterhaltspflichtigen getragen habe, nur jenen Unterhaltsaufwand verlangen könne, den er innerhalb der letzten drei Jahre getragen habe, während der Rest verjährt sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Mit seiner Mängelrüge macht der Beklagte geltend, im vorliegenden Fall wäre die Anwendung des § 273 ZPO nicht zulässig gewesen, da der Kläger seiner Behauptungspflicht im Zusammenhang mit den von ihm behaupteten erbrachten Natural‑ und Geldunterhaltsleistungen nicht nachgekommen sei.

Den diesbezüglichen Revisionsausführungen ist zunächst zu entgegnen, dass das Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang nicht ‑ wie der Revisionswerber behauptet ‑ dem Kläger vorgeworfen hat, nicht ausreichende Behauptungen zu seinen Unterhaltsleistungen (als Grundlage für die Bemessung nach § 273 ZPO) aufgestellt zu haben, sondern vielmehr diesbezügliche Feststellungsmängel des Urteils des Erstgerichts konstatiert und dementsprechend dem Erstgericht ergänzende Feststellungen aufgetragen hat. Im zweiten Rechtsgang hat das Berufungsgericht dem Urteil des Erstgerichts keine Feststellungsmängel mehr attestiert.

Davon abgesehen ist nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung. Wurde zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0040282). Wurde - wie hier - diesbezüglich eine Mangelhaftigkeit vom Berufungsgericht verneint, ist diese Frage nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0040282 [T6, T8, T9]; RS0040364 [T3, T7]).

Mit Rechtsrüge ist nur überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (RIS‑Justiz RS0040341; vgl auch RS0111576; RS0040322).

Selbst wenn man die diesbezüglichen Ausführungen des Revisionswerbers (entgegen seiner Einordnung als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens; vgl RIS‑Justiz RS0041851) als Rechtsrüge im Sinne der zitierten Judikatur ansähe, wäre damit dem Revisionswerber nicht geholfen, weil er es gänzlich unterlässt, sich mit den umfangreichen Erörterungen des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen.

Mit der Rechtsrüge bekämpft der Revisionswerber die Ausführungen des Berufungsgerichts insbesondere zum Beginn der Verjährungsfrist für den Anspruch nach § 1042 ABGB. Im Gegensatz zu gemäß § 1489 ABGB zu beurteilenden Schadenersatzansprüchen handle es sich im vorliegenden Fall um einen „objektiven" Anspruch, welcher von „subjektiven" Umständen (Kenntnis bzw Kenntnismöglichkeit des Berechtigten von den für den Fristbeginn maßgeblichen Umständen) in verjährungsrechtlicher Hinsicht nicht abhängig sei.

Hiezu wurde erwogen:

Erst jüngst hat der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2007, 4 Ob 201/07y (RIS‑Justiz RS0122888), unter Hinweis auf 8 Ob 649/86 = RIS‑Justiz RS0048557 (T2) ausgesprochen, dass die Verjährung des Anspruchs eines auf Grund eines Vaterschaftsanerkenntnisses feststehenden unehelichen Vaters gegen den leiblichen Vater des Kindes auf Ersatz von Unterhaltsleistungen gemäß § 1042 ABGB nicht vor der rechtskräftigen Beseitigung jenes Anerkenntnisses beginnen kann. Gleiches gelte im Ergebnis im Fall eines während aufrechter Ehe geborenen Kindes: Erst mit Rechtskraft des Urteils, in dem festgestellt worden sei, dass der Minderjährige kein eheliches Kind sei, bestehe für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gegen den leiblichen Vater kein - der Verjährung einzelner Unterhaltsleistungen entgegenstehendes - rechtliches Hindernis mehr.

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Daher kann auch die Verjährung eines auf § 1042 ABGB gestützten Anspruchs des ehelichen Scheinvaters gegen den leiblichen Vater auf Ersatz des für das Kind bezahlten Unterhalts nicht vor Rechtskraft des Urteils beginnen, in dem festgestellt wurde, dass das Kind kein eheliches Kind ist (vgl nunmehr § 138 Abs 1 Z 1, § 138a Abs 1, § 156 ABGB, jeweils idF BGBl I 2004/58; so schon zur damaligen Rechtslage Christian Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395, 467 und 531 [537]).

Sollte sich aus der Glosse Gitschthalers in EF‑Z 2006/50 (zu 8 Ob 68/06t) anderes ergeben, könnte dem nicht gefolgt werden.

Da der Kläger die gegenständliche Klage nur wenige Wochen nach Rechtskraft des entsprechenden Feststellungsurteils erhoben hat, sind seine Ansprüche auch bei Annahme einer dreijährigen Verjährungsfrist (8 Ob 68/06t; RIS‑Justiz RS0119861) nicht verjährt.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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