OGH 4Ob15/05t

OGH4Ob15/05t5.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese D*****, vertreten durch Dr. Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei K*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 28.974,66 EUR s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2004, GZ 6 R 143/04y-12, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. Mai 2004, GZ 1 Cg 87/04s-7, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.440,72 EUR (darin 240,12 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 7. 1. 1982 geborene Tochter der Klägerin wurde am 13. 4. 1982 in ein von der Beklagten als Rechtsträgerin betriebenes Krankenhaus zur stationären Behandlung aufgenommen. Im Zuge eines dort an ihr vorgenommenen diagnostisch-therapeutischen Eingriffs in Vollnarkose kam es am 21. 5. 1982 zu einem Herz-Kreislauf- und Atemstillstand, der eine schwere organische Schädigung ihres Gehirns zur Folge hatte.

Mit Teilurteil des Erstgerichts vom 27. 9. 1996, bestätigt mit Entscheidung des Berufungsgerichts vom 3. 7. 1997 (den Parteien zugestellt am 1. 8. 1997), wurde festgestellt, dass die Beklagte der Tochter der Klägerin für alle künftigen Schäden, die ihr aus dem Eingriff vom 21. 5. 1982 entstehen, zu haften hat; die außerordentliche Revision gegen die bestätigende Entscheidung wies der Oberste Gerichtshof zurück. Die Tochter der Klägerin wird von ihrer Mutter und deren Familie gepflegt. Seit 15. 5. 1996 erhält sie von der Beklagten, zum Teil aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Erstgerichts vom 9. 1. 2002, Ersatz des monatlichen Pflegeaufwands, zuletzt in Höhe von 3.997 EUR. Ihre Klage auf Zahlung eines monatlichen Pflegegelds von 25.000 S für den Zeitraum Juli 1988 bis Oktober 1989, insgesamt somit auf Zahlung von 29.069,13 EUR, wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 27. 5. 2002 rechtskräftig wegen Verjährung abgewiesen.

Mit Klage vom 20. 4. 2004 begehrt die Klägerin von der Beklagten den Ersatz des von ihr gemeinsam mit ihrer Familie für ihre Tochter von Oktober 1988 bis Dezember 1989 erbrachten Pflegeaufwands; dieser betrage - unter Berücksichtigung des Pflegegelds - 28.974,66 EUR. Die Klägerin und ihre Familie hätten einen Aufwand erbracht, den sonst die Beklagte hätte leisten müssen. Dieser Aufwandsersatzanspruch nach § 1042 ABGB unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist. Die Klägerin und ihr Ehegatte hätten von Anfang an beabsichtigt, die schuldige Beklagte zum Ersatz der Pflegeleistungen heranzuziehen, sie hätten also mit „animus obligandi" geleistet und nicht, weil sie etwa geglaubt hätten, in Erfüllung ihrer Elternpflicht diesen Aufwand selbst leisten zu müssen. Die Familie der Klägerin habe die ihre Ansprüche der Klägerin abgetreten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Anspruch sei verjährt. Personen, die Pflegeleistungen erbrächten, seien selbst aktiv legitimiert, diese Leistungen als Schadenersatz gegenüber dem Schädiger geltend zu machen. Es liege ein Fall bloßer Schadensverlagerung vor. Der auf die Klägerin analog § 1358 ABGB übergegangene Anspruch unterliege der kurzen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB; auf § 1042 ABGB könne nicht zurückgegriffen werden. Aber auch für einen allfälligen Anspruch gemäß § 1042 ABGB gelte die (kurze) Verjährungsfrist der Grundforderung. Aus dem "langen Schweigen" der Klägerin sei zu schließen, dass sie nie eine Schuld der Beklagten habe erfüllen wollen, vielmehr habe sie die Pflegeleistungen aufgrund der familienrechtlichen Beziehung als Mutter für ihre Tochter erbracht. Es habe ihr der „animus obligandi" gefehlt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus traf es folgende Feststellungen: Die Klägerin vertrat als gesetzliche Vertreterin ihre Tochter im Verfahren vor dem Erstgericht und erlangte spätestens mit Klagseinbringung am 21. 5. 1985 Kenntnis von Schaden und Schädiger. Bei der Erbringung der Pflegeleistungen ging die Klägerin nicht davon aus, diese von jemandem ersetzt zu bekommen; sie hatte auch keinen diesbezüglichen Rückforderungswillen (animus obligandi). Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass es sich bei dem geltend gemachten Pflegeaufwand um Heilungskosten handle, die der Schädiger nach § 1325 ABGB demjenigen, der sie getragen hat, zu ersetzen habe. Die Klägerin habe daher einen direkten Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, der gemäß „§ 1488" (gemeint: 1489) ABGB nach drei Jahren verjährt sei. Ein Anspruch der Klägerin nach § 1042 ABGB komme dann nicht in Betracht, wenn der mittelbar Geschädigte infolge einer eigenen Rechtspflicht an den Beschädigten zu leisten gehabt habe. Auch sei § 1042 ABGB nur anzuwenden, wenn weder zwischen dem Kläger und dem Beklagten, noch zwischen dem Kläger und dem Dritten als Empfänger der Leistung, sondern nur zwischen dem Beklagten und dem Dritten eine Rechtsbeziehung bestanden habe, die jenen zum Aufwand verpflichtet hätte. Erfülle der Zahlende eine eigene Schuld, sei § 1042 ABGB nicht anwendbar. Ein Anspruch auf Ersatz bloß mittelbaren Schadens könne nicht auf § 1042 ABGB gestützt werden. Die Klägerin habe durch die Erbringung der Pflegeleistungen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht eine eigene Schuld erfüllt, weshalb § 1042 ABGB unanwendbar sei. Auch dürfe die Anwendung des § 1042 ABGB zu keiner Schlechterstellung des Verpflichteten führen, insbesondere nicht zu einer Umgehung der Verjährungsvorschriften. Schließlich habe der Klägerin auch der für eine Rückforderung nach § 1042 ABGB erforderliche Rückforderungswillen (animus obligandi) gefehlt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 8/03w zwar die Belastung mit einer zusätzlichen Unterhaltsverpflichtung als positiven Schaden beurteilt, gleichzeitig aber ausgesprochen habe, der Unterhaltspflichtige könne seine infolge des schädigenden Ereignisses erhöhten Unterhaltsleistungen vom Schädiger gemäß § 1042 ABGB begehren, weshalb in der hier vertretenen Ansicht ein Abgehen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erblickt werden könnte. Beim Schadenersatzanspruch jener, die aufgrund ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht für die dem Verletzten zugefügten Schäden aufgekommen seien, handle es sich um einen typischen Fall bloßer Schadensverlagerung. Die Leistung der den Behinderten pflegenden Eltern solle keineswegs dem Schädiger zukommen. Die Überleitung des Anspruchs des Geschädigten auf den Dritten erfolge in analoger Anwendung des § 1358 ABGB. Besitze demnach die Klägerin einen eigenen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, habe sich diese durch Leistungen der Klägerin an die Geschädigte nichts erspart. Ein Anspruch der Klägerin nach § 1042 ABGB scheide daher aus. Sei der Anspruch der Tochter analog § 1358 ABGB auf die Klägerin übergegangen, unterliege er derselben Verjährung wie der Anspruch der Tochter, sodass die Position des Regresspflichtigen nicht geändert werde. Zutreffend habe das Erstgericht den Anspruch daher als verjährt beurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Verhältnis von Schadenersatzansprüchen zu Bereicherungsansprüchen zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, sie mache keinen abgeleiteten Schadenersatzanspruch, sondern einen Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB geltend. Dieser unterliege anderen Voraussetzungen als ein Schadenersatzanspruch; zwischen beiden bestehe daher Anspruchskonkurrenz. Der Verwendungsanspruch unterliege der langen Verjährungsfrist, die im Anlassfall noch nicht abgelaufen sei.

Bereicherungsrecht und Schadenersatzrecht haben verschiedene Ausgangspunkte: Geht es im Bereicherungsrecht darum, dass der Belangte einen Vorteil herausgibt, der ihm nicht gebührt, kommt es im Schadenersatzrecht auf den Nachteil an, den der Ersatzberechtigte erlitten hat (Koziol/Welser12 II 258 mwN). Bereicherungsansprüche und Schadenersatzansprüche haben demnach unterschiedliche Grundlagen. Daraus folgt, dass die genannten Ansprüche zueinander nicht im Verhältnis der Spezialität stehen, sondern miteinander konkurrieren und dem Berechtigten ein Wahlrecht eröffnen (hA: Koziol/Welser aaO 260; Koziol, Haftpflichtrecht³ Rz 17/29f mwN; Rummel in Rummel, ABGB³ vor § 1431 Rz 25; vgl RIS-Justiz RS0020030).

Mag demnach der Klägerin, die auf Grund ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht für die ihrer Tochter zugefügten Schäden aufkommt, nach den Grundsätzen der Schadensverlagerung auch ein eigener Ersatzanspruch analog § 1358 ABGB gegen die beklagte Schädigerin zustehen (vgl dazu Reischauer in Rummel ABGB³ § 1325 Rz 17; Harrer in Schwimann ABGB² § 1325 Rz 16; RIS-Justiz RS0022789; 1 Ob 2201/96z = SZ 70/84; RIS-Justiz RS0108085), schließt ein solcher Schadenersatzanspruch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - den geltend gemachten (konkurrierenden) Anspruch nach § 1042 ABGB grundsätzlich nicht aus.

§ 1042 ABGB ist immer dann, wenn der Aufwand durch ein Vertragsverhältnis zwischen dem Aufwendenden und dem Empfänger gerechtfertigt war, so, wenn der Kläger infolge einer eigenen Rechts-, insbesondere Vertragspflicht an den Dritten zu leisten hatte (4 Ob 518/96 = SZ 69/40 mwN; RIS-Justiz RS0028050[T3]). § 1042 ABGB kommt also nur zur Anwendung, wenn weder zwischen dem Kläger und dem Beklagten noch zwischen dem Kläger und dem Dritten, an den geleistet wurde, sondern nur zwischen dem Beklagten und dem Dritten eine Rechtsbeziehung, die jenen zum Aufwand verpflichtet hätte, bestand (4 Ob 518/96 = SZ 69/40 mwN; RIS-Justiz RS0104150). Da der Aufwand für einen anderen ein Fall der Verwendung zu fremdem Nutzen ist, gebührt kein Ersatz nach § 1042 ABGB, wenn jemand eine eigene Schuld begleicht, es sei denn, diese Verpflichtung ist der eines anderen subsidiär (RIS-Justiz RS0108671).

Es kann nun nicht gesagt werden, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht der Klägerin der Schadenersatzpflicht der Beklagten vorgehe. Der gesetzliche Unterhaltsschuldner kann sich vielmehr nach ganz herrschender Auffassung beim Schädiger (oder beim vertraglichen Unterhaltsschuldner. s 8 Ob 216/70 = SZ 43/175) regressieren (Schwimann/Apathy, ABGB² § 1042 Rz 3 mwN). Die eigene Unterhaltspflicht steht demnach einem Anspruch nach § 1042 ABGB nicht entgegen (vgl 2 Ob 8/03w = ZVR 2004/58; RIS-Justiz RS0020011 zum Ersatzanspruch eines subsidiär Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Schädiger nach dem Tod des primär Verpflichteten). Damit stellt sich aber die Frage nach der Verjährungsfrist für den geltend gemachten Bereicherungsanspruch.

Nach älterer Lehre und Rechtsprechung verjähren Ansprüche gemäß § 1042 ABGB mangels besonderer Verjährungsfrist generell nach 30 Jahren (§ 1479 ABGB; Rummel aaO § 1042 Rz 8 mwN; RIS-Justiz RS0019832). In neuerer Zeit ist Ch. Huber (Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 467 ff und 531 ff) nach eingehender Untersuchung mit überzeugender Begründung zum Ergebnis gelangt, dass § 1479 ABGB auf Rückgriffsansprüche nicht anzuwenden sei, sondern dass es insoweit auf die Verjährung des Anspruchs des Leistungsempfängers gegen den Bereicherten ankomme. Unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes dürfe § 1042 ABGB dem Verpflichteten keine Schlechterstellung bringen, weshalb der Aufwandersatz der selben Verjährungsfrist zu unterwerfen sei wie die getilgte Forderung.

Diese Lösung hat zahlreiche Gefolgschaft in der Lehre gefunden (Koziol, Der Ersatzanspruch des Gläubigers gemäß § 1042 ABGB, RdW 1994, 341, 344; Apathy in Schwimann, ABGB² § 1042 Rz 8 mwN; Rummel aaO). Auch der Oberste Gerichtshof hat schon früher für die Zahlung fremder Verbindlichlichkeiten festgehalten, dass jener, der eine Forderung eines Gläubigers begleicht, bei der Verjährung seines Ersatzanspruchs gegenüber dem Schuldner nicht besser gestellt werden könne, als wenn er dessen Forderung gemäß § 1422 ABGB eingelöst hätte (4 Ob 566/83 = SZ 57/55). Dieser Entscheidung liegt zwar der Ersatzanspruch eines Geschäftsführers ohne Auftrag zu Grunde, der die Forderung eines Handwerkers gezahlt hat; die dort ausschlaggebenden Argumente gelten aber gleichermaßen für § 1042 ABGB (Koziol, RdW 1994, 344).

Der Senat hält die dargestellte differenzierte Beurteilung, wonach die Verjährungsfrist beim Anspruch nach § 1042 ABGB aus Gründen des Schuldnerschutzes jener des getilgten Anspruchs folgt, für zutreffend und schließt sich dieser Auffassung an. Daraus folgt im Anlassfall, dass der geltend gemachte Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB keiner längeren Verjährungsfrist unterliegt als der ihm zu Grunde liegende Schadenersatzanspruch.

Spätestens mit Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichts am 1. 8. 1997, mit der das Teilurteil betreffend den Ausspruch der Haftung der Beklagten für die Folgen aus dem Eingriff vom 21. 5. 1982 an der Tochter der Klägerin bestätigt wurde, hat die Klägerin Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt. Der erst am 20. 4. 2004 klageweise geltend gemachte Anspruch nach § 1042 ABGB ist daher - ebenso wie der ihm zu Grunde liegende Schadenersatzanspruch - verjährt.

Ob die Klägerin mit animus obligandi gehandelt hat, ist bei dieser Rechtslage unerheblich; der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangel des Berufungsverfahrens bedurfte daher keiner weiteren Prüfung.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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