OGH 2Ob232/07t

OGH2Ob232/07t29.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Julian B*****, geboren am 10. Oktober 1993, *****, vertreten durch die Mutter Elisabeth B*****, ebendort, diese vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner, Rechtsanwälte GmbH in Krems, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Brenner-Riel-Perschl, Rechtsanwälte KEG in Krems, wegen EUR 9.465,43 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems als Berufungsgericht vom 10. Juli 2007, GZ 1 R 29/07f-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 21. November 2006, GZ 1 C 400/06f-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der am 10. 10. 1993 geborene Kläger wartete am 14. 3. 2000 gegen

11.40 Uhr im Bereich des Busbahnhofes im Stadtgebiet von Z***** mit einer Gruppe weiterer Schüler auf die Heimfahrt mit einem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Bus. Beim Einfahren desselben in die Haltestelle überrollte das rechte Vorderrad den aus nicht mehr feststellbaren Gründen auf die Fahrbahn gelangten linken Fuß des Klägers, der hiedurch schwer verletzt wurde (ua offene Frakturen sämtlicher Zehen mit anschließender Amputation; insgesamt acht Operationen; fünf Wochen Spitalsaufenthalt; insgesamt 14 Tage starke, 31 Tage mittelstarke und 91 Tage leichte Schmerzen). Im Vorverfahren 27 Cg 21/01d des Landesgerichtes Krems wurde die Haftung der beklagten Partei (dort: drittbeklagte Partei) nach Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 262/03y-37 (ZVR 2005/34) im zweiten Rechtsgang zufolge Anerkenntnisses des Feststellungsbegehrens in der (letzten) Streitverhandlung vom 3. 2. 2006 mit Anerkenntnisurteil rechtskräftig festgestellt. In dieser Streitverhandlung führte der damalige Klagevertreter aus, dass außergerichtlich ein Gutachten betreffend die vom Kläger erlittenen Schmerzen eingeholt worden sei, unter Zugrundelegung dessen - nach erfolgter Teilzahlung der beklagten Parteien - noch ein Betrag von EUR 9.465,43 (welcher Gegenstand der nunmehr zu beurteilenden Folgeklage ist) hinsichtlich Schmerzengeld offen sei, der bisher noch nicht im zitierten Vorverfahren geltend gemacht worden sei, und dessen gesonderte Geltendmachung sich der Kläger vorbehalte. Zufolge Zahlung des Punktums im Leistungsbegehren schränkte der Klagevertreter hierauf das Klagebegehren um das Leistungsbegehren ein, sodass nur mehr das Feststellungsbegehren offen war, hinsichtlich dessen hierauf das bereits erwähnte Anerkenntnis samt Anerkenntnis- und Endurteil erging (ON 67 des Voraktes). Mit der nunmehr am 12. 4. 2006 eingebrachten und pflegschaftsgerichtlich genehmigten Klage begehrt der Kläger - ausgehend von einem ihm global zustehenden Schmerzengeldgesamtbetrag von EUR 24.000 - diesen restlichen Schmerzengeldbetrag in Höhe von EUR 9.465,43 samt 4 % Zinsen seit 24. 2. 2006.

Die beklagte Partei wendete Verjährung ein, weil es dem Kläger möglich gewesen wäre, diesen Ergänzungsbetrag schon im Vorverfahren geltend zu machen; „lediglich aus prozessualer Vorsicht" wurde auch die Angemessenheit des begehrten Schmerzengeldbetrages bestritten. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der bloß wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine ausdrückliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes dazu, ob eine fehlende pflegschaftsbehördliche Genehmigung ein prozessualer Hinderungsgrund sein könne, der eine Nachklage zulässig mache, fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das klagestattgebende Ersturteil wiederherzustellen. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel des Gegners „abzuweisen".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Schmerzengeld vom Richter nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global, dh als Gesamtentschädigung festzusetzen (RIS-Justiz RS0031191, RS0031055, RS0031307; Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 170). Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung, dass eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes oder die Geltendmachung bloß eines Teilbetrages hievon nur aus besonderen, vom Kläger darzulegenden Gründen zulässig ist (RIS-Justiz RS0031051; ausführlich mwN Danzl aaO 170 ff). Eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung wird demnach nur in ganz bestimmten, vom Berufungsgericht bereits aufgezählten, eine Globalbemessung zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz ausnahmsweise versagenden Gründen (in der Regel noch nicht mögliche endgültige Absehbarkeit aller End- und Dauerfolgen einer Verletzung, unter Umständen aber auch im Prozessrecht - wie Mangel der Ausdehnungsmöglichkeit - gelegenen

Gründen) für zulässig erachtet (zuletzt ausführlich 2 Ob 233/06p =

ZVR 2007/237 und 2 Ob 150/06g = ZVR 2007/238). Daraus folgt, dass es

grundsätzlich nicht in das Belieben eines Klägers gestellt sein kann, sein Schmerzengeld bloß für einzelne Zeitabschnitte zu begehren, wenn die Folgen der Verletzungen voraussehbar sind und eine Globalbemessung grundsätzlich möglich ist (zuletzt nochmals 2 Ob 233/06p = ZVR 2007/37 [Ch. Huber]). Vielmehr hat er einen der vorgenannten Sonderfälle darzutun und damit den Nachweis zu erbringen, dass eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes bzw die Geltendmachung bloß eines Teilbetrages aus solchen besonderen Gründen ausnahmsweise doch zulässig ist: Ein Teilanspruch auf Schmerzengeld ist also nicht die Regel, sondern vielmehr die Ausnahme (Danzl aaO 173).

Im Vorverfahren 27 Cg 21/01d des Landesgerichtes Krems hatte der Kläger mit der am 22. 3. 2001 eingebrachten Klage ein Schmerzengeld von „vorläufig" S 200.000 (= EUR 14.534,57) als Globalbetrag gefordert. Zum damaligen Zeitpunkt waren - so die unbekämpften Feststellungen im vorliegenden Verfahren - die Verletzungen des Klägers bereits völlig abgeheilt, kam der Kläger mit seinem verletzungsbedingt erforderlich gewordenen orthopädischem Schuhwerk sehr gut zurecht, hatte er seine früheren sportlichen Aktivitäten bereits wieder voll aufgenommen und bereiteten ihm die verbliebenen Narben keine größeren Probleme (S 2 und 3 des Ersturteils ON 9). Dieser Schmerzengeldbetrag wurde vom Kläger in der Folge während des insgesamt fast fünfjährigen Verfahrens nie ausgedehnt. Erst in der letzten Streitverhandlung am 3. 2. 2006 erfolgte der bereits weiter oben wiedergegebene „Vorbehalt" einer „gesonderten Klageführung". Wieso zu diesem Zeitpunkt keine Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens auf den bereits damals für berechtigt erachteten höheren Betrag erfolgte, wurde vom Klagevertreter nicht näher ausgeführt, sondern wurde lediglich das Klagebegehren um das gesamte (bisherige) Leistungsbegehren - zufolge gänzlicher Bezahlung desselben - eingeschränkt. Weder standen einer Ausdehnung damit prozessuale

Hindernisse (wie etwa im Falle der Entscheidungen 6 Ob 204/98p = ZVR

1999/48 und 2 Ob 173/01g = SZ 74/135; RIS-Justiz RS0110739) entgegen

noch hätten ihr die dort beklagten Parteien eine „erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung" (iSd § 235 Abs 3 letzter Fall ZPO) mit Erfolg entgegenhalten können, zumal ja trotz des bereits fortgeschrittenen Verfahrensstadiums zur Höhe - insbesondere zum Schmerzengeldbegehren des Klägers - auch noch gar keine Beweisaufnahmen stattgefunden hatten. Die vom Kläger nunmehr ins Treffen geführte fehlende pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu einer ihm nach dem Vorgesagten unschwer möglich gewesenen Klageausdehnung (vgl etwa den Vorgang in 2 Ob 176/05d) bildete ebenfalls kein zu einem anderen Ergebnis führendes Hindernis, weil dieser Mangel nach § 6 Abs 2 ZPO zu behandeln (und sanieren) gewesen wäre (Fucik in Rechberger, ZPO³ § 6 Rz 3; Schubert in Konecny/Fasching, ZPO² § 6 Rz 13); aufgrund klarer Gesetzeslage liegt insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Da demnach bereits im Zeitpunkt der letzten Streitverhandlung im Vorverfahren eine solche Klageerweiterung im Sinne einer Globalbemessung möglich und zulässig gewesen wäre, war es aus den eben dargestellten Erwägungen nicht erforderlich, den Ergänzungsbetrag - rechtlich unbedeutend (vgl Danzl aaO 175) - einer gesonderten Geltendmachung „vorzubehalten". Der Kläger hätte vielmehr seinen behaupteten und über das ursprüngliche Klagebegehren hinausgehenden Anspruch prozessual wirksam durch entsprechende Klageerweiterung ins Verfahren einbringen können (§ 235 Abs 1 ZPO), zumal er zu diesem Zeitpunkt - nach seinem eigenen Vorbringen im Vorprozess wie auch im jetzigen Verfahren - durch die Einholung eines medizinischen Privatgutachtens auch über die Höhe des seiner Auffassung nach gemäß § 1325 ABGB angemessenen Schmerzengeldes bereits ausreichend informiert war.

Zufolge des Einmaligkeitscharakters des Schmerzengeldes als grundsätzliche Gesamtentschädigung im Rahmen einer einheitlichen (und grundsätzlich einmaligen) Globalbemessung sowie wegen Fehlens eines eine Teileinklagung rechtfertigenden Ausnahmefalles steht die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit der wiedergegebenen ständigen und einhelligen oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor. Das Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels (sondern nur auf die Unzulässigkeit einzelner Beschwerdepunkte) hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RIS-Justiz RS0035979, RS0035962).

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