OGH 9ObA69/07y

OGH9ObA69/07y28.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner und Mag. Canan Aytekin-Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Albin K*****, Vertragsbediensteter, *****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch die NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert EUR 14.534,57), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Jänner 2007, GZ 7 Ra 91/06s-74, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber stützt die Zulässigkeit seines als außerordentliche Revision zu behandelnden Rechtsmittels einerseits auf die Frage des Vorliegens einer schlüssigen Entlassungserklärung, andererseits auf die Frage deren Rechtzeitigkeit. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird dabei nicht aufgezeigt:

Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen besteht für die Entlassung kein Formzwang. Sie darf auch schlüssig (§ 863 ABGB) erklärt werden. Es ist auch nicht erforderlich, dass das Wort „Entlassung" in der Erklärung vorkommt (Kuderna, Entlassungsrecht² 4, 8 mwN; 9 ObA 153/87 ua). Für die Beurteilung des Erklärungswerts ist das Gesamtverhalten des Erklärenden heranzuziehen. Ob nun eine schlüssige Entlassungserklärung vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, denen regelmäßig keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt, sofern keine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0028612 ua). Dies ist hier nicht der Fall. Die rechtliche Beurteilung, dass die im Anschluss an die Übermittlung eines auf „Entlassung" lautenden Disziplinarerkenntnisses ergehende Aufforderung des Dienstgebers an den Dienstnehmer, sämtliche im Eigentum des Dienstgebers befindlichen Gegenstände zurückzugeben, auf eine schlüssige Entlassungserklärung hindeuten kann, ist durchaus vertretbar. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abmeldung des Klägers bei der Kärntner Gebietskrankenkasse sind möglicherweise etwas missverständlich. Die Abmeldung genügt - auch weiterhin - nicht für die Annahme einer Entlassungserklärung, weil daraus der Auflösungswille nicht eindeutig hervorgeht und die Abmeldung eine an den Dienstnehmer zu richtende Willenserklärung nicht zu ersetzen vermag (Kuderna aaO 10; RIS-Justiz RS0109385 ua). Hier geht es aber gar nicht darum, in der Abmeldung selbst eine Entlassungserklärung zu sehen, sondern um den Hinweis des Dienstgebers an den Dienstnehmer auf die erfolgte Abmeldung durch Übermittlung einer Arbeitsbescheinigung, in der als Beendigungsgrund die „fristlose Entlassung" genannt wurde (vgl 9 ObA 192/05h ua). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers geht es auch nicht um den „Vorwurf" an den Kläger, dass er selbst im vorangegangenen Anfechtungsprozess auf die erfolgte Entlassung der Beklagten Bezug genommen hat. Derartiges könnte selbstverständlich nicht eine fehlende (schlüssige) Dienstgebererklärung ersetzen. Hier geht es lediglich um den Hinweis, dass auch aus dem eigenen Vorbringen des Klägers im Vorprozess nichts gegen die rechtliche Beurteilung spricht, dass tatsächlich eine schlüssige Entlassung erfolgte. Auch die zweite vom Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision relevierte Frage der Unverzüglichkeit der Entlassung hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, denen in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0031571 ua). Der Revisionswerber legt zutreffend die in einem Parallelprozess eines anderen entlassenen Buslenkers gegen die Beklagte erfolgte Beurteilung des Obersten Gerichtshofs zugrunde, dass von der betriebsverfassungsrechtlichen Unwirksamkeit der Disziplinarordnung (9 ObA 192/94, DRdA 1995/23 [Strasser]; 9 ObA 46/02h ua) die einzelvertragliche „Restgültigkeit" zu unterscheiden ist. Mit der Vereinbarung eines bestimmten Verfahrens unterwerfen sich beide Teile des Arbeitsvertrags in grundsätzlich zulässiger Weise der Entscheidung eines „Dritten", hier der Disziplinarkommission (9 ObA 50/05a). Der Revisionswerber vermisst jedoch bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens einen Hinweis auf die mögliche Folge der Entlassung und gelangt auf diesem Weg zur Auffassung, dass deshalb die spätere (schlüssige) Entlassung verspätet sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Vorweg ist darauf hinzuweisen, worum es bei der Unverzüglichkeit der Entlassung geht. Der Grundsatz, dass der Dienstgeber die Entlassung ohne Verzug aussprechen muss (Kuderna aaO 13 ff; RIS-Justiz RS0029131 ua), basiert im Wesentlichen auf zwei Grundgedanken: Einerseits soll der Dienstnehmer, der einen Entlassungsgrund gesetzt hat, nicht im Unklaren darüber gelassen werden, dass sein Verhalten tatsächlich diese schwerwiegende Rechtsfolge nach sich zieht. Andererseits gibt der Dienstgeber, der sein Recht zur sofortigen Auflösung des Dienstvertrags nicht unverzüglich in Anspruch nimmt, zu erkennen, dass der objektiv gegebene Entlassungsgrund in der subjektiven Wertung des Dienstgebers doch nicht von einem solchen Gewicht ist, dass er ihm jede weitere Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht (9 ObA 28/95 mwN; RIS-Justiz RS0031799 ua). Beiden Aspekten wurde hier nach vertretbarer Beurteilung des Berufungsgerichts Genüge getan. Durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens samt Suspendierung musste dem Kläger klar sein, dass sich die Beklagte mit den zugrundeliegenden Vorfällen nicht ohne weitere Konsequenzen abfindet. Der Kläger wurde weder im Unklaren über den weiteren Ablauf gelassen, noch hatte er irgendeinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagte würde ihm gegenüber auf ihr Entlassungsrecht verzichten. Dass das Disziplinarverfahren im schlimmsten Fall zur Entlassung führen kann, ergab sich für den Kläger aus der seinem Dienstvertrag zugrundeliegenden Vertragsbedienstetenordnung 1985. Eines zusätzlichen Hinweises bedurfte es im vorliegenden Fall nach vertretbarer Beurteilung nicht, um die Rechtzeitigkeit der Entlassung zu wahren.

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