OGH 9ObA153/87

OGH9ObA153/874.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michaela S***, Verkäuferin, Wien 4., Schelleingasse 13-15/5/15, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz K***, Videothekar, Wien 7., Neubaugasse 51, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 30.040 brutto sA abzüglich S 17.000 netto und Feststellung (Streitwert S 36.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juli 1987, GZ 32 Ra 59/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. Februar 1987, GZ 15 Cga 1182/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der Behauptung, sie sei trotz ihrer Schwangerschaft vom Beklagten ungerechtfertigt entlassen worden, begehrt die Klägerin den der Höhe nach nicht mehr bestrittenen Betrag von S 30.040 brutto sA abzüglich S 17.000 netto und die Feststellung, daß ihr Arbeitsverhältnis über den 12. August 1986 hinaus fortbestehe. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe am 11. August 1986 ihre persönlichen Gegenstände aus dem Geschäftslokal entfernt und telefonisch ihren vorzeitigen Austritt erklärt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Nach einem am 10. April 1986 begonnenen Probemonat wurde die Klägerin vom Beklagten voll als Handelsangestellte beschäftigt. Sie arbeitete wöchentlich von Montag bis Freitag von 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr und am Samstag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Diese Arbeitszeiten entsprachen den Öffnungszeiten des Geschäftslokals des Beklagten, der selbst nur fallweise anwesend war. Die Tätigkeit der Klägerin bestand darin, die Kunden zu betreuen und zwei Telefonanschlüsse, von denen einer die Interessenvertretung der Videothekare betraf, zu bedienen.

Am 11. August 1986 wurde ihr von ihrem Arzt bestätigt, daß sie schwanger sei. Als sie dem Beklagten am 12. August 1986 davon Mitteilung machte, erklärte dieser, er könne sie nur behalten, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lasse. Dieses Ansinnen wies die Klägerin zurück. Über Aufforderung des Beklagten übergab sie ihm den Geschäftsschlüssel und packte ihre Sachen. Das Erstgericht vertrat sinngemäß die Rechtsauffassung, daß das Verhalten des Beklagten als Entlassung anzusehen und daß die Entlassung mangels Vorliegens eines der in § 12 Abs 1 MSchG aufgezählten Gründe unwirksam sei. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestehe daher weiter. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, einen vorzeitigen Austritt der Klägerin nachzuweisen. Ihr stehe auch das eingeforderte Entgelt, das einer Mindestentlohnung nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten entspreche, zu. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000 übersteige. Es vertrat die Ansicht, daß das Erstgericht ausdrücklich festgestellt habe, daß das Dienstverhältnis über den 12. August 1986 hinaus fortbestehe. Von einer Entlassung könne daher ebenso keine Rede sein wie davon, daß das Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt der Klägerin geendet habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Rechtsrüge ist lediglich zuzubilligen, daß das Berufungsgericht die Rechtsfolgen einer unwirksamen Entlassung (vgl. Knöfler-Martinek MSchG7 160) - zu Unrecht - als Tatsachenfeststellung qualifizierte und zur Annahme gelangte, das Verhalten des Beklagten sei nicht als Entlassung zu werten. Das ändert aber nichts daran, daß die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zutreffend ist. Eine Entlassung kann nicht nur ausdrücklich mündlich oder schriftlich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) erfolgen. Die Verwendung des Wortes "Entlassung" ist nicht erforderlich. Es genügt, daß die ernsthafte und zweifelsfreie Absicht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis für die Zukunft sofort zu beenden, für den Arbeitnehmer klar erkennbar ist (Kuderna,

Das Entlassungsrecht 11 f; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 225; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 351; Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht 187; Arb. 9.193). Der Beklagte hatte der Klägerin ausdrücklich erklärt, das Arbeitsverhältnis mit ihr nur dann fortsetzen zu wollen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lasse. Als sie dieses Ansinnen ablehnte, forderte er sie auf, ihm den Geschäftsschlüssel zu übergeben und ihre Sachen zu packen. Dieses Verhalten ist eindeutig als Entlassung zu qualifizieren (vgl. Krejci in Rummel, ABGB § 1162 Rz 16; Arb. 7.098;

5.754). Daß diese Entlassung aber mangels jeglicher Gründe im Sinne des § 12 Abs 1 MSchG unwirksam war, so daß dadurch das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde (Schwarz-Löschnigg aaO 370;

Arb. 7.721), hat bereits das Erstgericht richtig erkannt. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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