OGH 8Ob60/07t

OGH8Ob60/07t30.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas B*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor u.a., Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Elisabeth A*****, vertreten durch Dr. Rudolf Denzel u.a., Rechtsanwälte in Villach, wegen EUR 4.307,50 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2007, GZ 3 R 419/06m-14, mit dem infolge Berufung das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 3. November 2006, GZ 9 C 695/06v-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Anlässlich der einvernehmlichen Scheidung des Klägers und seiner Gattin wurde die alleinige Obsorge der Mutter für den gemeinsamen minderjährigen Sohn sowie eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers von monatlich EUR 250,-- für den Sohn vereinbart. Am 1. Dezember 2003 wurde die Mutter getötet. Der Nachlass nach dem Täter wurde der Beklagten eingeantwortet.

Seit dem Ableben der Mutter hat der Kläger sowohl die Obsorge erbracht als auch die „Unterhaltszahlungen" für den Sohn geleistet. Zwischenzeitig wurde dessen Waisenpension in Höhe von EUR 129,70 festgelegt und zur Auszahlung gebracht. Der Differenzbetrag zum tatsächlichen Bedarf wurde seit dem 1. Dezember 2003 vom Kläger geleistet. Die Betreuungsleistungen wurden von Vorinstanzen mit mit mehreren hundert Euro, jedenfalls aber dem Regelbedarf eingeschätzt. Der Kläger begehrte von der Beklagten EUR 4.307,50 samt 7 % Zinsen ab 4. Jänner 2006 und brachte hiezu vor, der begehrte Betrag errechne sich aus dem erbrachten zusätzlichen Regelbedarf (zuletzt 309 EUR monatlich) ab dem Tod der Mutter (Dezember 2003) unter Abzug der monatlichen Waisenrente bis 31. Dezember 2005.

Die Beklagte erhob gegen den erlassenen Zahlungsbefehl Einspruch und wendete ein, der Regelbedarf bemesse die Unterhaltsleistung in Geld, nicht aber die Unterhaltsleistung aus der Pflegeleistung in natura. Da der Kläger Geldunterhalt geltend mache, sei auf die Einkommensverhältnisse der Verstorbenen abzustellen. Der Kläger erspare sich auch selbst einen monatlichen Unterhalt von EUR 250,-- und vereinnahme sowohl die Kinderbeihilfe als auch die Waisenrente, wodurch die tatsächlichen Aufwendungen ausgeglichen seien. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren samt 4 % Zinsen ab 4. Jänner 2006 statt und wies das Zinsenmehrgehren von weiteren 3 % ab 4. Jänner 2006 ab. Der Ersatzanspruch der Kinder nach § 1327 ABGB nach Tötung ihrer Mutter umfasse nicht nur die entgangenen zur Deckung des Unterhalts erbrachten Bar- und Sachleistungen, sondern auch die entgangenen Pflegeleistungen. Das Erstgericht erwog unter Berücksichtigung der Erfahrungstatsache, dass Pflegeleistungen für Kinder zwar finanziell schwer zu bemessen seien, jedoch täglich mehr oder weniger rund um die Uhr erbracht werden müssten, dass diese jedenfalls mehrere hundert Euro pro Monat „wert" seien. Es setzte den Wert unter Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO mit dem Regelbedarf fest. Da sich der Sohn im Familienverband des Klägers befinde, habe der Kläger jedenfalls monatlich Bargeldleistungen in der Höhe von EUR 250,-- zu leisten, weshalb eine Eigenersparnis nicht zum Tragen komme. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Die Betreuung sei als vollwertiger Unterhaltsbeitrag anerkannt, der der Unterhaltsleistung des anderen Elternteils, der für alle übrigen Bedürfnisse des Kindes aufzukommen habe, an Gewicht gleich komme. Es sei durchaus vertretbar, als Anhaltspunkt für den Wert dieser bei getrenntem Haushalt dem Kind zukommenden Betreuungsleistungen, die nunmehr der Kläger allein zu tragen habe, die Höhe des altersmäßigen Regelbedarfes heranzuziehen. Nach ständiger Rechtsprechung sei der tatsächliche Pflegeaufwand konkret zu ermitteln und der objektive Wert von dritter Seite erbrachter Sach- oder Arbeitsleistungen zur Grundlage der Vergütung zu nehmen. Im vorliegenden Fall könne sich die Beklagte durch die Heranziehung der Regelbedarfsätze für die Angemessenheit der Pflegeleistungen nicht beschwert erachten. Denn die Kosten einer Ersatzkraft wären bei weitem höher als die nach Jahren gestaffelten Regelbedarfsätze. Die Waisenpension sei vom Kläger ohnehin berücksichtigt worden. Die Familienbeihilfe, die vor und nach dem Tod der geschiedenen Gattin gleichermaßen vom Staat für das Kind ausbezahlt werde, habe außer Betracht zu bleiben. Eine Ersparnis des Klägers sei nicht gegeben, da er nun den Gesamtunterhalt des Kindes zu decken habe. Da eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Berechnung in natura erbrachter Pflege- und Erziehungsleistungen durch den zuvor allein zur Geldunterhaltsleistung verpflichteten Vater anstelle der mit dem Kind vor ihrem Tod in getrenntem Haushalt lebenden Mutter sowie auch zu einer unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung zur Familienbeihilfe durch deren Bezug vorzunehmenden Vorteilsausgleichung nicht vorliege, sei die Revision für zulässig zu erklären gewesen.

Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Die konkreten Ausführungen der Revision zeigen keine Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte releviert, zu prüfen sei inwieweit der klagende Vater überhaupt einen Ersatzanspruch für zusätzliche Aufwendungen geltend machen könne.

Dass der Schadenersatzanspruch eines Kindes nach Tötung seiner haushaltsführenden Mutter im Sinne des § 1327 ABGB auch den Ersatz des durch den Entgang der Pflegeleistungen der Mutter entstandenen Schadens umfasst, entspricht der ständigen Rechtsprechung und Lehre (RIS-Justiz RS0047746 mwN etwa 2 Ob 8/03; RIS-Justiz RS0047371 mwN etwa 2 Ob 150/88; Reischauer in Rummel ABGB3 § 1327 Rz 27; Harrer in Schwimann ABGB3 § 1327 Rz 17; Danzl in KBB2 § 1327 Rz 11 jeweils mwN). Auch dass sich der Schädiger nicht auf allfällige Unterhaltspflichten Dritter berufen kann und der subsidiär unterhaltspflichtige andere Elternteil den Ersatz eines zusätzlich übernommenen Unterhalts- und Pflegaufwandes begehren kann, wurde bereits wiederholt ausgesprochen (allgemein RIS-Justiz RS0031301 mwN; jeweils zum Anspruch nach § 1042 ABGB RIS-Justiz RS0020011 mwN zuletzt 4 Ob 15/05t; OGH 2 Ob 8/03w; 2 Ob 150/88, 2 Ob 105/67 = SZ 40/56; Reischauer in Rummel aaO Rz 15 mwN).

Bei der Bestimmung des Ersatzanspruches wegen Entganges der elterlichen Pflegeleistungen ist im Allgemeinen zunächst der konkrete tatsächliche Entgang der Pflegeleistungen zu ermitteln (RIS-Justiz RS0031321, RIS-Justiz RS0031598 jeweils mwN). Sodann ist festzustellen, welche Kosten die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch professionelle Kräfte erfordern würde. In der Regel wird der Anspruch auf Ersatz der elterlichen Pflegeleistungen unter Bedachtnahme auf die „Bruttokosten" einer Ersatzkraft nach § 273 ZPO bemessen (Reischauer in Rummel ABGB3 § 1327 Rz 27 mwN; RIS-Justiz RS0031691 mwN etwa 2 Ob 176/05d; zur Bewertung der Mehrleistungen eines verbliebenen Einzelelternteils 2 Ob 8/03w).

Die Vorinstanzen sind nun vereinfachend unter Anwendung von § 273 ZPO davon ausgegangen, dass der Pflegeaufwand jedenfalls mit dem Regelbedarf (Bedarf jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse RIS-Justiz RS0047531 mwN; 7 Ob 187/05h) zu bewerten und davon die Waisenrenten abzuziehen sei, weil der Kläger nicht mehr begehre und dies für die Beklagte jedenfalls günstiger sei als die Berechnung nach dem tatsächlichem Pflegeaufwand unter Zugrundelegung der „Bruttokosten". Die Annahme, dass dies für die Beklagte tatsächlich günstiger ist, bekämpft diese aber gar nicht. Damit besteht daher kein Anlass auf die weiteren Berechnungsfragen im Zusammenhang mit der Familienbeihilfe einzugehen, zu der die Beklagte auch nur geltend macht, dass sie außer Betracht zu bleiben hat, wenn sie vor dem schädigenden Ereignis und danach „für das Kind" bezogen wird (RIS-Justiz RS0047779, vgl dazu nunmehr allerdings differenzierend Reischauer in Rummel ABGB3 § 1327 Rz 3) - was ohnehin dem Ansatz des Berufungsgerichts entspricht -, ohne darzustellen, wie sich dies auf die vorliegenden Ansprüche auswirken sollte.

Auf das Argument eines „Vorteilsausgleiches" deshalb, weil sich der Kläger nunmehr den eigenen bis zum Tod der Mutter bezahlten Unterhaltsbeitrag in Höhe von EUR 250,-- erspare, muss schon deshalb nicht eingegangen werden, weil vom Erstgericht festgestellt wurde, dass der Kläger seit dem Ableben seiner geschiedenen Gattin weiter „Geldunterhalt" in dieser Höhe erbringt.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50 und 41 ZPO. Der Kläger wies in seiner Revisionsbeantwortung darauf hin, dass die Revision nicht zulässig ist.

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