OGH 2Ob105/67

OGH2Ob105/6721.4.1967

SZ 40/56

Normen

ABGB §1042
ABGB §1327
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §14 (3)
ABGB §1042
ABGB §1327
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §14 (3)

 

Spruch:

§ 14 (3) EKHG. kann auch sinngemäß auf Ersatzansprüche nach § 1042 (§ 1327) ABGB. angewendet werden.

Entscheidung vom 21. April 1967, 2 Ob 105/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den bisherigen Feststellungen der Untergerichte wurde der Gatte der Klägerin Friedrich T. bei einem Verkehrsunfall, den der Beklagte verschuldete, am 13. Juli 1964 getötet. Der Beklagte wurde auch vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt.

Der Nachlaß des Friedrich T. wurde der Klägerin zu einem Viertel und den beiden ehelichen Söhnen des Erblassers aus erster und zweiter Ehe je zu drei Achteln unter Bezugnahme auf ein Erbteilungsübereinkommen eingeantwortet. In diesem Übereinkommen hat sich die Klägerin verpflichtet, dem großjährigen Sohn Norbert T. aus erster Ehe des Erblassers einen Betrag von 33.501.81 S abzüglich der Gebühren und Steuern zur Abgeltung seines Erbteils zu bezahlen. Mit dem mj. Sohn Heinz T. aus ihrer Ehe mit dem Erblasser hat sie einen Vertrag über dessen stille Beteiligung an dem von ihr weitergeführten Gasthausbetrieb mit einem Betrag von 30.000 S geschlossen. Friedrich T. hatte eine am 9. Februar 1960 geborene außereheliche Tochter Susanne D., der er einen monatlichen Unterhalt von 300 S bezahlte. Dieses Kind hat eine Abfindungsforderung von

48.900 S, das sind monatlich 300 S, für die Zeit vom 1. August 1964 bis 28. Februar 1978, dem Jahr der Vollendung des 18. Lebensjahres, gegen den Nachlaß gestellt. Diese Unterhaltsforderung wurde von der Klägerin und ihrem Sohn Norbert T. mit einem Betrag von 33.000 S anerkannt.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Schadenersatzforderungen gegen den Beklagten gestellt. Sie hat den Ersatz ihrer Auslagen im Zusammenhang mit dem Begräbnis in der Höhe von 23.555.20 S und ihrer Auslagen im Zusammenhang mit dem Verlassenschaftsverfahren in der Höhe von 13.408.50 S sowie den Ersatz der 33.000 S an anerkanntem Unterhalt für das außereheliche Kind und den Ersatz ihrer Aufwendungen für die Unterbringung ihres mj. Sohnes Norbert T. in einem Internat in der Höhe von 8426 S, zusammen somit 78.389.70 S begehrt. Diesen Betrag hat sie um 2388 S an Begräbniskosten auf 76.001.70 S eingeschränkt.

Der Beklagte hat Klagsabweisung begehrt und eingewendet, daß der Klägerin die Klagslegitimation fehle. Sie sei nur zu einem Viertel Erbin nach ihrem Gatten und könne daher nur insoweit Schadenersatz begehren. Der Verstorbene Gatte der Klägerin habe für sein außereheliches Kind zuletzt keinen Unterhalt mehr geleistet. Das Kind beziehe eine monatliche Rente von 300 S seitens der gewerblichen Pensionsversicherungsanstalt, wodurch sein Unterhalt gedeckt sei. Für die Klägerin bestehe keine Alimentationsverpflichtung. Sie könne daher auch keinen Regreß nehmen.

Die Klägerin hat schließlich noch behauptet, daß ihr "die Forderung bezüglich des rückständigen Unterhaltes für das außereheliche Kind seitens ihres Sohnes Heinz T." zediert worden sei.

Das Erstgericht hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin 30.233.90 S zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 45.776.80 S hat es abgewiesen. In dem abgewiesenen Betrag sind die 33.000 S enthalten, die die Klägerin im Verlassenschaftsverfahren als Unterhaltsforderung des außerehelichen Kindes des Erblassers anerkannt hat und die noch allein strittig sind.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei nicht Folge gegeben, die erreichen wollte, daß ihr auch das restliche Klagebegehren zugesprochen werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge. Er hob die Urteile der Untergerichte in den Kostenaussprüchen und insoweit auf, als damit das Klagebegehren von 33.000 S samt 4% Zinsen seit 25. Mai 1966 abgewiesen wurde. Die Rechtssache wurde in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen habe.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte nicht verpflichtet sei, ihr die 33.000 S zu ersetzen, die sie im Vergleichswege an das außereheliche Kind des Erblassers bezahlt habe. Sie führt hiezu aus, daß der von ihr mit dem außerehelichen Kind abgeschlossene Vergleich zur Bereinigung der Unterhaltsansprüche für den Beklagten günstig sei, weshalb sie berechtigt sei, diesen Betrag vom Beklagten zu fordern. Zumindest hätten ihr aber die Untergerichte die bisher fällig gewordenen und auch tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeträge von monatlich 300 S zusprechen müssen. Durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes werde der Grundsatz verletzt, daß die unehelichen Kinder keineswegs besser gestellt sein dürften, als die ehelichen Kinder im Verlassenschaftsverfahren ihres Vaters. Diese Auffassung würde dazu führen, daß die unehelichen Kinder ihren Unterhaltsanspruch auf jeden Fall geltend machen könnten, auch wenn hiedurch der gesamte Nachlaß aufgebraucht würde, während die ehelichen Kinder ihren Unterhaltsanspruch nur gegenüber dem Schädiger geltend machen könnten und auch dort, falls die Verlassenschaft zur Deckung aller Unterhaltsansprüche des außerehelichen Kindes nicht ausreiche, mit diesem konkurrieren. Der Erblasser hätte zu Lebzeiten die Möglichkeit gehabt, die Unterhaltsforderung des außerehelichen Kindes aus seinen Einkünften zu leisten, ohne daß dadurch eine Substanzverminderung an seinem Vermögen eingetreten wäre. Es könne daher auch nicht von den Erben verlangt werden, daß sie die Substanz des Nachlaßvermögens zur Deckung der Unterhaltsforderung heranziehen.

Die Ersatzpflicht des Schädigers könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn durch die Erträgnisse der Erbschaft sowohl die Unterhaltsforderung des außerehelichen Kindes als auch die sonstigen Unterhaltsansprüche der ehelichen Kinder und sonstiger Unterhaltsberechtigter gedeckt seien.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Der Ansicht des Berufungsgerichtes kann nicht beigepflichtet werden, daß das, was die Klägerin als Erbin nach ihrem verstorbenen Gatten an dessen außereheliches Kind an Unterhalt leistet, keine Leistung darstelle, die sie in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht des Beklagten gegenüber dem außerehelichen Kind erbringt. Der Beklagte ist gemäß § 1327 ABGB., also nach dem Gesetz, verpflichtet, dem außerehelichen Kind das zu ersetzen, was ihm durch den von ihm verschuldeten Tod seines Vaters entgangen ist. Das sind, wie feststeht, monatlich 300 S. Der Beklagte wäre demnach verpflichtet, der Klägerin gemäß § 1042 ABGB. zu ersetzen, was sie aus ihrem Vermögen an Unterhalt für das außereheliche Kind ihres Gatten geleistet hat (Klang[2] IV 927, 928 zu § 1042. Ehrenzweig System II/1 S. 729, GlUNF. 6089, 2 Ob 606/56 und ZVR. 1960 Nr. 337). Nun ergibt sich aus den oben zitierten Verlassenschaftsakten, die Gegenstand des Verfahrens waren, daß zwischen den Erben ein Erbteilungsübereinkommen geschlossen wurde, in welchem sich die Klägerin verpflichtet hat, an das erblasserische außerehliche Kind ihres Gatten 33.000 S als Abfindung für dessen Unterhaltsansprüche in bestimmten Teilbeträgen zu bezahlen. Damit erscheint erwiesen, daß sie diese Leistungen an das außereheliche Kind aus ihrem Vermögen zu erbringen hat. Aus diesem Gründe müßte die aktive Klagslegitimation der Klägerin bejaht werden, soweit sie bereits Leistungen erbracht hat, was noch festzustellen ist.

Es ist nun die weitere Frage zu prüfen, ob der Beklagte verpflichtet werden könnte, der Klägerin den gesamten Abfindungsbetrag zu bezahlen. In dieser Hinsicht haben die Untergerichte eine solche Verpflichtung des Beklagten auch für den Fall abgelehnt, als der von der Klägerin mit dem außerehelichen Kind geschlossene Vergleich für ihn günstig wäre. Der Oberste Gerichtshof ist aber der Meinung, daß in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 14 (3) EKHG. der Ersatzberechtigte aus wichtigen Gründen eine Abfindung in Kapital verlangen könne, wenn die einmalige Zahlung dem Ersatzpflichtigen wirtschaftlich zumutbar wäre. Das Erstgericht wird daher diese Frage mit den Parteien zu erörtern und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Erst dann wird beurteilt werden können, ob der Klägerin der geforderte Kapitalbetrag zusteht. Jedenfalls aber wäre der Beklagte verpflichtet, der Klägerin monatlich 300 S zu bezahlen. Bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz am 29. September 1966 sind bereits seit dem Tode des Friedrich T. am 13. Juli 1964 Unterhaltsbeträge für 26 Monate fällig geworden, die einen Betrag von 7800 S ergeben.

Der Beklagte könnte aber zur Zahlung dieser Beträge nur verurteilt werden, wenn die Unterhaltsforderung des außerehelichen Kindes nicht, wie behauptet wurde, durch Leistungen aus der Sozialversicherung des Gatten der Klägerin gedeckt wäre. In diesem Fall würde nämlich die Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers nach § 332 ASVG. die Geltendmachung dieses Ersatzanspruches durch die Klägerin überhaupt verhindern. Der Beklagte könnte nämlich vom Sozialversicherungsträger zur Refundierung der Leistungen aus der Sozialversicherung insoweit verhalten werden, als diese Leistungen in den Ansprüchen des geschädigten Kindes des Versicherten Deckung finden.

Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob und in welcher Weise der Sozialversicherungsträger beim Abschluß des Abfindungsvergleiches zwischen der Klägerin und dem außerehelichen Kind ihres Gatten beteiligt war und ob und welche Leistungen der Sozialversicherungsträger an das außereheliche Kind erbringt. Auch in dieser Hinsicht wird das Verfahren zu ergänzen und es werden die erforderlichen Feststellungen zu treffen sein, um entscheiden zu können, ob und in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin gemäß § 1042 ABGB. Ersatz zu leisten hat.

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