Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch III 2 sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Gernot B***** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich mehrere Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG (I), das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II) und mehrere Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (III 1) unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die in der Zeit vom 8. Dezember 2005, 23:05 Uhr, bis zum 18. Juli 2006, 9 Uhr, zum AZ 8 Ur 272/04w des Landesgerichtes Klagenfurt und vom 5. Oktober 2006, 19 Uhr, bis zum 28. Juni 2007, 10:30 Uhr, im gegenständlichen Verfahren erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
Von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Frühjahr 1998 ca 100 Gramm Kokain von Shengulj F***** zu erwerben versucht, wird Gernot B***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Gernot B***** mehrerer (richtig:) Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG (I), des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (II), mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (III 1) sowie eines versuchten (§ 15 StGB) Vergehens nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG (III 2) schuldig erkannt. Danach hat er
(I) in den Jahren 1995 und 1996 in wiederholten Angriffen insgesamt mindestens 1.260 Gramm Kokain (zumindest 630 Gramm Reinsubstanz) mit dem Vorsatz erworben, dass es in Verkehr gesetzt werde, (II) in den Jahren 1998 bis Ende 2001 gewerbsmäßig mindestens 1.055 Gramm Kokain (zumindest 500 Gramm Reinsubstanz) in Verkehr gesetzt, (III 1) in der Zeit von Anfang 1995 bis (richtig:) jedenfalls Ende 2002 unbestimmte Mengen Kokain erworben, besessen und anderen überlassen sowie
(III 2) im Frühjahr 1998 ca 100 Gramm Kokain von Shengulj F***** zu erwerben versucht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zutreffend darauf hin, dass die Judikatur die absolute Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) hinsichtlich des Tatobjekts anhand einer objektiven ex-post-Betrachtung prüft (SSt 57/81 = EvBl 1987/5, 19 [verst Sen]; zuletzt 15 Os 71/05p; Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 79 f). Ausgehend von den tatrichterlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte im Frühjahr 1998 100 Gramm Kokain hatte erwerben wollen, von seinem Lieferanten statt dessen aber ein Gemisch aus Schmerztabletten und Traubenzucker erhalten hatte (US 13), erfolgte der Schuldspruch III 2 somit zu Unrecht, weil bei Anlegung des dargelegten Beurteilungsmaßstabs die Vollendung der Tat nach der Art des Tatobjekts unter keinen Umständen möglich war. Unter Zugrundelegung der Tatsachen, die das Erstgericht festgestellt hat (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO), war der Angeklagte demnach vom diesbezüglichen Anklagevorwurf freizusprechen (§ 259 Z 3 StPO), weil ein absolut untauglicher Versuch (§ 15 Abs 3 StGB) vorliegt. Im Übrigen verfehlt die Beschwerde ihr Ziel.
Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) auf den schriftlichen Antrag, Gert T***** als Zeugen zu vernehmen (ON 65a), Bezug nimmt, mangelt es ihr an der Beschwerdelegitimation. Der Nichtigkeitsgrund der Z 4 setzt nämlich einen während der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Beschwerdeführers voraus, welchem Erfordernis die - nach dem ungerügten Hauptverhandlungsprotokoll (ON 66) auch hier vorliegende (S 449/III) - Erklärung, einen außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich eingebrachten Antrag aufrecht zu halten, nicht entspricht (15 Os 41/03; vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 313). Den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von Werner S*****, Erich L*****, Johannes D***** und Werner N***** zum Nachweis dafür, „dass es bei wiederholten Kontrollen im Rahmen der Veranstaltungen beim GTI-Treffen und beim Harley Davidson-Treffen, aber auch den GoGo-Bar-Betrieben der G*****-Unternehmen, nie zu Beanstandungen im Zusammenhang mit Suchtmitteln gekommen ist" (S 449 f/III), wies das Erstgericht ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 26/IV), weil sich das Beweisthema nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen bezog. Hinzu kommt, dass die Tatrichter die zu beweisenden Tatsachen ohnedies als erwiesen angesehen haben (S 26/IV, US 37), womit dem Beschwerdeführer durch die ablehnende Entscheidung auch aus diesem Grund kein Nachteil entstanden ist (SSt 42/50; zuletzt 12 Os 5/06m, 14 Os 98/06b; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).
Die auf den Schuldspruch III 2 bezogenen Einwände hinsichtlich des Zeugen Mato Bi***** können mit Blick auf die diesbezügliche (Teil-)Kassation dahinstehen.
Dem Antrag auf „Beischaffung und Verlesung des Protokolls über die Rufdatenrückerfassung des Goran K***** mit F*****" (S 449/III) kam das Gericht ohnedies nach (S 450/III, S 26/IV). Soweit die Rüge nunmehr den diesbezüglichen - in der Hauptverhandlung verlesenen (S 26/IV) - Bericht (ON 68) als unzureichend bezeichnet, fehlt ihr mangels entsprechender Antragstellung die Beschwerdelegitimation. Das die Beweisanträge ergänzende Vorbringen hat mit Blick auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (SSt 41/71, zuletzt 12 Os 53/06w).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) legt das Erstgericht in eingehender, logisch und empirisch einwandfreier Beweiswürdigung (US 21 bis 40) dar, aus welchen Gründen es die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen als erwiesen angenommen hat. Indem die Beschwerde diesen Überlegungen aus isoliert herausgegriffenen Ergebnissen des Beweisverfahrens abgeleitete eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Behauptung, die Feststellung, der Beschwerdeführer habe die gegenständliche Kokainmenge teilweise selbst verbraucht (US 12), widerspreche dem Schuldspruch II, verkennt, dass sich die relevierte Feststellung auf die von Shengulj F***** erworbene Suchtgiftmenge, sohin auf den Schuldspruch I bezieht (US 12).
Der Beschwerdeansatz, die angefochtene Entscheidung übergehe „Widersprüche zu den übrigen Beweisergebnissen, insbesondere den zahlreichen eidesstättigen Erklärungen ehemaliger Mitarbeiter", ist mangels Konkretisierung einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Der Beschwerde zuwider sind die Feststellungen zum Reinheitsgehalt der von den Schuldsprüchen I und II umfassten Suchtmittel keineswegs undeutlich (US 12, 20).
Die Ableitung des Reinheitsgehalts aus den Angaben des Zeugen Shengulj F***** und der ermittelnden Polizeibeamten sowie der - bei der seit Jahrzehnten bekannten Droge Kokain als Beweiswürdigungsprämisse zulässigen (11 Os 55/04, zuletzt 12 Os 109/06f) - Gerichtsnotorietät (US 37 f) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Der Einwand, die Depositionen des Zeugen P***** zur Kokain-Qualität widersprechen der Annahme eines 50 %igen Reinheitsgehalts, gibt dessen diesbezügliche Aussage nur rudimentär und solcherart sinnentstellt wieder (s S 424 f).
Die von der Beschwerde vermisste Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf der US 40.
Soweit das diesbezügliche Vorbringen als auf eine mangelnde Feststellungsbasis gerichtet zu verstehen ist (der Sache nach Z 9 lit a), lässt die Rüge nicht erkennen, welche über die insoweit getroffenen (US 20 f) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich seien.
Mit den weitwendigen Ausführungen zu einzelnen Ergebnissen des Beweisverfahrens wird ein aus Z 5 beachtlicher Mangel inhaltlich nicht einmal behauptet.
Die Beschwerdeprämisse, das Erstgericht übergehe Widersprüche in den Aussagen des Zeugen F*****, ignoriert die diesbezüglichen Urteilsausführungen (US 22).
Der Einwand der Tatsachenrüge (Z 5a), die angefochtene Entscheidung lasse „den Beginn und den Zeitablauf der Kontakte zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen F*****" nicht hinreichend erkennen, bezieht sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen. Im Übrigen erschöpft sich die Tatsachenrüge darin, einzelnen Überlegungen der Tatrichter eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen und bekämpft solcherart in - auch aus dem Blickwinkel des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes - unzulässiger Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung.
Die der Beschwerde beigelegten Urkunden sind aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots unbeachtlich. Der Verjährungseinwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b) zum Schuldspruch III 1 übergeht, dass das Strafverfahren nach der Aktenlage am 26. Mai 2003 eingeleitet worden ist (S 1 verso/I), sodass hinsichtlich der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG aufgrund der Bestimmung des § 58 Abs 3 Z 2 StGB iVm § 57 Abs 3 letzter Fall StGB hinsichtlich ab dem 26. Mai 2002 gesetzter Tathandlungen die Verjährung keinesfalls eingetreten ist. Der Umstand, dass das Ende des diesbezüglichen Tatzeitraums von der Anklage mit „zumindest Ende 2002" (S 416/III), vom Ersturteil hingegen mit „zumindest Sommer 2003" (US 2) angenommen wurde, ist bedeutungslos, weil beide Daten zeitlich jedenfalls nach dem 26. Mai 2002 liegen. Aufgrund der dem Schuldspruch zugrunde liegenden laufenden Delinquenz kommt auch Verjährung der vor diesem Zeitpunkt begangenen strafbaren Handlungen nicht in Betracht (§ 58 Abs 2 StGB). Hinsichtlich der nicht von der Kassation betroffenen Teile des Schuldspruchs war gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO die Strafe neu zu bemessen, wobei aufgrund der von der Staatsanwaltschaft prozessförmig erhobenen Berufung (ON 84) das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs 2 StPO) nicht Platz greift (EvBl 1962/410, 497, zuletzt 15 Os 119/03; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 42).
Hiebei waren die Umstände, dass der Beschwerdeführer über einen mehrjährigen Deliktszeitraum zahlreiche strafbare Handlungen begangen hat (§ 33 Z 1 StGB) und dass er schon mehrfach wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist (§ 33 Z 2 StGB), sowie der geradezu nahtlose Rückfall in einschlägige (Suchtmittel-)Delinquenz und die teilweise Begehung der Taten während eines anhängigen Strafverfahrens (S 389/III) erschwerend, der Umstand, dass das Verfahren aus nicht vom Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger zu vertretenden Gründen rund 4 Jahre, sohin unverhältnismäßig lang gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB), mildernd. Als Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten war nicht nur jene wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (S 389/III) sondern waren auch alle weiteren wegen gegen die menschliche Gesundheit gerichteter Straftaten (10 Os 70/83, zuletzt 14 Os 90/05z) und - infolge gewerbsmäßiger Tatbegehung - wegen mit Bereicherungsvorsatz begangener Vermögensdelikte, sohin insgesamt 10 Vorverurteilungen (ON 59), zu werten.
Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB war dem Beschwerdeführer nicht zu Gute zu halten, weil dieser ein etwa 5-jähriges Wohlverhalten nach Abschluss der Delinquenz voraussetzt, wobei Zeiten behördlicher Anhaltung nicht einzurechnen sind (Ebner in WK² § 32 Rz 46), wogegen fallbezogen zwischen der letzten Tathandlung und der Verhängung der Untersuchungshaft ein Zeitraum von weniger als vier Jahren liegt.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen sowie unter Berücksichtigung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden, erheblichen Suchtgiftmengen (§ 32 Abs 3 StGB), erweist sich bei einem Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 28 Abs 4 SMG) die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion als schuld- und tatangemessen.
Eine (teil-)bedingte Strafnachsicht, die mit Blick auf die Strafhöhe nur im Rahmen der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) möglich wäre, scheitert schon am Erfordernis des - in Relation zu den erschwerenden Umständen - beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)