OGH 15Os119/03

OGH15Os119/039.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard R***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16. April 2003, GZ 52 Hv 20/03h-39, und die (implizierte; § 498 Abs 3 StPO) Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der zu A/I/1 und A/II/2 festgestellten Tatsachen und demzufolge in der Zusammenfassung der durch die Feststellungen zu A begründeten strafbaren Handlungen zu einer Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB sowie im Strafausspruch und im Zuspruch an die Privatbeteiligte A***** AG und der Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ebenso wie der Angeklagte mit seiner Berufung wegen Strafe und gegen den Privatbeteiligtenzuspruch an die A***** AG und der Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an den Privatbeteiligten S***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil seines Rechtsmittels entfallenden Kosten zur Last.

Text

Gründe:

Gerhard R***** wurde mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, (A) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und (B) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Nach dem für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevanten Teil des Schuldspruches hat Gerhard R***** in Pfarrwerfen und anderen Orten des Bundesgebietes als Autoverkäufer des Autohauses E*****

A) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten

unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eines schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese oder andere am Vermögen um einen 40.000 Euro nicht übersteigenden Betrag geschädigt haben, und zwar:

I) durch die Vortäuschung seiner Inkassobefugnis namens der Fa. E***** in Verbindung mit der Vorgabe, zu günstigen Bedingungen ein Fahrzeug verschaffen zu wollen, zur Ausfolgung nachfolgend aufgeschlüsselter Bargeldbeträge als Anzahlung bzw Kaufpreiszahlung, und zwar:

1) am 15. Februar 2001 in Salzburg den Walter M***** zur Überlassung einer Anzahlung für einen PKW Peugeot 206 Coupé in Höhe von 20.000 S (= 1453,54 Euro);

2) am 15. Mai 2001 in St. Johann den Peter K***** zur Überlassung einer Anzahlung für einen PKW Hyundai Santa Fe in Höhe von 32.500 S (= 2.361,86 Euro);

3) am 3. September 2001 in Velden dem Dietmar Herman Ko***** zur Überlassung einer Anzahlung für ein Navigationssystem in Höhe von 30.000 S (= 2.180,18 Euro);

4) am 17. August 2001 in Mattsee die Brigitte H***** zur Überlassung einer Anzahlung für den PKW Hyundai E-Lantra in Höhe von 120.000 S (= 8.720,74 Euro);

5) am 6. Juni 2001 in Pfarrwerfen den Heinz S***** zur Überlassung des Kaufpreises für einen BMW Z 3 in Höhe von 175.000 S (= 12.717,74 Euro) bzw für einen Mercedes SLK 200 als Differenzbetrag zum Kaufpreis für den BMW in Höhe von 46.000 S (= 3.342,95 Euro);

6) am 25. März 2002 bzw im April 2002 in Obertauern den Oliver Z***** und Dr. Gerhard St***** zur Überlassung einer Anzahlung für einen PKW Audi A6 in Höhe von insgesamt 11.500 Euro,

II) durch die Vorgabe eines rückzahlungsfähigen und rückzahlungswilligen Darlehensnehmers zur Überlassung folgender Geldbeträge, und zwar:

1) am 26. Juli 2001 in Pfarrwerfen den Heinz S***** zur Überlassung eines Betrages in der Höhe von 40.000 S (= 2.906,97 Euro);

2) am 17. August 2001 Angestellte der A***** AG zur Überlassung eines Betrages in Höhe von 98.000 S (= 7.122,09 Euro).

Gegen das Faktum A/I/1 und 6 sowie A/II/2 des Schuldspruches richtet sich die aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft die Nichtannahme der Qualifikation nach § 147 Abs 3 StGB betreffend die Fakten A/I und II aus Z 10 des vorgezeichneten Nichtigkeitsgrundes.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich zu A/I/1 bereits aus Z 9 lit b leg cit, hinsichtlich A/II/2 aus Z 9 lit a als berechtigt.

Zu Faktum A/I/1:

Mehrere Vermögensangriffe eines Täters, die aus subjektiven Gründen eine das Erfordernis der Vollständigkeit der Schadensgutmachung betreffende Einheit bilden, liegen nach herrschender Rechtsprechung dann vor, wenn die Vermögensangriffe von einem Gesamtvorsatz getragene Einzelakte der schrittweisen Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen Enderfolges darstellen oder wenn eine auf einen einheitlichen Willensentschluss des Täters zurückgehende Faktenmehrheit vorliegt (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 167 Rz 66-70 mN). Gewerbsmäßigkeit ist für sich allein (entgegen der vereinzelt gebliebenen Entscheidung LSK 1997/138) nicht tragfähig, um damit verknüpfte Serientaten im Hinblick auf die Voraussetzung tätiger Reue auch dem Erfordernis des Gesamtschadenersatzes zu unterwerfen (13 Os 142/02 mit der dort zitierten Literatur).

Feststellungen, welche die rechtliche Beurteilung der von den Punkten A/I des Urteils umfassten Taten als eine solche Einheit begründen könnten, hat das Erstgericht nicht getroffen. Solche Feststellungen waren auch durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht indiziert. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (US 17) ist daher tätige Reue hinsichtlich jedes Einzelfaktums rechtlich möglich. Die für tätige Reue geforderte Freiwilligkeit (§ 167 Abs 2 StGB) liegt dann vor, wenn die Schadensgutmachung unter Umständen erfolgt, unter denen es dem Täter unbenommen ist, sie mit Erfolg zu verweigern (10 Os 140/75 ua). Dabei kommt es ausschließlich auf seine Vorstellungen über die Möglichkeit einer erfolgreichen Verweigerung der Schadensgutmachung und nicht darauf an, ob er vermeint, unter den gegebenen Umständen bloß durch sie einer Verurteilung entgehen zu können (10 Os 40/86; vgl auch SSt 60/6 = JBl 1989, 666, Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 167 Rz 45). Denn das Motiv, einer Anzeige oder strafgerichtlichen Verfolgung vorzubeugen, schließt das Merkmal der Freiwilligkeit nicht aus (SSt 56/49 = EvBl 1986/16). Über die Vorstellungen des Angeklagten zur Erfolgsaussicht einer allfälligen Verweigerung der Schadensgutmachung zum Faktum A/I/1 des Urteils hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen, so dass das Urteil in diesem Umfang an Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO leidet.

Zu Faktum A/II/2:

Die Beistellung eines tauglichen Bürgen bei einer Kreditaufnahme vermag ein tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne des § 146 StGB auszuschließen, zumal ein Gläubiger, der eine derartige Absicherung seiner Forderung verlangt und auch erhält, zeigt, dass er die mögliche Befriedigung durch den Bürgen im Allgemeinen von vornherein in Rechnung stellt (9 Os 48/81 ua). Unter Umständen kommt aber Betrug einerseits am Darlehensgeber im Umfang des Verzögerungsschadens, anderseits an dem über die Voraussetzungen zur Bürgschaftsübernahme getäuschten Bürgen in Betracht (SSt 52/19, Kirchbacher/Presslauer aaO § 146 Rz 58, 76, 83).

Das Erstgericht hat zu diesem Schuldspruchteil die Feststellungen getroffen, dass sich die A***** AG aufgrund des vom Angeklagten beigebrachten Bürgen Erwin L***** zur Kreditgewährung entschlossen hat (US 8). Konstatierungen darüber, ob dieser Bürge (erfolgreich) in Anspruch genommen wurde, der Bank daraus allenfalls ein Verzögerungsschaden erwachsen ist und ob der Bürge allenfalls über die Voraussetzungen für die Bürgschaftsübernahme getäuscht wurde, wurden nicht getroffen, so dass das Urteil im erwähnten Punkt mit Feststellungsmängeln iS des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist. Damit war das angefochtene Urteil in diesem Umfang im Schuldspruch aufzuheben, weshalb ein Eingehen auf die weiters dazu geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht mehr erforderlich ist. Durch die Aufhebung der Schuldsprüche zu den Punkten A/I/1 und A/II/2 des Urteils wird die zum Zweck der Strafrahmenbildung geformte Subsumtionseinheit zerschlagen (vgl Ratz WK2 § 29 Rz 1, WK-StPO § 289 Rz 10). Da die Verhängung einer Strafe für die in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche zur konkreten Strafrahmenbildung nicht zweckmäßig erscheint, wird erst anlässlich der Straffestsetzung im nächsten Rechtsgang eine neue Subsumtionseinheit - gegebenenfalls auch unter Einbeziehung neuer gleichartiger Taten - zu bilden sein (vgl Ratz WK-StPO § 289 Rz 10). Demgemäß war das Urteil auch im Strafausspruch und im Zuspruch an den Privatbeteiligten betreffend das kassierte Faktum A/II/2 aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Durch die Zerschlagung der vom Erstgericht gebildeten Subsumtionseinheit wird der - die rechtliche Beurteilung dieser Subsumtionseinheit bekämpfenden - Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Boden entzogen, zumal Gegenstand des von der Angeklagebehörde geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO allein diese Subsumtionseinheit ist (vgl Ratz WK2 § 29 Rz 5).

Die Staatsanwaltschaft war daher mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde auf die teilaufhebende Entscheidung zu verweisen.

Im neuen Rechtsgang ist das Schöffengericht nicht gehindert, gegebenenfalls für die - jedenfalls unter Einbeziehung der schon im ersten Rechtsgang abgeurteilten Taten - neu zu bildende Subsumtionseinheit (neben §§ 146 und 148 zweiter Fall StGB) die Strafbestimmung des § 147 Abs 3 StGB heranzuziehen, weil das Verschlimmerungsverbot des § 293 Abs 3 StPO - das überhaupt nur insoweit gilt, als nicht eine prozessförmige Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung zum Nachteil des Angeklagten ergriffen wurde (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 40, Foregger/Fabrizy StPO8 § 290 Rz 8) - auf den Sanktionsbereich beschränkt ist und sich nicht auf die rechtliche Beurteilung auswirkt (Ratz, WK-StPO § 293 Rz 22, § 290 Rz 31 ff, Foregger/Fabrizy StPO8 § 293 Rz 2, § 290 Rz 9).

Zum Faktum A/I/6:

Soweit sich die Mängel- und die Tatsachenrüge des Angeklagten (Z 5 und 5a) gegen die zu Punkt A/I/6 getroffenen Urteilsfeststellungen der bloß teilweisen Schadensgutmachung richten, betreffen sie nicht den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, weil die Frage der Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung gänzlich außer Acht gelassen wird. Nach dem Vorbringen in der Beschwerdeausführung hat der Angeklagte die strittige Überweisung vom 24. Juni 2002 über 9.000 Euro aufgrund eines Anrufes der Polizei Klagenfurt durchgeführt, womit er selbst einräumt, die Schadensgutmachung erst dann vorgenommen bzw sich dazu vertraglich verpflichtet zu haben, nachdem die Behörde (§ 151 Abs 3 StGB) von seinem Verschulden erfahren hat. Dies steht auch mit der Aktenlage im Einklang, wonach die Strafanzeige gegen ihn bereits am 19. Juni 2002 erstattet worden war (S 397/I).

Mit seiner auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rüge behauptet der Beschwerdeführer einen Mangel an Feststellungen zu seinem Vorsatz und zur tätigen Reue (der Sache Z 9 lit a und b). In diesem Umfang ist die Rüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie einerseits nicht angibt, welche für die rechtliche Beurteilung entscheidenden, durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens indizierten Feststellungen fehlen, andererseits über die Konstatierungen des Erstgerichtes hinweggeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher im aufgezeigten Umfang gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe, derjenigen betreffend den Zuspruch an die Privatbeteiligte A***** AG und der (implizierten) Beschwerde waren der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten betreffend den Zuspruch an den Privatbeteiligten Heinz S***** (A/I/4 und A/II/1) fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285i StPO).

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