OGH 9Os48/81

OGH9Os48/8119.5.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1981 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mischer als Schriftführer in der Strafsache gegen Norbert A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Jänner 1981, GZ. 6 c Vr 7685/80-54, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Tarnai und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes und demgemäß auch in der Unterstellung der Betrugsstraftaten unter die Bestimmung des § 147 Abs 3 StGB.

sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 26-jährige Angestellte Norbert A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB. schuldig erkannt, weil er in der Zeit vom 17. August 1979 bis zum 6.Oktober 1980 in Wien und Väsendorf durch die Vorgabe, ein redlicher Darlehensnehmer, Gast, Taxifahrgast und Kontoinhaber zu sein, fallweise auch durch Ausgabe ungedeckter Schecks, in insgesamt 28 Fällen mit Bereicherungsvorsatz andere zu Handlungen verleitet hat, die sie oder Dritte am Vermögen um insgesamt mehr als 100.000 S schädigten. Unter anderem hat er am 17. August 1979 Organe der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien zur Gewährung eines Darlehens von 180.000 S bestimmt und hiedurch der genannten Bank einen Schaden in gleicher Höhe zugefügt (Punkt 1 des Schuldspruches), und weiters im Frühjahr 1980 den Tankstellenpächter Ludwig B zur Einlösung mehrerer ungedeckter Schecks über insgesamt 19.000 S veranlaßt, wodurch B um diesen Betrag geschädigt wurde (Punkt 2 des Schuldspruches). Lediglich diese beiden Punkte des Schuldspruches bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit a, hilfsweise auch Z. 10, StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; der übrige, weitere Betrugsfakten mit einem Schaden von insgesamt ca. 21.000 S betreffende Schuldspruch blieb hingegen ausdrücklich unangefochten.

Nach den zu Punkt 1 des Schuldspruches getroffenen wesentlichen Feststellungen wußte der Angeklagte bei der Aufnahme des Kredites von 180.000 S, daß er diese Schuld aus seinem damaligen Einkommen nicht zurückzahlen werde können; trotzdem nahm er den Kredit, offenbar in der Hoffnung auf hohe Spielgewinne, auf, wobei er sich mit der Möglichkeit, keine solchen Gewinne zu machen und daher die Schuld nicht zurückzahlen zu können, abfand. 'Seine Frau (Regina A) sowie (sein Freund) Hubert C gingen ihm als Bürgen' (S. 431); 'A bezahlte keine einzige Rückzahlungsrate, sodaß die Zentralsparkasse auf die Bürgen greifen mußte' (S. 432).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer wendet gegen diesen Schuldspruch in seiner Rechtsrüge ein, es mangle am Schädigungsvorsatz, wenn der Täter zur Besicherung seiner Schuld einen tauglichen Bürgen oder ein Pfand bestellt. Da vorliegend die beiden Bürgen den Kredit nun tatsächlich zurückzahlen, sei der Zentralsparkasse überhaupt kein Schaden entstanden. Für die Annahme eines gegenüber den beiden Bürgen begangenen Betruges fehle es aber an Feststellungen; gegenüber der Ehegattin des Beschwerdeführers wäre ein allfälliger Betrug überdies im Familienkreis begangen, sodaß eine strafrechtliche Haftung hiefür nur im Rahmen des § 166 StGB. in Betracht komme.

Damit ist er grundsätzlich im Recht.

Beim Kreditbetrug hängt die Annahme einer Vermögensschädigung im Sinne des § 146 StGB. davon ab, ob der Getäuschte oder ein Dritter ein dem hingegebenen wirtschaftlichen Wert gemäßes Äquivalent erlangt, wobei das Wertverhältnis an sich objektiv, jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist.

Einem Schuldner, der sogleich beim Abschluß des Geschäftes einen tauglichen Bürgen stellt - oder etwa auch eine wertmäßig entsprechende Sache, sei es als Pfand, sei es in Form der Sicherungsübereignung, als Sicherheit beibringt -

und dann seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, kann tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne des § 146 StGB. - insbesondere mangels eines auf Schädigung des Gläubigers gerichteten Vorsatzes (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 43 zu § 146) - nicht ohne weiteres angelastet werden. Ein Gläubiger hinwieder, der eine derartige Absicherung seiner Forderung verlangt und erhält, zeigt (auch dem Schuldner gegenüber), daß er die mögliche Befriedigung durch den Bürgen (oder etwa auch aus der beigebrachten Sache) im allgemeinen von vornherein in Rechnung stellt (EvBl. 1974/172, ÖJZ-LSK 1977/268). Wird die versprochene Gegenleistung - wenngleich nicht durch den Schuldner, sondern durch die Bürgen - zwar verspätet, aber doch binnen eines den Regeln des redlichen Verkehrs entsprechenden Zeitraumes erbracht, so stellt die Verzögerung in der Regel noch keinen nach § 146 StGB. zu beurteilenden Schaden dar, insbesondere wenn dafür Verzugszinsen berechnet und bezahlt werden (Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 33 f. zu § 146).

Im vorliegenden Fall wird der Zentralsparkasse seit 18.August 1980 der Kredit mit einer monatlichen Rate von 3.000 S (anstelle der ursprünglich vereinbarten 2.409 S - vgl. Beilage zu ON. 28) zurückbezahlt (Zeugin Susanne D, S. 417), wobei die Zeugin davon spricht, daß 'der Bürge' zurückbezahlt. Die sich demgemäß offenbar nicht für geschädigt erachtende Zentralsparkasse hat keine Strafanzeige erstattet und sich auch dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte angeschlossen.

Gleichwohl kann über dieses Faktum noch nicht abschließend geurteilt werden: Das Erstgericht hat nämlich, die aufgezeigte Bedeutung einer tauglichen Bürgschaft für die Annahme betrügerischer Kreditaufnahme verkennend, keinerlei Feststellungen zur Person und den wirtschaftlichen Verhältnissen der beiden Bürgen getroffen, sodaß deren Tauglichkeit derzeit nicht beurteilt werden kann, zumal nach den - in der Hauptverhandlung verlesenen (S. 421) - Angaben der Zeugin Regina A im Vorverfahren (ON. 28) Hubert C seiner Zahlungspflicht lediglich mit einer monatlichen Rate von 1.000 S nachkommt und sie ebenfalls nur einen gleichhohen Betrag leistet, während ihr Vater, der Zeuge Franz E, in der Hauptverhandlung sogar davon spricht, die gesamte Verpflichtung seiner Tochter zu erfüllen (S. 418 f.).

Erst wenn feststeht, daß der Beschwerdeführer mit der Abdeckung der von ihm eingegangenen Schuld durch die beiden Bürgen rechnen konnte und daher eine Schädigung des Kreditunternehmens nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hat, wird Betrug an diesem zu verneinen sein. Diesfalls wäre aber noch die Möglichkeit einer als Betrug strafrechtlich zu erfassenden schädigenden Täuschung des - als Bürge ('Mitschuldner') zur ungeteilten Hand für den gesamten Betrag haftenden - Hubert C zu prüfen, der bisher im Strafverfahren noch nicht vernommen wurde. Der Anklagevorwurf der betrügerischen Herauslockung der Darlehenssumme würde jedenfalls auch die betrügerische Irreführung des Bürgen umfassen, sodaß das Gericht im Sinne seiner Verpflichtung zur vollständigen Prüfung und rechtlichen Beurteilung des von der Anklage umfaßten Geschehens (§ 267 StPO.) das Verhalten des Angeklagten auch unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen hätte. Eine allfällige betrügerische Schädigung der Regina A wäre hingegen nur über deren Privatanklage (§ 166 Abs 3 StGB.) innerhalb der im § 46 Abs 1 StPO. bezeichneten Frist von sechs Wochen verfolgbar gewesen, doch ist eine solche nicht erhoben worden.

Jedenfalls ist aber nach dem Gesagten in Ansehung des Faktums Betrug zum Nachteil der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien eine Urteilsaufhebung aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. unvermeidlich, weshalb sich ein Eingehen auf die dieses Schuldspruchfaktum betreffende Verfahrens- und Mängelrüge erübrigt und spruchgemäß zu erkennen war.

Hingegen kommt der auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a (10) StPO. gestützten Rechtsrüge des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch nach Punkt 2 des Urteilssatzes keine Berechtigung zu. Er bringt hiezu vor, daß er den dem Ludwig B durch Übergabe ungedeckter Schecks herausgelockten Betrag von insgesamt 19.000 S unmittelbar anschließend in den in dessen Lokal aufgestellten, diesem gehörenden Spielautomaten verspielt habe, sodaß B sein Geld ohnedies wieder zurückbekommen habe und daher nicht am Vermögen geschädigt sei. Dieser Rüge ist zunächst entgegenzuhalten, daß sie insofern von einem urteilsfremden Sachverhalt ausgeht, als im Urteil nicht festgestellt ist, daß die Spielautomaten, in denen der Beschwerdeführer das von B erhaltene Geld verspielte, in dessen Eigentum stehen;

eine Grundlage für diese Vermutung des Beschwerdeführers findet sich auch nicht in den Protokollen über die Vernehmung der Zeugen Ludwig B (ON. 39) und Manfred F (ON. 38) im Vorverfahren, die in der Hauptverhandlung verlesen wurden (S. 421).

Das Erstgericht war aber auch nicht verpflichtet, diesen Sachverhalt, auf den sich der Angeklagte - der zu diesem Anklagevorwurf ein uneingeschränktes Schuldbekenntnis abgelegt hat (vgl. S. 403, 408, 412) - nie berufen hatte, näher aufzuklären, weil es aus rechtlichen Gründen dahingestellt bleiben kann, ob das dem Ludwig B herausgelockte Geld diesem dadurch anschließend wieder zugekommen ist, daß es der Angeklagte für in dessen Lokal aufgestellte Spielautomaten verwendete. Grundsätzlich ist nämlich der Betrug an Ludwig B mit der diesen schädigenden Auszahlung des Geldes vollendet gewesen und es bleibt ein allfälliges Rückfließen der Schadenssumme nur unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Schadensgutmachung zu prüfen, die aber gleichfalls nicht anzunehmen ist.

Daß ein Geldgeber durch die Art der Verwendung der Valuta durch den Empfänger später allenfalls sogar einen Gewinn erzielt, schließt nämlich nicht aus, daß er vorher durch die Herauslockung dieser Summe betrügerisch geschädigt worden sein kann. Vorliegend ist die Verwendung des von B als Entgelt für in dieser Höhe vom Angeklagten ausgestellter, jedoch ungedeckter Schecks erhaltenen Geldes für das Spiel in Automaten vielmehr nicht anders zu beurteilen, als wenn solches Geld für die Konsumation von Speisen und Getränken im Lokal des Ludwig B oder für den Betrieb einer dort aufgestellten Music-Box ausgegeben worden wäre. Daher kann ein nachträglicher Spielverlust des Betrügers - zumindest wenn er von diesem nicht gewollt ist, was regelmäßig zutrifft - an den Betrogenen niemals Gutmachung des Betrugsschadens bewirken, und zwar auch dann nicht, wenn das Spiel gegen die guten Sitten verstieße. Daran würde es nichts ändern, wenn vorliegend die betreffenden Spielautomaten - was im Verfahren keineswegs hervorgekommen ist und lediglich vom Beschwerdeführer als eine an sich im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Neuerung vorgebracht wird - tatsächlich gemäß § 4 Wiener GlückspielG. verboten sein sollten. Denn selbst wenn sich aus diesem Umstand ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Rückzahlung des in diese Automaten eingeworfenen Geldes ableiten ließe, so könnte dieser nicht unmittelbar gegen den Betrugsschaden aufgerechnet und seine Nichtgeltendmachung als Schadensgutmachung gewertet werden. Mangels Schadensgutmachung war daher auch die Frage tätiger Reue im Sinne des § 167 Abs 2 Z. 1 StGB. nicht indiziert.

Hinsichtlich des Punktes 2 des Schuldspruches war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Ungeachtet der teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Rückverweisung der Sache an das Erstgericht im Umfang dieser Aufhebung fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, weil jedenfalls ein Teil des Schuldspruches aufrecht geblieben ist (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO. Nr. 11 zu § 390 a).

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