Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A) I. 1. und 2. sowie in der rechtlichen Beurteilung des zu Punkt II. angenommenen Verhaltens als (weiteres) Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG, gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Angeklagten Tugrul Y***** in den Schuldsprüchen A) III. 1. und 3. betreffend die Bestimmung des Angeklagten B***** zu den in A) I. 1. und 2. sowie II. angeführten Tathandlungen, demgemäß auch in den die Angeklagten Fahrettin Osman B***** und Tugrul Y***** treffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Fahrettin Osman B***** und Tugrul Y***** sowie die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten Fahrettin Osman B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche sowie Schuldsprüche von Mitangeklagten enthält, wurden Fahrettin Osman B***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG sowie Tugrul Y***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung) in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider
A) Suchtgift in großen Mengen (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt
oder zur Inverkehrsetzung durch einen anderen beigetragen, und zwar
I. Fahrettin Osman B***** gewerbsmäßig, indem er
1. von ca September bis Mitte Oktober 2004 rund 60 Gramm Heroin brutto an Claudia K***** verkaufte,
2. zu nicht mehr feststellbaren Zeiten im Jahr 2004 insgesamt rund 20 Gramm Heroin dem Orkun Y***** verkaufte,
3. am 17. November 2004 rund 74,66 Gramm Heroin brutto mit einem ca 50 %igen Wirkstoffgehalt an Erkan Ka***** verkaufte,
II. Fahrettin Osman B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gleichzeitig verurteilten Erkan Ka***** als Mittäter, indem sie im September 2004 ein Päckchen mit 20 Gramm Heroin brutto der Claudia K***** verkauften,
III. Tugrul Y***** indem er
1. von ca September bis Mitte Oktober 2004 Fahrettin Osman B***** und Erkan Ka***** beauftragte die in Punkt A) I. 1. und II. angeführten Heroinmengen von ca 60 und ca 20 Gramm Heroin brutto an Claudia K***** zu verkaufen, und im Anschluss daran diese beauftragte, die angeführten Mengen nicht ausgeforschten Personen zu übergeben,
2. zu nicht mehr feststellbaren Zeiten im Jahre 2004 Claudia K***** beauftragte, zwei Bälle Heroin mit insgesamt rund 0,4 Gramm brutto an Orkun Y***** zu verkaufen,
3. zu nicht mehr feststellbaren Zeiten im Jahre 2004 Fahrettin Osman B***** und Erkan Ka***** aufforderte, die in den Punkten A) I. 2. und
A) V. 2. genannten Suchtgiftmengen, und zwar rund 20 und rund 10
Gramm Heroin jeweils brutto an Orkun Y***** zu verkaufen, sowie diesen beauftragte, die Briefchen mit Suchtgift jeweils an Homa M***** zu übergeben.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fahrettin Osman B***** ist teilweise im Recht.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) liegt eine Undeutlichkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht vor. Die von der Beschwerde zitierten Ausführungen des Urteils lassen eindeutig und unzweifelhaft erkennen, dass alle Angeklagten mit Vorsatz gehandelt haben und der Nichtigkeitswerber darüber hinaus die Absicht hatte, durch wiederholtes Inverkehrsetzen jeweils die Grenzmenge von 3 Gramm Heroin überschreitender Mengen in Teilmengen sich ein fortlaufendes Einkommen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen (US 16/17).
Warum solche Konstatierungen „für jeden einzelnen Angeklagten gesondert" hätten erfolgen sollen, wird nicht dargelegt. Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Vorbringen zur subjektiven Tatseite wiederholt und „konkrete Feststellungen zum subjektiven Tatbestand" fordert, missachtet sie die diesbezüglichen (in der Beschwerde neuerlich zitierten) Konstatierungen zum Vorsatz und zur Absichtlichkeit. Sie legt nicht dar, welche Feststellungen darüber hinaus notwendig gewesen wären.
In diesem Umfang kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu. Sie war daher insoweit - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung des Angeklagten - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Im Recht ist allerdings der Einwand, das Erstgericht habe zum Urteilsfaktum A) I. 2. keine Feststellungen getroffen und hiedurch einen Rechtsfehler begangen (Z 9 lit a). Tatsächlich finden sich hiezu in den Urteilsgründen keine Ausführungen. Die Bezeichnung der Tat im Urteilsspruch vermag aber die Feststellung des wesentlichen Sachverhalts in den Entscheidungsgründen nicht zu ersetzen (Mayerhofer, StPO5 § 270 E 93b ff).
Zum Schuldspruch A) I. 1. besteht der in der Beschwerde aufgezeigte Widerspruch (Z 5 dritter Fall). Während im Urteilsspruch die Übergabe von ca 60 Gramm Heroin brutto angenommen wurde, ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass bei zwei Treffen zwischen dem Angeklagten und Claudia K***** jeweils ein Paket mit ca 20 Gramm Heroin brutto übergeben wurde (US 14 unten).
Der Schuldspruch ist daher in diesem Umfang nichtig und war daher bei nichtöffentlicher Sitzung sofort aufzuheben.
Das Erstgericht geht bei seinen - von einem Additionsvorsatz getragenen - Feststellungen davon aus, dass die in den Punkten A) I.
1. und 2. sowie II. angeführte Menge Heroin (insgesamt 100 Gramm brutto) eine reine Menge von 3 Gramm (Diacetylmorphin) enthielt (US 16 Mitte), jene des Faktums A) I. 3. hingegen eine solche von 36 Gramm, sodass keine „Restmengen" verblieben sind. Da nach Aufhebung der mängelbehafteten Teile nicht feststeht, ob hinsichtlich des zu Punkt A) II. als eines in mehreren Teilen (20 Gramm Heroin brutto entsprechen - feststellungskonform - einer reinen Menge von 0,6 Gramm) weitergegebenen Suchtgiftquantums, welches die große Menge (noch) nicht erreicht, die Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebenter Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall vorliegt, war der Schuldspruch insoweit in der rechtlichen Unterstellung als (weiteres) Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG aufzuheben.
Da dieser Nichtigkeitsgrund auch die diesbezüglichen Schuldspruchfakten des Tugrul Y***** betrifft, der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat, war gemäß § 290 Abs 1 StPO auch zu diesem Angeklagten mit einer Teilkassation des Urteiles vorzugehen. Demzufolge waren auch die die Angeklagten Fahrettin Osman B***** und Tugrul Y***** treffenden Strafaussprüche aufzuheben. Da sich eine Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, war die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285i StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weitere Nichtigkeitsbeschwerde, insbesondere die Strafzumessungsrüge (Z 11). Hiezu bleibt jedoch anzumerken, dass sich nach ständiger Judikatur strafbare Handlungen gegen Leib und Leben gegen dasselbe Rechtsgut wie Suchtgiftsdelikte richten und die zwei Verurteilungen des Angeklagten B***** wegen § 83 Abs 1 StGB daher einschlägige Verurteilungen darstellen (Jerabek in WK² § 71 Rz 8). Mit den Berufungen waren die Angeklagten Fahrettin Osman B***** und Tugrul Y***** ebenso auf diese Entscheidung zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diese beiden Angeklagten betreffenden Berufung.
Im neu durchzuführenden Verfahren wird das Erstgericht bezüglich der aufgehobenen Urteilsfakten widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen und sodann den Sachverhalt rechtlich neu zu beurteilen haben.
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