OGH 10Ob65/07t

OGH10Ob65/07t26.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** E***** V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Thienen-Adlerflycht, Rechtsanwalt in Wien, und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dipl. Ing. Günther M*****, vertreten durch Scherbaum & Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Hans G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 139.364,76 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. April 2007, GZ 2 R 213/06t-192, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Beim Kaufvertrag entstammt die Pflicht zur Aufklärung über mögliche Gefahren der schon vor Vertragsabschluss bestehenden Interessenwahrnehmungspflicht. Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht richten sich nach der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstandes und nach dem vorauszusetzenden Wissensstand des Käufers, somit nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0048335; RS0111165). Der Oberste Gerichtshof hat sich in jüngster Zeit insbesondere in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 27/05x (bbl 2005/152, 209) eingehend mit der Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Gattungskauf auseinandergesetzt und ausgeführt, dass die Aufklärungspflicht des Verkäufers insbesondere beim Gattungskauf im Vergleich zu den Aufklärungspflichten eines Werkunternehmers gegenüber einem nicht fachkundigen Besteller nur eingeschränkter Natur ist und bei Umsatzgeschäften ohne besondere Treue- und Vertrauensbande an den Umfang der Aufklärungspflichten daher nur geringe Anforderungen zu stellen sind (Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 32; RIS-Justiz RS0048335). Insbesondere darf beim Gattungskauf bei Unterlassung der Aufklärung nicht ohne weiteres eine schlüssige Zusage über eine bestimmte Eigenschaft angenommen werden, wenn der Erwerber keine Auskünfte oder Belehrungen verlangt (1 Ob 564/95 = SZ 68/105). Den Verkäufer einer Ware trifft nur dann eine besondere Aufklärungs- und Warnpflicht, wenn diese Pflicht vertraglich übernommen wurde oder wenn sich diese Pflicht gemäß der Verkehrssitte oder aufgrund eines Handelsbrauches als nötig erweist (RIS-Justiz RS0014836). Beispielsweise ist die Aufklärungspflicht dann zu bejahen, wenn der Käufer beim Vertragsgespräch auf einen bestimmten Punkt besonderen Wert legte oder der Verkäufer aufgrund seiner überlegenen Fachkenntnisse zugleich auch beratend tätig wurde (RIS-Justiz RS0014836; 6 Ob 27/05x = bbl 2005/152, 209; jüngst 10 Ob 12/07y). Stammt hingegen die Leistungsbeschreibung von einem vom Käufer beigezogenen Sachverständigen (Zivilingenieur), darf der Verkäufer (der nicht auch Berater war) darauf vertrauen, dass dem Käufer die mit dem konkret beabsichtigten Einsatz des Kaufgegenstandes verbundenen Gefahren angesichts der nach der Lage des Falles vorauszusetzenden Sachkunde bekannt sind. Eine Verpflichtung des Verkäufers zur Aufklärung des Käufers ist daher dann zu verneinen, wenn Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Interessen des Vertragspartners bei objektiver Betrachtung nicht zu erkennen sind (SZ 68/105).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hält sich im Rahmen der dargelegten Grundsätze. Der selbst fachkundige Käufer hat keine Beratung durch die Beklagte in Anspruch genommen. Es hat dazu bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Beklagten als Vertragspartner mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin ein Kälteanlagenbauer, somit ein Sachverständiger iSd § 1299 ABGB, gegenüberstand, der über spezialisiertes Fachwissen verfügte und dessen Bestellung überdies auf eine vom Planer und technischen Berater des Kühlhausbetreibers, ebenfalls einem Sachverständigen iSd § 1299 ABGB, verfasste Ausschreibung, in der die von der Beklagten zu liefernden Geräte bereits genau bezeichnet waren, zurückging. Die Beklagte selbst war in die Planung und Errichtung der Kühlanlage in keiner Weise eingebunden. Da die Planung und Ausschreibung der Anlage von einem für den Kühlhausbetreiber tätigen Techniker stammte, der die Produkte der Beklagten, insbesondere auch die in die Ausschreibung aufgenommenen und bereits mit den konkreten Gerätebezeichnungen bestellten Ventilatoren, kannte, konnte die Beklagte, die selbst nicht Beraterin der Käuferin war, darauf vertrauen, dass der Planer und technische Berater des Kühlhausbetreibers bei der Planung der Gesamtanlage und der dann folgenden Ausschreibung der Lieferung von Teilen, also von im Einzelnen genau beschriebenen Produkten, mögliche Gefahren für den konkreten Betrieb erkannt habe. Weder die Käuferin noch der Anlagenplaner brachten gegenüber der Beklagten zum Ausdruck, dass sie im Zusammenhang mit dem konkreten Einsatzort und Einsatzzweck der Ventilatoren noch näher über deren Eignung informiert und belehrt werden wollten. Der Anlagenplaner übergab der Beklagten weder Planungsunterlagen noch eine Kältebedarfsrechnung sondern gab im Zuge der Bestellung lediglich bekannt, dass er die Ventilatoren für einen „Tiefkühlraum für Beerenfrüchte" benötige. Er wies insbesondere nicht auf die konkreten Einsatzbedingungen hin, nämlich auf den Umstand, dass es sich bei diesem Projekt um eine in Europa einmalige Anlage handelte, bei der große Mengen frischer Beeren in einem 24-Stunden-Betrieb rasch tiefgekühlt werden sollten. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der laut Ausschreibung beabsichtigte Einsatzbereich der Ventilatoren bis zu einer Temperatur von -40 Grad Celsius sei für die Beklagte kein Anlass gewesen, das ihr gar nicht bekannte Konzept für die Kühlanlage zu hinterfragen, weil die von der Beklagten zu liefernden Kühleinheiten - wie die Revision insoweit zutreffend anmerkt: „laut Herstellerangabe" - für alle Einsatzbereiche zwischen -40 und +45 Grad Celsius geeignet sind, ist nicht zu beanstanden. Ein - für die rechtliche Beurteilung relevantes - Abgehen des Berufungsgerichtes von den Feststellungen des Erstgerichtes ist daher nicht zu erkennen. Nach dem Sachverhalt konnte die Beklagte somit weder davon ausgehen, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin vor dem Ankauf der Ventilatoren einer Beratung bedurft hätte, noch hatte sie Kenntnis von den konkreten Einsatzbedingungen der Ventilatoren, sodass sie schon aus diesem Grund keine allfällige Inkompatibilität erkennen konnte. Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, der Beklagten könne eine schuldhafte Verletzung von Aufklärungs- und Schutzpflichten nicht vorgeworfen werden, bewegt sich daher im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen (7 Ob 277/06w; 6 Ob 27/05x = bbl 2005/152, 209; SZ 68/105).

Da sich die angebliche Verletzung von Aufklärungspflichten durch die beklagte Verkäuferin nach den Umständen des Einzelfalls richtet und die Entscheidung des Berufungsgerichtes jedenfalls im Rahmen des durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorgegebenen Beurteilungsspielraumes liegt, war die außerordentliche Revision mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (vgl 10 Ob 12/07y; 3 Ob 127/04d ua).

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