OGH 7Ob54/07b

OGH7Ob54/07b18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 39.788,65 sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2007, GZ 6 R 212/06y-24, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind Gefahren und Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu einem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (7 Ob 69/00y; 7 Ob 174/01s jeweils mwN ua). Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich fragt, gilt im Zweifel als erheblich (§ 16 Abs 1 letzter Satz VersVG; 7 Ob 266/02x mwN; RIS-Justiz RS0080628). Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen ist es nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte. Es reicht aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RIS-Justiz RS0080637). Der Versicherte ist dafür beweispflichtig, dass auch die richtige Beantwortung der an ihn gestellten Frage nicht geeignet gewesen wäre, den Entschluss des Versicherers zum Vertragsabschluss in irgendeiner Weise zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0080787). Nach Lehre und Rechtsprechung sind an die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt, insbesondere dann, wenn die gestellten Fragen - wie hier - Individualtatsachen betreffen, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (7 Ob 174/01s, VersR 2001, 530 mwN; 7 Ob 266/02x; RIS-Justiz RS0080641). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (RIS-Justiz RS0080572). Ist der Vorschrift des § 16 Abs 1 VersVG zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben, so kann der Versicherer nach § 16 Abs 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann sich der Versicherer aber auch ohne Vertragsauflösung auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er von der Verletzung der betreffenden vorvertraglichen Obliegenheit (Anzeigepflicht) erst nach dem Versicherungsfall erfahren hat (7 Ob 14/93, VersE 1568 = VR 1994, 29 = VersR 1994, 627; 7 Ob 57/05s; 7 Ob 120/05f; 7 Ob 250/06z; RIS-Justiz RS0080523; Grubmann, VersVG5 § 16 E 60; Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 116).

Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Kläger und demzufolge Leistungsfreiheit des beklagten Versicherers angenommen. Der Kläger habe in seinem Antrag auf Abschluss der Unfallversicherung am 12. 12. 2001 bei Beantwortung der im Antragsformular gestellten Frage nach Vorunfällen wohl einen Sportunfall vom 15. 1. 2000 (mit Verletzung der linken Schulter), nicht aber einen Unfall vom 7. 1. 2001 (bei dem er sich an der rechten Schulter verletzte) angeführt. Da die Beklagte von dieser Obliegenheitsverletzung erst nach dem klagsgegenständlichen Unfall vom 13. 2. 2003 Kenntnis erlangt habe, sei sie - ungeachtet des Umstandes, dass sie vom Versicherungsvertrag nicht zurückgetreten sei - leistungsfrei.

Der Revisionswerber hält diese Rechtsansicht deshalb für grob rechtsfehlerhaft und daher revisibel, weil die Beklagte aufgrund einer Schadensmeldung betreffend einen weiteren Unfall des Klägers vom 19. 7. 2002 spätestens ab 22. 8. 2002 gewusst habe, dass bei ihm operativ sanierte Verletzungen beider Schultern vorgelegen seien. Auch habe er schon im Antrag im Jahr 2001 die Frage nach einer Minderung der Arbeitsfähigkeit bejaht. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Recherchen vorzunehmen, die ihr Kenntnis vom Unfall vom 7. 1. 2001 verschafft hätten. Die Verneinung einer solchen Nachforschungspflicht durch das Berufungsgericht steht mit oberstgerichtlicher Judikatur im Einklang (vgl 7 Ob 23/86 und 7 Ob 24/90). Nach ständiger Rechtsprechung entfällt die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nur insoweit, als der Versicherer die Umstände bereits kennt. Ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht (RIS-Justiz RS0080719). Ob hier die Beklagte zum Zeitpunkt des Unfalls über den Vorunfall vom 7. 1. 2001 bereits ausreichend informiert war und demnach die Nichterwähnung dieses Unfalls durch den Kläger keine Verletzung der betreffenden vorvertraglichen Obliegenheit (§ 6 Abs 1 VersVG) darstellte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit stellt dies keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Das ist aber nicht der Fall: Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei hinsichtlich des Unfalls vom 7. 1. 2001 nicht (ausreichend) informiert gewesen und habe von der vorvertraglichen Obliegenheitsverletzung des Verschweigens dieses Vorunfalls durch den Kläger erst nach dem Versicherungsfall erfahren, ist jedenfalls vertretbar.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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