OGH 7Ob23/86

OGH7Ob23/8626.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***, Kaufmann, Graz, Karlauerstraße 33, vertreten durch Dr.Werner Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei SUN I*** O*** Limited, Direktion für Österreich, Wien 1., Dr.Karl Lueger-Ring 10, vertreten durch Dr.Wolfgang Taussig, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 109.250,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Jänner 1986, GZ.2 R 228/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.Juli 1985, GZ.21 Cg 115/84-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 514,35 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist von der mit dem Kläger abgeschlossenen Unfallversicherung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Kläger zurückgetreten. Der Kläger bestreitet eine Verletzung der Anzeigepflicht und begehrt die Versicherungsleistung für zwei Unfälle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen hatte der Kläger am 26.3.1979 einen größeren Unfall mit einer Verletzung des rechten Beines erlitten, der zu einer Dauerinvalidität von 10 % führte. Einen weiteren

Unfall - Meniskusverletzung rechts - hatte der Kläger am 13.10.1980, bei dem eine Dauerinvalidität von 20 % festgestellt wurde. Am 13.7.1981 war es im Bereich des rechten Knies zu einer weiteren Verletzung und am 14.6.1982 schließlich zu einer Verletzung des rechten Sprunggelenkes gekommen. Der Kläger war bei der N*** Versicherung und bei der V*** Versicherung unfallversichert und erhielt für die obgenannten Unfälle mit Ausnahme des Unfalles vom 13.7.1981 Versicherungsleistungen. Die Versicherungsverträge wurden jedoch von den Versicherern wegen Schadenshäufigkeit aufgekündigt. Der Versicherungsmakler Ottokar F*** empfahl dem Kläger die beklagte Partei und füllte ein von der V*** Versicherung stammendes Antragsformblatt aus. Die darin enthaltene Frage nach bereits erlittenen Unfällen wurde positiv beantwortet und der Unfall vom Jahre 1980 mit der Meniskusverletzung angegeben. Der Kläger unterfertigte das Antragsformblatt. Er war der Ansicht, der Versicherungsmakler, der für ihn bisher alle Versicherungsangelegenheiten abgewickelt hatte, müsse die einzelnen Unfallsdaten kennen. Eine telefonische Anfrage der beklagten Partei, wie die Verletzung entstanden sei, beantwortete Ottokar F*** mit dem Hinweis, man könne sich bei den Vorversicherungen V*** und N*** erkundigen, die die Unterlagen über die einzelnen Unfälle hätten. Daß sich die beklagte Partei tatsächlich erkundigt habe, konnte nicht festgestellt werden.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei ein Rücktritt des Versicherers nicht nur dann ausgeschlossen, wenn er den nicht angezeigten gefahrerheblichen Umstand tatsächlich gekannt habe, sondern auch dann, wenn er sich - wie im vorliegenden Fall - diese Kenntnis leicht verschaffen hätte können.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Ansicht, daß nur eine positive Kenntnis des nicht angezeigten Umstandes durch den Versicherer dessen Rücktritt ausschließe. Da zu dieser Frage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle, erklärte das Berufungsgericht die Revision für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Nach § 16 Abs.3 VersVG ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte oder wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kennenmüssen des Versicherers für den Ausschluß des Rücktrittsrechtes genügt, ist davon auszugehen, daß zwar an und für sich der Versicherer sich um die Kenntnis der gefahrerheblichen Umstände zu bemühen hätte. Er hätte die Gefahrenlage zu erforschen. Die der Eigenart der Versicherung folgende Rechtsentwicklung hat aber nicht dem Versicherer eine Erkundungspflicht, sondern dem Versicherungsnehmer im Interesse der Gefahrengemeinschaft eine vorvertragliche Anzeigepflicht auferlegt (Bruck-Möller, VVG 8 I 316). Aufgrund dieser Rechtsentwicklung ist daher, da den Versicherer grundsätzlich keine Erkundungspflicht trifft, die aufgeworfene Rechtsfrage in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht dahin zu entscheiden, daß nur die Kenntnis der anzeigepflichtigen Umstände durch den Versicherer sein Rücktrittsrecht ausschließt, ein bloßes Kennenmüssen aber nicht genügt (vgl. Bruck-Möller aaO 324 f). Für den Umfang der Anzeigepflicht wurde dies auch vom Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen (VersR 1984,900). Die telefonische Anfrage des Angestellten der beklagten Partei betraf nur den Hergang des angezeigten Unfalls. Nur insoweit konnte die Antwort des Versicherungsmaklers als ungenügend oder mißverständlich angesehen werden. Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, daß dem Versicherer kein Rücktrittsrecht zusteht, wenn er trotz Nichtbeantwortung von Antragsfragen oder trotz mißverständlicher Antworten den Vertrag geschlossen hat.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichte über das Vorliegen gefahrerheblicher Umstände, über das Verschulden des Versicherungsnehmers bei Beantwortung von Individualtatsachen durch Unterfertigung eines von einem Versicherungsvertreter unrichtig oder unvollständig ausgefüllten Antragsformulars entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (VersR 1984,900; SZ 54/22; VersR 1977,462 uva), sodaß insoweit keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO vorliegen. Dies gilt auch für die Frage der Beweislast hinsichtlich des fehlenden Kausalzusammenhanges zwischen dem nicht oder falsch angezeigten erheblichen Gefahrenumstand und dem Eintritt des Versicherungsfalles bzw. dem Umfang der Leistungspflicht des Versicherers (VersR 1984,900; 7 Ob 44/80) und die Anforderungen an den Kausalitätsgegenbeweis. Die bloße Unwahrscheinlichkeit der Mitursächlichkeit vorangegangener Verletzungen für eine weitere Verletzung reicht für den Kausalitätsgegenbeweis im Sinne des § 21 VersVG nicht aus (7 Ob 44/80).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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