OGH 15Os20/06i

OGH15Os20/06i15.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stephan T***** wegen des Verbrechens nach § 3g VG und einer weiteren strafbaren Handlung, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 13. Dezember 2005, GZ 39 Hv 204/05g-138, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, es werden der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1./ und das darauf beruhende angefochtene Urteil im Schuldspruch zu 1./, demzufolge auch der den Angeklagten betreffende Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stephan T***** der Verbrechen nach § 3g VG sowie der Vorbereitung eines Verbrechens durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel nach § 175 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Lana und anderen Orten Italiens

1. in den Jahren 2001 bis Anfang August 2002 sich auf andere als in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er Mitglied der neonationalsozialistisch, rassistisch und antisemitisch geprägten Organisation „N*****" war, dieser seine Mitarbeit anbot und für sie eine Übersetzung einer Rezension der „Turner Tagebücher" zur Verfügung stellte und über Internet fremdenfeindliche, rassistische und neonationalsozialistische Äußerungen durch die angeführte Internetkommunikation mit Alfred H***** tätigte:

Alfred H*****:

„Später, was nützt uns all die Namen, wenn wir sie nicht liquideren

können (die Brut ist zahlreich)?"

Stephan T*****:

„Hat auch jetzt schon praktischen Wert. Wenn Dir Handlungen und/oder Aussagen bestimmter Leute suspekt vorkommen, wenn Du jemanden überprüfen willst - die Datenbank könnte Dir neue Einsichten erschließen. Ob´s derzeit den Aufwand wert ist, weiß ich nicht so genau."

Alfred H*****:

„Wir müssen nur diejenigen erwischen, die an der Macht sind."

Stephan T*****:

„Das kann man schon heute. Stimmt."

Alfred H*****:

„Wenn das Monster keinen Kopf mehr hat, stirbt der Rest ...".

Stephan T*****:

„Todfalsch. Kann ich absolut nicht beipflichten! Dieses Mal werden wir so gegen diese Brut vorgehen müssen, dass keiner übrig bleibt - nicht mal der nette jüdische Rentner von nebenan oder das süße Judenkind in der Wiege! Diese Plage muss ausgerottet werden oder sie kommen immer wieder! Solange es diese Kreaturen auf unserer Welt gibt, die den Weltherrschaftskomplex und den Geist der Besetzung schon genetisch in sich tragen, werden die Völker dieser Erde nie in Frieden und gegenseitiger Achtung leben können! Für die anderen Drecksrassen gilt meiner Meinung nach dasselbe, was WLP (gemeint: William Luther Pierce) in den TD (gemeint: den TURNER TAGEBÜCHERN = Turner Diaries) schon beschrieben hat: Abschieben - Wenn´s sein muss, mit Gewalt. Die Mischlinge werden besonders abgeschoben: Zwei Meter unter die Erde".

Alfred H*****:

„Diejenigen, die für uns kämpfen werden garantiert nicht liquidiert."

Stephan T*****:

„Na, unsere Kämpfer werden wir nun nicht den Kopf abschlagen wollen, ist logisch. Hab' ich Dich hier falsch verstanden?"

Alfred H*****:

„Allerdings werden Verräter ins Gras beißen müssen und die habe

leider keine typisch-jüdischen Familiennamen."

Stephan T*****:

„Ja. Ein Job für etliche 'Unsichtbare'."

2. im Laufe des Jahres 2002 in der Absicht, sich oder einem anderen die Begehung einer nach § 173 StGB mit Strafe bedrohten, wenn auch noch nicht bestimmten Handlung zu ermöglichen, einen Sprengstoff, einen Bestandteil eines Sprengstoffs oder eine zur Herstellung oder Benutzung eines Sprengstoffs erforderliche Vorrichtung gefertigt, indem er scharfe Sprengkörper gebaut und mehrere Sprengkapseln, eine große Anzahl von Rohren, Zündschnüren und eine Unmenge von chemischen und elektrischen Materialien, die zur Herstellung von Sprengsätzen und Rohrbomben dienen sollten, besessen hat.

Die anklagekonform gestellten Hauptfragen 1./ und 2./ wurden von den Geschworenen - unter Entfall der Textpassagen „gegenüber zahlreichen Personen" und „insbesondere in der folgend beispielsweise", jeweils in Hauptfrage 1./ - bejaht. Zusatz- und Eventualfragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8, 9, 10a, 11 lit a und 11 lit b, 12 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Dem in der Rechtsrüge (Z 11 lit a) unter Hinweis auf den Normzweck „des § 3 VG" erhobenen Einwand, „aus dem Akt" (gemeint wohl: aus dem dem Wahrspruch zu Grunde liegenden Sachverhalt) sei - außer der Tatsache der österreichischen Staatsbürgerschaft des Rechtsmittelwerbers - kein Bezug zu Österreich zu erkennen, kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Die Bestimmung des § 3g VG umfasst - im Sinne einer Generalklausel - jede nicht unter die §§ 3a bis 3f dieses Gesetzes fallende Art nationalsozialistischer Betätigung. Ihr Tatbild besitzt eine große Reichweite und kann durch Handlungen verschiedenster Art verwirklicht werden (SSt 57/40). Darunter fällt insbesondere auch die Verherrlichung oder die Anpreisung von Zielen, Einrichtungen oder Maßnahmen der NSDAP, mag dies auch nicht zum Zweck der Aufforderung zu nach § 1 oder § 3 VG sonst verbotenen Handlungen geschehen. Überhaupt stellt jede völlig einseitige, propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen und Ziele eine Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz dar (SSt 57/40; EvBl 1993/8; 15 Os 49/04).

Das Verbrechen nach § 3g VG ist als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert und setzt demnach weder den Eintritt des tätergewollten Erfolges noch eine konkrete Gefährdung voraus (Lässig in WK2 VG § 3g Rz 8 mwN). Für die Verwirklichung des Tatbestandes ist daher eine konkrete Gefährdung staatlicher Interessen, wie der Unabhängigkeit und territorialen Integrität und der österreichischen Staats- und Verfassungsordnung (13 Os 1/72), ebensowenig erforderlich wie die auch nur potentielle Gefährlichkeit der Betätigung, wird diese vom Gesetzgeber doch generell präsumiert (RIS-Justiz RS0079913; Mayerhofer, Nebenstrafrecht5 § 3g VG E 8 f). Anders als die Bestimmungen der §§ 3d und 3h VG setzt § 3g VG auch keine qualifizierte Publizitätswirkung voraus, sodass grundsätzlich jede nach außen hin in Erscheinung tretende und für die Außenwelt wahrnehmbare Betätigung im nationalsozialistischen Sinn tatbestandlich wirkt (Mayerhofer aaO § 3g VG E 31a = EvBl 1994/84). Zweck des Verbotsgesetzes und sohin auch dessen § 3g ist es, die demokratisch-freiheitliche Entwicklung Österreichs zu schützen und jene niederzuhalten, die den Nationalsozialismus, wie er sich in Österreich von 1938 bis 1945 etabliert hatte, wiedererwecken wollen, und jedwede nationalsozialistischen Umtriebe im Keim zu ersticken (Mayerhofer aaO § 3g VG E 3, 12 Os 72/92). Auch das (neben § 3a Z 1 iVm § 1 VG bestehende) Verbot der Gründung einer Verbindung, deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, und jeglicher Teilnahme an einer solchen Organisation sowie deren Unterstützung (vgl §§ 3a Z 2 bis 4, 3b VG) zeigen, dass es auch Zielrichtung der Untersagung der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise ist, jegliche nationalsozialistische Agitation im Inland zu unterbinden oder denkmögliche Auswirkungen einer derartigen propagandistischen Tätigkeit im Ausland auf den Rechtsfrieden und die staatliche Ordnung im Inland hintanzuhalten (vgl auch 9 Os 35/62, wonach § 3g VG seinem Wesen nach als Hochverratsdelikt eingestuft wird und eine Auslandstat in Beziehung auf die Republik Österreich begangen werden muss). Zur Erfüllung der inneren Tatseite des Verbrechens nach § 3g VG wird daher zumindest bedingter Vorsatz des Täters verlangt, der darauf gerichtet ist, durch seine Betätigung die im Frühjahr 1945 geschaffene staatliche Ordnung (auch) in Österreich zu untergraben, indem er die Ziele des Nationalsozialismus, wie sie in den Jahren 1938 bis 1945 (nicht nur) in Österreich ihre Auswirkung fanden, zu verfolgen und zu neuem Leben zu erwecken sucht (SSt 57/40, 13 Os 45/00).

Von § 3g VG wird somit jedes nicht unter die §§ 3a bis 3f VG fallende Verhalten erfasst, soweit diesem die Eignung zukommt, irgendwelche Zielsetzungen des Nationalsozialismus - wie oben dargelegt - im Inland oder zumindest mit Auswirkung auf die Republik Österreich zu propagieren und solcherart zu aktualisieren (vgl 15 Os 155/93), der Tat also auch ein propagandistischer Effekt innewohnt, der - wie bereits erläutert - nach den Vorstellungen des Täters seine Wirkung auch auf österreichischem Staatsgebiet entfaltet (vgl SSt 57/40). Dem Erfordernis eines so verstandenen Inlandsbezuges kommt aber der logische Vorrang vor der Anwendung der Regeln der §§ 62 ff StGB zu (Leukauf/Steininger Komm3 Vorbem §§ 62 ff Rz 11, Kathrein in WK2 Vorbem zu §§ 62 bis 67 Rz 50), sodass sein Fehlen selbst für den Fall des Bestehens einer das in Rede stehende Verhalten erfassenden identischen Norm nach den Gesetzen des Tatortes (§ 65 Abs 1 StGB) die Strafbarkeit nach dem Verbotsgesetz im Inland ausschließen würde. Unter diesen Prämissen lässt das dem Verdikt zugrunde liegende, durchwegs im Ausland gesetzte Täterverhalten jedoch jeglichen Hinweis vermissen, auf Grund welcher bestimmter Tatsachen die Mitgliedschaft des Angeklagten bei der offenbar in den Vereinigten Staaten von Amerika etablierten Organisation „N*****", die Übersetzung einer Rezension der „Turner Tagebücher" und seine fremdenfeindlichen, rassistischen und nationalsozialistischen, im Wahrspruch wörtlich wiedergegebenen Äußerungen ausschließlich gegenüber dem offenbar in der Schweiz aufhältigen (S 27/VI) Alfred H***** im Rahmen einer mit ihm getätigten Internetkommunikation (zu ergänzen: im E-Mail-Verkehr durch Versenden „verschlüsselter" Dateien; siehe S 331 f/I), in deren Verlauf er auf eine der zentralen nationalsozialistischen Zielsetzungen (siehe dazu Mayerhofer aaO § 3g VG E 23 ff), nämlich die (aus seiner Sicht bestehende) Notwendigkeit der (weltweiten) Vernichtung des Judentums hinwies, geeignet gewesen sein sollten, eine von § 3g VG vorausgesetzte - und daher notwendigerweise vom Vorsatz des Täters umfasste - propagandistische Wirkung auch in Österreich zu entfalten. Ein solcher Propagandaeffekt lässt sich aus dem vorliegenden, nur im Versenden verschlüsselter Dateien bestehenden E-Mail-Verkehr mit bloß einem einzigen Kommunikationspartner jedenfalls nicht unmittelbar erschließen. Ferner lässt das zur Hauptfrage 1./ ergangene Verdikt nicht erkennen, worin sich die nationalsozialistische, rassistische und antisemitische Prägung der Organisation „N*****" manifestierte (vgl bereits S 229 ff/I) und aufgrund welcher konkreten Inhalte die „Turner Tagebücher" und deren vom Angeklagten übersetzte Rezension Akte nationalsozialistischer Wiederbetätigung darstellten. Im geschworenengerichtlichen Verfahren sind jedoch gemäß § 312 StPO alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt-)Frage aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung (nach Ort, Zeit, Gegenstand udgl) der dem Täter angelasteten Tat(en) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfung dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13 StPO) gewährleistet (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 24; 12 Os 61/06x). Dies gilt um so mehr bei der sehr weit reichenden Bestimmung des § 3g VG, weshalb eine nach diesem Tatbestand gestellte Hauptfrage an die Geschworenen die Anführung jener konkreten Tatumstände erfordert, die eine Handlung als Betätigung im nationalsozialistischen Sinne erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0079817).

Das Versäumnis des Schwurgerichtshofes, im Rahmen der Schuldfrage nach einem konkreten historischen Geschehen zu fragen, begründet zwar prinzipiell Nichtigkeit aus Z 6 des § 345 Abs 1 StPO (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 40 f), Rechtsfehler unter dem Gesichtspunkt fehlender Feststellungen - wie hier der Fall - werden jedoch von Z 11 lit a erfasst (RIS-Justiz RS0120637, 12 Os 61/06x).

Weil schon dieser Mangel die im Spruch bezeichnete Kassation und insoweit die Anordnung der Verfahrenserneuerung erforderte, bedurfte das übrige Beschwerdevorbringen zu 1./ keiner Erörterung. Zur Klarstellung sei jedoch darauf hingewiesen, dass die vom Beschwerdeführer vermisste Stellung einer Eventualfrage nach § 283 StGB in der Hauptverhandlung vorgekommene Anhaltspunkte für eine öffentliche Tatbegehung zur Voraussetzung hat. Ferner sieht das Gesetz eine Fragestellung nach einer Verwaltungsübertretung, im konkreten Fall nach Art IX Abs 1 Z 4 EGVG, und demzufolge auch die vom Rechtsmittelwerber begehrte Instruktion hiezu nicht vor (Schindler, WK-StPO § 317 Rz 8, Fabrizy StPO9 § 345 Rz 12). Sollte das erneuerte Verfahren den erforderlichen Inlandsbezug des angelasteten Tatverhaltens indizieren, wird dies bei der Fragestellung entsprechend zu berücksichtigen sein. Als unbegründet erweist sich jedoch das gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vorbereitung eines Verbrechens durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel nach § 175 Abs 1 StGB gerichtete Vorbringen:

Die aus Z 4 erhobene Behauptung, das Erstgericht habe ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überwachung die Ergebnisse der vom Angeklagten von Italien aus geführten Internet-Telekommunikation „dem Urteil zu Grunde gelegt", zeigt keine ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohte Gesetzesverletzung (hier offenbar gemeint: des § 149c Abs 3 StPO) in der Hauptverhandlung auf. Denn das in Rede stehende Beweismaterial wurde nicht durch die Überwachung einer Telekommunikation, sondern durch Sicherstellung der beim Nichtigkeitswerber im Zuge der Hausdurchsuchung am 11. August 2002 vorgefundenen Datenträger erlangt (siehe S 63/I, vgl auch S 95/V) und ist damit dem Schutzbereich des § 149c Abs 2 StPO entzogen (Reindl, WK-StPO § 149a Rz 15). Zum anderen vermögen die ohne Veranlassung eines inländischen Gerichtes entfalteten Ermittlungsmaßnahmen der italienischen Strafverfolgungsbehörden ohnehin keine Nichtigkeit nach § 149c Abs 3 StPO zu begründen, stellt doch diese Bestimmung nur auf Überwachungsergebnisse iSd § 149a Abs 1 Z 2 StPO, mithin nur auf solche Grundrechtseingriffe ab, die (von einem österreichischen Gericht) nach dem V. Abschnitt des XII. Hauptstücks der StPO angeordnet wurden (vgl 14 Os 47/04 und 11 Os 133/05a zur - insoweit vergleichbaren - Bestimmung des § 149h Abs 2 StPO).

Soweit die Fragenrüge (Z 6) die Stellung einer Zusatzfrage nach tätiger Reue gemäß § 175 Abs 2 StGB vermisst, wird sie nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht, weil sie mit dem bloßen Verweis auf das Gutachten des Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Inneres zu den beim Angeklagten gefundenen chemischen Substanzen und deren Zündung, bei der er sich selbst verletzte, keine konkreten in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen für das Vorliegen dieses (insbesondere Freiwilligkeit voraussetzenden) Strafaufhebungsgrundes bezeichnet. Die Instruktionsrüge (Z 8) legt nicht dar, welche konkrete Belehrung den Geschworenen zu erteilen gewesen wäre, womit es ihr an der Ausrichtung am Gesetz gebricht (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65). Im Übrigen ist die Rechtsbelehrung (§§ 321, 323 Abs 1 StPO) nur zur Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, zur Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Gesetzesbegriffe, zum Verhältnis der gestellten Fragen zueinander sowie zu den Folgen deren Bejahung oder Verneinung zu erteilen (Ratz aaO § 345 Rz 53). Hinsichtlich nicht gestellter Fragen kann eine falsche oder unvollständige Aufklärung der Geschworenen hingegen nicht aus Z 8 angefochten werden (Ratz aaO § 345 Rz 21 und 63 f).

Aus dem in § 65 Abs 1 StGB verankerten Prinzip beiderseitiger Strafbarkeit ergibt sich für das Geschworenenverfahren das Erfordernis, die Hauptfrage an den Elementen sowohl der inländischen als auch der ausländischen Strafbestimmung auszurichten und die Laienrichter über all diese Elemente zu instruieren. Demnach sind dann, wenn die ausländische Norm für die Strafbarkeit im Tatortstaat auf ein zusätzliches, dem inländischen Strafgesetz fremdes Deliktsmerkmal abstellt, Fragestellung und Rechtsbelehrung auch darauf zu erstrecken.

In diesem Sinne wurden die Geschworenen über den Strafbarkeit in Italien begründenden Begriff des Sprengstoffes ausführlich belehrt (siehe Seite 11 der Instruktion).

Zu der ferner vermissten Belehrung über Verwaltungsstrafbestimmungen nach dem Pyrotechnikgesetz wird auf die obigen Ausführungen zu Art IX Abs 1 Z 4 EGVG verwiesen.

Auf die Niederschrift der Geschworenen gemäß § 331 Abs 3 StPO kann eine Tatsachenrüge (Z 10a) erfolgversprechend nicht gegründet werden (RIS-Justiz RS0115549). Aber auch die unsubstanziierte Bezugnahme auf die italienischen Ermittlungsergebnisse zu den beim Angeklagten sichergestellten Materialien, die Weigerung der italienischen Behörden, einen informierten Vertreter zur Verhandlung zu entsenden, und die - nicht näher dargelegte - Behauptung, der Amtssachverständige des Bundesministeriums für Inneres habe die Eignung der gefunden Materialien als Sprengstoff, die Anzahl und Qualität der Sprengkapseln, die Anzahl von Rohren, Zündschnüren und elektrischen Materialien sowie deren Eignung zur Herstellung von Sprengsätzen und Rohrbomben sowie für die Begehung einer strafbaren Handlung nach den §§ 171 oder 173 StGB deutlich relativiert, werden erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen, insbesondere zur subjektiven Tatseite des Angeklagten nicht erzeugt. Denn der - auch gerichtlich beeidete (vgl S 67/VI) - Sachverständige Amtsdirektor Ing. Ernst H***** legte nachvollziehbar dar, dass der Angeklagte über einen wirksamen Initialsprengstoff verfügte (S 71/VI) und die weiteren Materialien, die eine Sprengung im großen Ausmaß ermöglichen, jederzeit zu beschaffen sind (S 77, 81/VI).

Unter den Nichtigkeitsgründen der Z 4, 11 lit a und 11 lit b (der Sache nach ausschließlich Z 11 lit a) wird lediglich begründungslos unterstellt, jedoch nicht aus dem Gesetz abeleitet, weshalb angesichts der italienischen Strafbestimmungen und des § 65 StGB, „einerseits aufgrund der Zuständigkeit italienischer Gerichte, andererseits mangels Strafbarkeit in Italien", eine Strafbarkeit im Inland nicht bestehen soll.

Ebenfalls unbegründet bleibt die Subsumtionsrüge (Z 12) mit ihrer Behauptung, das Tatverhalten wäre richtiger Weise „nach § 174 StGB ... in Verbindung mit den einschlägigen italienischen Strafnormen" zu beurteilen gewesen. Daran vermag auch der exemplarische Verweis auf Art 435, 678 und 703 des italienischen Strafgesetzbuches (codice penale) nichts zu ändern, wird doch damit nicht aufgezeigt, warum diese Bestimmungen einer Heranziehung des (italienischen) Gesetzes Nr. 497 vom 14. Oktober 1974 (ON 26) iSd § 65 Abs 1 StGB entgegen stehen sollten.

Der im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 12, inhaltlich Z 13) erhobene unsubstanziierte Vorwurf mangelnder Berücksichtigung der Arten der italienischen Strafen, der Kriterien der Strafbemessung des italienischen Rechts, der Fragen der Vorhaftanrechnung, der bedingten Nachsicht und der Voraussetzungen für die Diversion in Italien bei der Beurteilung des Günstigkeitsprinzips lässt seinerseits außer Acht, dass die Strafe auch nach Maßgabe der Günstigkeitsklausel des § 65 Abs 2 StGB immer nach österreichischem Recht zu bemessen ist. Die idente ausländische Norm ist bei der Strafzumessung bloß insoweit zu berücksichtigen, dass der Täter in der Gesamtauswirkung, insbesondere nach Art und Dauer der Strafe, nicht ungünstiger gestellt wird, als es nach dem Tatortrecht der Fall wäre (U. Kathrein WK² § 65 Rz 6 f; Fabrizy StGB9 § 65 Rz 3). Eine solche Benachteiligung wird vom Nichtigkeitswerber aber weder konkret behauptet noch nachvollziehbar dargelegt.

Der in der Sanktionsrüge (Z 13) ebenfalls ohne jegliche Begründung erhobene Vorwurf, „das Gericht" habe „die Bestimmungen über die Strafbemessung verletzt, indem es die Frage des günstigeren Tatortrechtes unrichtig gelöst hat", lässt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Tatumstände vermissen, die den herangezogenen Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§§ 344 iVm 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO); somit ist er aber einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren daher der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1./, der darauf beruhende Schuldspruch (1./) und demzufolge auch der Strafausspruch bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck zu verweisen (§§ 285e, 344 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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