Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, es werden das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu 1./ sowie der diesem zugrunde liegende Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage l./, demzufolge auch der den Angeklagten Siegfried K***** betreffende Strafausspruch sowie der Beschluss über die Anordnung von Bewährungshilfe und die Erteilung einer Weisung aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - angefochtenen Urteil, das auch weitere in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Angeklagter enthält, wurde Siegfried K***** (zu 1./ und 6./) des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) nach § 3g VG schuldig erkannt.
Danach hat er sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar 1./ von Jänner bis April 2002 in Reith bei Kitzbühel durch den Besitz von CDs und Datendateien mit fremdenfeindlichem, verhetzendem und NS-propagandistischem - im Urteil unter a) bis v) detailliert dargestelltem - Inhalt;
6./ am 17./18. November 2001 in Kitzbühel in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit Martin W***** und Markus Sch*****, indem sie in der Discothek "Olympia" lautstark die Parolen "Sieg Heil", "Heil Hitler", "Ausländer raus", "Es lebe der Führer", "Der Führer kommt wieder" riefen und den (sogenannten) Hitlergruß zeigten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 11 lit a (betreffend Faktum 1./) sowie Z 10a (betreffend Faktum 6./) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist teilweise im Recht. Der Beschwerdeführer weist unter Z 6 zutreffend darauf hin, dass die Hauptfrage l./ - auch wenn sie dem Anklagesatz entsprach (vgl Schindler WK-StPO § 312 Rz 11, 15) - verfehlt war, weil es ihr an der nötigen Individualisierung des von der Anklage erfassten Tatgeschehens mangelte.
Die Bestimmung des § 3g VG umfasst - im Sinne einer Generalklausel - jede nicht unter die §§ 3a bis 3f dieses Gesetzes fallende Art nationalsozialistischer Betätigung. Ihr Tatbild besitzt eine große Reichweite und kann durch Handlungen verschiedenster Art verwirklicht werden (SSt 57/40). Darunter fällt insbesondere auch die Verherrlichung oder die Anpreisung von Zielen, Einrichtungen oder Maßnahmen der NSDAP, mag dies auch nicht zum Zweck der Aufforderung zu nach § l oder § 3 VG sonst verbotenen Handlungen geschehen. Überhaupt stellt jede völlig einseitige, propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen und Ziele eine Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz dar (SSt 57/40; EvBl 1993/8 ua).
Eine nach dem zitierten Tatbestand gestellte Hauptfrage an die Geschworenen erfordert die Anführung der konkreten Tatumstände, die eine Handlung des Angeklagten als Betätigung im nationalsozialistischen Sinn erscheinen lassen. Andernfalls ist eine rechtliche Überprüfung des Wahrspruchs der Geschworenen durch den Schwurgerichtshof gleich wie im Rechtsmittelverfahren durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich (Schindler WK-StPO § 312 Rz 24 ff).
Die Hauptfrage l./ enthält lediglich die Darstellung, dass sich der Angeklagte durch den Besitz von CDs und Datendateien näher beschriebenen fremdenfeindlichen, verhetzenden und nationalsozialistisch-propagandistischen Inhalts im nationalsozialistischen Sinn betätigt habe (US 2), ohne aber Aufschlüsse darüber zu geben, in welcher Form diese Betätigung erfolgt sei. Denn der bloße Besitz nationalsozialistischen Propagandamaterials ohne weitere Intention stellt für sich allein noch keine Betätigung im genannten Sinn dar (vgl 11 Os 48/02). Erfolgte aber etwa ein Bereithalten zum Zweck der Verbreitung dieses Gedankenguts (vgl EvBl 1994/84), läge ein Verhalten iSd § 3 g VG vor. In die Frage wären somit Hinweise tatsächlicher Art aufzunehmen gewesen, aus denen eine tatbestandsmäßige Wiederbetätigung ableitbar ist.
Das angefochtene Urteil ist daher insoweit mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO behaftet.
Mit seiner gegen Punkt 6./ des Schuldspruches gerichteten Tatsachenrüge (Z 10 a) versucht der Beschwerdeführer unter Hinweis auf mehrere ihn entlastende Aussagen die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen herabzusetzen und damit die Richtigkeit der Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen, vermag aber damit keine sich aus dem Akt ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zu Grunde liegenden Feststellungen zu erzeugen.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren daher der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage l./, der darauf beruhende Schuldspruch (l./) und demzufolge auch der diesen Angeklagten betreffende Strafausspruch sowie der - rechtlich verfehlt gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigte - Beschluss über die Anordnung der Bewährungshilfe und die Erteilung einer Weisung bei nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck zu verweisen (§§ 285e, 344 StPO). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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