OGH 2Ob284/06p

OGH2Ob284/06p7.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred B*****, vertreten durch Stolz & Schartner, Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und andere Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wegen EUR 5.627,44 sA und Feststellung (Streitwert EUR 500), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 31. Mai 2006, GZ 3 R 101/06x-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 27. Dezember 2005, GZ 1 C 1023/05d-14, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger - ein sehr guter Schifahrer - befuhr am 24. 3. 2005 bei schönem Wetter und griffigen Schneeverhältnissen die als schwarze Piste gekennzeichnete „Dirittissima" in Richtung Talstation des Sesselliftes. Die Piste befindet sich in dem von der Beklagten erschlossenen Schigebiet. Im unteren Bereich geht der steile Abschnitt dieser Piste in einen nahezu gefälllosen Pistenabschnitt über. Die letzten 200 m des steilen Pistenbereiches befahren Schifahrer üblicherweise in „Schussfahrt", um eine entsprechende Ausgangsgeschwindigkeit für das Befahren des nahezu ebenen Pistenbereiches bis zur Talstation zu erreichen; dies tat auch der Kläger. Zu Beginn des flachen Pistenabschnittes verengt sich die Piste rechtsseitig durch einen quer verlaufenden, ca 20 bis 25 m langen Erdwall, der einer dahinter liegenden Häusergruppe vorgelagert ist, auf ca 10 m. Dieser Erdwall setzt sich nach einer rechtwinkeligen Richtungsänderung talwärts gesehen rechts der „Dirittissima" über eine Länge von 40 bis 50 m fort. Zum Unfallszeitpunkt war dieser Erdwall aper. Das unmittelbar davor liegende beschneite Gelände war nicht so präpariert wie der übrige Pistenbereich, sondern wies Fahrspuren von Pistengeräten (Abdrücke von Raupenketten) auf. Dieses Gelände wird als Umkehrplatz für die Pistengeräte verwendet und deshalb nicht präpariert, weil es von Schifahrern nicht befahren wird. Der unpräparierte Umkehrplatz ist nicht eigens abgesichert. Auf dem Erdwall befindet sich bei dessen Schneebedeckung eine Warneinrichtung, die aus mit einem rot-weißen Plastikband verbundenen Stangen besteht. Ist der Erdwall - wie zum Unfallszeitpunkt - aper, werden die Warnstangen entfernt. Die durch den Erdwall rechts bewirkte Pistenverengung ist für einen kontrolliert abfahrenden Schifahrer rechtzeitig bei Annäherung an die Verengung erkennbar. Der apere Erdwall ist für kontrolliert abfahrende Schifahrer als unbefahrbares Hindernis deutlich erkennbar. Der Kläger nahm einige Meter oberhalb der Pistenverengung die Annäherung eines Schifahrers wahr, der die Piste querte. Instinktiv fuhr der Kläger nach rechts und geriet in den nicht präparierten Bereich oberhalb des Erdwalles. Im Zug eines versuchten Rechtsschwunges 2 bis 4 m von dem Erdwall entfernt wurde der Kläger auf diesen Damm geschleudert und dabei schwer verletzt. Die Vorinstanzen haben eine Verletzung der Pistensicherungspflicht deshalb verneint, weil der Umkehrbereich erkennbar außerhalb der gewidmeten Piste liege und der Erdwall als unbefahrbares Hindernis deutlich wahrnehmbar gewesen sei.

Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision ab und begründete dies mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage, ob ein derartiger weder gekennzeichneter noch präparierter Umkehrplatz pistenzugehörig sei.

Der Kläger begehrt in seiner Revision die Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden (RIS-Justiz RS0042392) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Grundsätzlich hat der Pistenhalter nur den von ihm organisierten

Schiraum (Schipisten und Schirouten), nicht aber das freie

Schigelände außerhalb zu sichern (RIS-Justiz RS0023865). Wenn auch

ein besonders gesicherter Sturzraum für einen Schifahrer, der schnell

fährt und unkontrolliert über den Pistenrand hinausgerät, im

Allgemeinen nicht gewährleistet werden muss (7 Ob 677/89 = JBl 1990,

458 = VersR 1991, 207 = RIS-Justiz RS0023271 [T1]); 1 Ob 565/88 = ZVR

1988/142 [Pichler] = RIS-Justiz RS0023284), erfasst die

Pistensicherungspflicht auch außergewöhnliche (atypische)

Gefahrenquellen im unmittelbaren Nahebereich zur Piste (1 Ob 75/00m =

RIS-Justiz RS0023499 [T7]; 1 Ob 217/04z = RIS-Justiz RS0023499 [T9],

1 Ob 401/97w = RIS-Justiz RS0023237 [T2]). Eine in diesem Sinn zu

sichernde atypische Gefahr liegt dann vor, wenn sie unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet auftritt oder schwer abwendbar ist (RIS-Justiz RS0023417; vgl RS0023469). Für die Art und den Umfang der Pistensicherungspflicht ist das Verhältnis zwischen Größe und Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihre Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Pistenbenützers und andererseits durch den Pistenhalter mit den nach der Verkehrsanschauung adäquaten Mitteln maßgebend (RIS-Justiz RS0023237; RS0023469 [T8]).

Die Beurteilung, ob eine zu sichernde atypische Gefahr vorliegt, hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalles ab (7 Ob 265/99t; 1 Ob 41/00m) wie jene zu der Begrenzung der Piste durch ihren Rand (6 Ob 270/05g). Eine auffallende und daher korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen lässt sich nicht erkennen, wenn sie die Pistenzugehörigkeit des Umkehrplatzes sowie eine atypische Gefahrenquelle verneint haben.

Der Umkehrplatz war zwar nicht durch Hinweisschilder oder Absperrungen von der präparierten Abfahrtspiste getrennt. Dennoch war für einen Schifahrer aufgrund der örtlichen Gegebenheiten deutlich erkennbar, dass es sich hier nicht um einen für Schifahrer gewidmeten Teil der Piste handeln konnte. Gegen die Pistenzugehörigkeit spricht nicht nur die unterlassene Präparierung, sondern vor allem die durch den Erdwall geschützte Häusergruppe, die zwingend eine Fahrlinie unter Berücksichtigung der Verengung der Piste fordert, um die Talstation zu erreichen. Nicht einmal der Kläger behauptet, dass dieses oberhalb des querlaufenden Erdwalles liegende Gelände eine Abzweigung von der „Dirittissima" darstellt und ein Befahren ins Tal zulässt. Da dieses Gelände nach dem festgestellten Sachverhalt von Schifahrern nicht befahren wird, kommt auch eine Wertung dieses Geländes als pistenähnlich und damit bei Kenntnis eines Pistenhalters von der regelmäßigen Benutzung durch Schifahrer als sicherungspflichtig (vgl 1 Ob 77/03k) nicht in Betracht. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Pistenhalter müsse nicht mit dem Befahren dieses Geländes durch Schifahrer rechnen und sei daher auch nicht zu ständiger Präparierung verpflichtet, ist aus diesen Erwägungen vertretbar.

Dasselbe gilt für die nicht erhobene Forderung nach einer zusätzlichen Absicherung des deutlich erkennbaren aperen Erdwalles, zumal erkennbare Böschungen, bei denen die Schipiste kein zusätzliches Gefahrenmoment aufweist, in der Regel nicht durch Fangnetze oder ähnliche Vorrichtungen zu sichern sind (1 Ob 41/00m; 6 Ob 167/05k).

Aus diesen Erwägungen war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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