OGH 1Ob41/00m

OGH1Ob41/00m22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert G*****, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei D***** Aktiengesellschaft, *****vertreten durch Mag. Christian Posch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 326.745,23 S sA und Feststellung (Streitwert 150.000 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 22. Dezember 1999, GZ 2 R 195/99f, 196/99b-36, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzklagebegehren (Leistung und Feststellung) des bei einem Schiunfall schwer verletzten, 1944 geb. Klägers, eines guten Schifahrers, der über den rechten Pistenrand gelangt und über eine steile Böschung abgestürzt war, gegen die beklagte Liftgesellschaft und Pistenhalterin ab und stellten dazu fest: Die rot markierte Talabfahrt führt im weiteren Unfallsbereich schräg/quer auf einem (in Fahrtrichtung) nach rechts geneigten Gelände durch den Wald. Es handelt sich dabei um eine relativ schmale Piste, die jedoch breiter als typische Schiwege ist. Sie war im weiteren Unfallsbereich 15-16 m breit und wies eine mäßige Längs- und eine geringfügige Querneigung nach rechts auf. Das Gefälle betrug im Annäherungsbereich der Unfallstelle auf einer Länge von mehr als 100 m 20-25 %. Die Piste weist keine stärkeren Krümmungen auf, sondern beschreibt lediglich etwa 40 m vor der Unfallstelle eine leichte Linkskurve und führt dann annähernd geradlinig bis zur Unfallstelle und darüber hinaus. Unmittelbar am rechten Pistenrand befindet sich eine bewaldete steile Böschung mit einem Gefälle von 72 % oder 350. Der Pistenabschnitt, an dem sich der Unfall des Klägers ereignete, ist als leichtes Schigelände anzusehen, das jeder Schifahrer, der über das fahrtechnische Können für eine rote Piste verfügt, benützen kann, ohne sich und andere zu gefährden. Der Pistenrand und die Art des angrenzenden Geländes sind leicht und deutlich erkennbar. Ein unfreiwilliges Abkommen von der Piste kann einerseits durch kontrolliertes Fahren, andererseits durch die Wahl eines entsprechenden Abstands zum rechten Pistenrand leicht vermieden werden.

Die den Pistenhalter treffende Pistensicherungspflicht bedeutet nicht

die Verpflichtung, den Schifahrer vor jeder möglichen Gefahr zu

schützen, die ihm von der Piste her droht, würde doch eine solche

Forderung dem Pistenhalter unerträgliche Lasten aufbürden, die in

keinem vertretbaren Verhältnis zum Schutzeffekt stünden; eine

vollkommene Verkehrssicherung ist weder auf Skipisten noch sonstwo zu

erreichen (JBl 1993, 112 = ZVR 1993/97; EFSlg 78.494; 1 Ob 401/97w

ua, je mwN). Der Pistenhalter und seine Leute sind zur Ergreifung

entsprechender Schutzmaßnahmen nur dann verpflichtet, wenn den

Skifahrern atypische, also solche Gefahren drohen, die unter

Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten

Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewußten

Schifahrer unerwartet auftreten oder schwer abwendbar sind (JBl 1993,

112 mwN ua). Das gilt jedenfalls für solche Hindernisse, die der

Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen oder die er trotz

Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Für die Art und den Umfang

der Pistensicherungspflicht ist das Verhältnis zwischen Größe und

Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihre Abwendbarkeit

einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten

Pistenbenützers und andererseits durch den Pistenhalter mit den nach

der Verkehrsanschauung adäquaten Mitteln maßgebend (ZVR 1989/132 =

VersR 1989, 539; JBl 1993, 112; SZ 66/16 = ZVR 1993/161 [krit

Pichler] = EvBl 1994/1; 1 Ob 401/97w ua).

Skipisten, die bis auf wenige Meter an abbrechende Felsen, an Steilflanken oder ähnliche Geländeformationen oder einen nicht gesicherten Stolleneingang in Verbindung mit dem schon am Pistenrand beginnenden, direkt auf den Stollen zuführenden Geländeabbruch (4 Ob 299/98v = JBl 1999, 465 = EvBl 1999/114 = ZVR 1999/66 [dazu Pichler in ZVR 1999, 362]) heranführen, sind nach herrschender Auffassung durch geeignete Schutzmaßnahmen zu sichern. Obwohl im alpinen Gelände mit solchen Abbrüchen gerechnet werden muss, sind sie dann zu sichern, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe der Piste befinden, weil sie dort eine außergewöhnliche Gefahrenquelle für Pistenfahrer darstellen. Ob in diesem, im Wesentlichen von der konkreten örtlichen Situation abhängigen Rahmen die beklagte Pistenhalterin das ihr Zumutbare unterlassen hat, entzieht sich aber wegen der Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen (7 Ob 265/99t ua) und damit einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor, weil es sich bei der Unfallstelle um eine erkennbare, für das alpine Gelände geradezu typische, bewaldete Steilböschung handelte. Selbst bei Schiwegen - im vorliegenden Fall handelte es sich um eine 15-16 m breite Piste mit mäßiger Längsneigung und geringfügiger Querneigung nach rechts - ist eine Randsicherung nur ausnahmsweise an solchen Stellen erforderlich, an welchen auch für einen verantwortungsbewussten Benützer einer Piste des angegebenen Schwierigkeitsgrads die Gefahr einer erheblichen Verletzung infolge Abstürzens oder Abrutschens besonders hoch ist, zB in gefährlichen Kurven oder bei Steilabbrüchen. Böschungen mit einem Neigungswinkel wie hier, bei denen die Schipiste kein zusätzliches Gefahrenmoment wie etwa eine scharfe nach außen hängende Kurve aufweist, müssen daher in der Regel nicht durch Fangnetze usw gesichert werden (vgl 7 Ob 577/93 mwN; RIS-Justiz RS0023884). Aus der Tatsache, daß die beklagte Partei nach dem Unfall an der Unfallstelle des Klägers einen Holzzaun anbringen ließ, allein kann noch keineswegs darauf geschlossen werden, dass ihr die mögliche Gefahrensituation an dieser Stelle vorher bewusst war.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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