OGH 3Ob181/06y

OGH3Ob181/06y13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert V*****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 37 EO), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 22. Juni 2006, GZ 4 R 1/06f-14, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 8. November 2005, GZ 3 C 624/05g-10, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die meritorische Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der im Exszindierungsprozess (§ 37 EO) beklagten Partei wurde zu AZ 12 E 1114/00p des Erstgerichts zur Hereinbringung von Kostenforderungen von 1.701,48 EUR und 728,11 EUR die Fahrnisexekution bewilligt, weiters auch zu AZ 12 E 3694/03x des Erstgerichts zur Hereinbringung von 6.015,75 EUR. Am 15. Juni 2005 wurden unter den Postzahlen 1 bis 7 verschiedene Gegenstände gepfändet. Der Bleistiftwert der unter Pz 7 gepfändeten zwei „Aktbilder Tina Larot" wurde vom Gerichtsvollzieher mit 3.500 EUR eingesetzt.

Der Exszindierungskläger - der Ehegatte der Verpflichteten - begehrte mit seinen Exszindierungsklagen, die beiden Exekutionsverfahren wegen seines Alleineigentums an den unter Pz 1 bis 6 gepfändeten Sachen und wegen Miteigentums an den unter Pz 7 gepfändeten Bilder für unzulässig zu erklären (AZ 3 C 624/05g und 3 C 625/05d des Erstgerichts). Die beiden Verfahren wurden am 10. August 2005 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden (ON 5). Nach Einstellung der Exekutionen in Ansehung der unter Pz 2 bis 6 gepfändeten Sachen schränkte der Kläger seine Klagebegehren ein. Hinsichtlich der unter Pz 1 gepfändeten Gegenstände erging ein Teilanerkenntnisurteil (ON 9).

In der Tagsatzung vom 6. Oktober 2005 (ON 8) beantragte die beklagte Partei die Festsetzung des Streitwerts mit der Höhe der betriebenen Forderungen. In diesem Sinne setzte das Erstgericht den Streitwert gemäß § 7 Abs 2 RATG fest (also mit 2.429,59 EUR im Verfahren AZ 3 C 624/05g und mit 6.015,75 EUR im Verfahren AZ 3 C 625/05d). Der Kläger hatte dagegen darauf verwiesen, dass der Streitwert höchstens mit der Höhe des doppelten Bleistiftwerts der gepfändeten Gegenstände festgesetzt werden dürfe und zum Wert der unter Pz 7 gepfändeten Bilder vorgebracht, dass der angenommene Bleistiftwert von 3.500 EUR „illusorisch" sei. Der tatsächliche Wert betrage nicht mehr als 150 EUR (S 1 zu ON 8).

Mit seinem Urteil vom 8. November 2005 erklärte das Erstgericht das Exekutionsverfahren AZ 12 E 1114/05p in Ansehung der unter Pz 7 gepfändeten zwei Aktbilder mit der wesentlichen Begründung, dass die Bilder „zumindest im Miteigentum des Klägers stehen", für unzulässig. Das Berufungsgericht wies die dagegen erhobene Berufung der beklagten Partei aus dem Grund des § 501 ZPO zurück. Der Kläger habe den vom Gerichtsvollzieher eingesetzten Bleistiftwert von 3.500 EUR als illusorisch bezeichnet und den Wert mit 150 EUR je Bild (Druck) angegeben. Diesen Wert habe das Erstgericht festgestellt. Es sei daher von einem Streitgegenstand mit einem nicht 2.000 EUR übersteigenden Geldwert auszugehen. Dem gemäß sei auf die Mängel- und die Beweisrüge nicht einzugehen. Mit der Rechtsrüge bekämpfe die beklagte Partei lediglich die Kostenentscheidung. Es liege daher keine wirksame Rechtsrüge vor, sodass eine Überprüfung in der Hauptsache unterbleiben müsse. Die Berufung im Kostenpunkt sei verfristet. Auch wenn grundsätzlich bei der Bekämpfung mehrerer Entscheidungen mit unterschiedlich langen Rechtsmittelfristen die längere Frist zur Verfügung stehe gelte dies nicht, wenn das Urteil in der Hauptsache nicht bekämpft werde oder nicht bekämpfbar sei. Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Aufhebung zur meritorischen Entscheidung über die Berufung durch das Berufungsgericht.

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Zulässigkeit des Rekurses:

Wenn das Berufungsgericht eine Berufung bei einem 2.000 EUR nicht übersteigenden Streitwert aus dem Grund zurückweist, dass keine zulässigen Berufungsgründe geltend gemacht wurden (RIS-Justiz RS0041863), handelt es sich um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, gegen den stets und ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands oder das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen Rekurs erhoben werden kann (3 Ob 163/05z, RIS-Justiz RS0043893; RS0043882). Das Verfahren über diesen Rekurs ist nach ständiger oberstgerichtlicher Rsp und überwiegender Ansicht im Schrifttum ein einseitiges (RS0043760, zuletzt 2 Ob 201/05f mwN; dagegen Zechner in Fasching, Zivilprozessgesetze2, § 519 ZPO Rz 75 f und § 521a Rz 14).

II. Zur Frage des Streitwerts bei Exszindierungsklagen gemäß § 37 EO:

1.) Wonach sich der Wert des Streitgegenstands bei der Exszindierungsklage nach § 37 EO richtet, wird in Rsp und Lehre nicht einheitlich beantwortet. Der Streit, ob allein der Wert der vom Kläger beanspruchten Exekutionsobjekte maßgeblich ist (so 3 Ob 320/02h = SZ 2003/134; Burgstaller/Holzner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 37 Rz 156 und 158 mwN) oder nach § 57 JN dieser nur dann, wenn der Wert der betriebenen Forderung höher ist, der im anderen Fall maßgeblich wäre (nach wohl überwiegender Rsp, RIS-Justiz RS0001178; Jakusch in Angst, EO, § 37 Rz 60 mwN), ist aber für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung, wie zu zeigen sein wird.

2.) Wenn der Streitgegenstand nicht in Geld besteht, hätte der Kläger grundsätzlich eine Bewertung vorzunehmen, also den Wert der exszindierten Gegenstände anzugeben (§ 56 Abs 2 JN; Jakusch aaO Rz 63). Bei Klagen gemäß § 37 EO ist eine Bewertung aber überflüssig, wenn der Wert der beanspruchten Gegenstände auf Grund einer schon erfolgten Schätzung oder aber nach dem sogenannten Bleistiftwert einigermaßen verlässlich feststeht. Eine trotzdem vorgenommene Bewertung ist für die Frage, ob es sich um eine Bagatellsache handelt, nicht bindend (so schon SZ 39/54). Selbst wenn man aber von einer Bewertungskompetenz des Klägers und einer grundsätzlichen Bindung des Berufungsgerichts an seine Bewertung ausgeht, ist jedenfalls dann eine solche Bindung zu verneinen, wenn eine offensichtliche Unterbewertung vorliegt. Eine erkannte offenbare Unterbewertung ist über Antrag oder von Amts wegen richtig zu stellen (RIS-Justiz RS0041580).

3.) Der festgestellte Bleistiftwert von 3.500 EUR indiziert offenkundig eine Unterbewertung. Der Wert des Pfandgegenstands ist mit dem Schätzwert anzunehmen, wenn noch keine Schätzung erfolgte mit dem doppelten Bleistiftwert (so schon 3 Ob 82/65; vgl die Maßgeblichkeit des Bleistiftwerts bei der Bestimmung der Sicherheitsleistung im Aufschiebungsverfahren gemäß § 44 EO: Jakusch aaO § 44 Rz 39). Daraus folgt, dass das Berufungsgericht nicht von der Bewertung der Pfandgegenstände durch den Kläger (mit 150 EUR je Bild) ausgehen durfte. Entgegen seiner Ansicht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Erstgericht den Wert der Bilder mit je 150 EUR festgestellt habe. Das Erstgericht hat lediglich den Ankauf der Bilder um diesen Preis festgestellt. Daraus lassen sich noch keine verlässlichen Schlüsse über den tatsächlichen Wert ziehen. Die Diskrepanz zum für die Bewertung des Streitgegenstands maßgeblichen Bleistiftwert blieb völlig ungeklärt.

Aus den dargelegten Gründen hätte das Berufungsgericht die Berufung der beklagten Partei wegen offensichtlicher Unterbewertung nicht auf Grund der Rechtsmittelbeschränkung des § 501 ZPO zurückweisen dürfen. Es wird über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund sachlich zu entscheiden haben. Damit erübrigen sich Ausführungen zum Thema, ob die Berufung im Kostenpunkt tatsächlich verfristet war.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Ein Zwischenstreit liegt nicht vor, weil der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung nicht den Standpunkt vertreten hat, es läge eine „Bagatellsache" iSd § 501 ZPO vor.

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