Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das erstgerichtliche Urteil ON 15 wurde dem Beklagtenvertreter am 15. 4. 2005 zugestellt, was auf dem Rückschein deutlich lesbar vermerkt wurde.
Am 12. 5. 2005 gab der Beklagtenvertreter seine Berufung ON 18 zur Post.
Auf dem Vorlagebericht ON 23 an das Berufungsgericht vermerkte das Erstgericht irrtümlich (vgl den Kanzleivermerk ON 25) als Zustelltag den 12. 4. 2005.
Hievon ausgehend wies das Berufungsgericht die Berufung als verspätet nach Ablauf der 4-wöchigen Berufungsfrist eingebracht zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich der - unter Hinweis auf Zechner in Fasching, Kommentar2 § 519 ZPO Rz 75 f zweifach eingebrachte - Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über ihre Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Die Zustellung des erstgerichtlichen Urteiles sei am 15. 4. 2005 erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS-Justiz RS0042770, RS0098745) und auch berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass der Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichtes, mit welchem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückweist, nach herrschender Ansicht einseitig ist (RIS-Justiz RS0043760, RS0098745; Fasching, LB2 Rz 1980; E. Kodek in Rechberger2 § 519 ZPO Rz 3). Anderer Meinung ist Zechner in Fasching, Kommentar2 § 519 ZPO Rz 75 f, § 521a ZPO Rz 14, vgl auch vor §§ 514 ff ZPO Rz 124 ff).
Im vorliegenden Fall ist es entbehrlich, sich mit dieser Lehrmeinung (vgl aber G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534, 540) näher auseinanderzusetzen, weil auch im Lichte der Entscheidung des EGMR vom 6. 2. 2001, Beer gegen Österreich, ÖJZ 2001, 516, unter den hier gegebenen Umständen keine Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit zu befürchten ist, wenn die Einholung einer Rekursbeantwortung der klagenden Partei unterbleibt. Infolge Amtswegigkeit der Zustellung hat auch die Richtigstellung eines irrtümlich angenommenen Zustelldatums von Amts wegen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0036440). Bei der hier vorzunehmenden Korrektur handelt es sich nicht um die Verwertung eines von einer Partei beigebrachten Beweises, sondern um die Wahrnehmung einer ohnehin bereits aktenkundigen Tatsache. Der klagenden Partei droht daher keine Verletzung ihrer Menschenrechte, wenn sie sich zur amtswegigen Ablesung des unzweifelhaften Zustelldatums aus dem Rückschein nicht vorweg äußern kann.
Diese Ablesung (Zustelldatum 15. 4. 2005) ergibt, dass die Berufung (Postaufgabe 12. 5. 2005) rechtzeitig innerhalb der 4-wöchigen Berufungsfrist eingebracht wurde, weshalb dem Rekurs spruchgemäß Folge zu geben war.
Kosten wurden nicht verzeichnet.
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