Spruch:
Bei Klagen nach § 37 EO. ist eine Bewertung durch die klagende Partei überflüssig und nicht beachtlich. Eine trotzdem vorgenommene Bewertung ist für die Frage, ob es sich um eine Bagatellsache handelt, nicht bindend
Entscheidung vom 23. März 1966, 3 Ob 34/66
I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Zur Hereinbringung eines der beklagten Partei Irene G. gegen ihren geschiedenen Gatten Gustav G. zustehenden Unterhalts wurden im Jahre 1964 in der Wohnung Wien 8., P.-Gasse 35, verschiedene Gegenstände gepfändet. Die Klagerin brachte eine Klage nach § 37 EO. ein, in der sie behauptete, die unter den Postzahlen 1 bis 4 und 7 bis 9 gepfändeten Gegenstände seien ihr Eigentum.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Gustav G. ist Mieter der Wohnung Wien 7., H.-Gasse 19, und zusammen mit seiner Tochter Mieter der Wohnung Wien 8., P.-Gasse 35. Seine Ehe mit der Beklagten wurde 1957 geschieden, er führte aber noch bis Jänner 1963 in der ehelichen Wohnung in der P.-Gasse mit der Beklagten einen gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin unterhält seit etlichen Jahren intime Beziehungen zu Gustav G. und wohnt in der Wohnung in der H.-Gasse. Anläßlich der Feier des 30. Geburtstages der Klägerin schenkte Gustav G. ihr zwei Hocker (wovon einer unter Postzahl 7 gepfändet wurde). Im Sommer 1962 benötigte Gustav G. für den Erwerb eines Großhandelsunternehmens Geld. Er verkaufte daher der Klägerin seine Bibliothek samt Bücherkasten (Postzahl 9), eine Kommode (Postzahl 8) und einen Kleiderkasten um 25.000 S. Die gekauften Sachen wurden im August 1962 von der Wohnung P.-Gasse 35 in die Wohnung H.-Gasse 19 gebracht; da die Klägerin die vorgenommene Stellprobe aber nicht befriedigte, wurden die Sachen bis auf eine Anzahl Bücher wieder in die Wohnung in der P.-Gasse zurückgebracht. Am 4. Oktober 1962 zahlte die Klägerin an Gustav G. den vereinbarten Kaufpreis von 25.000 S aus, worüber sie eine Bestätigung erhielt. Das Erstgericht folgte bei diesen Tatsachenfeststellungen hauptsächlich den Aussagen der Klägerin und des Zeugen Gustav G. Rechtlich folgerte es, die Klägerin habe an den gepfändeten Gegenständen durch den geschlossenen Kaufvertrag und durch körperliche Übergabe der Sachen Eigentum erworben, das die Exekution unzulässig mache.
Das Berufungsgericht wiederholte die Beweisaufnahmen und kam auf Grund einer anderen Würdigung der Beweise zu der Feststellung, Gustav G. habe zwar die beiden Hocker der Klägerin geschenkt und auch übergeben, er habe ihr aber nicht die übrigen, in der Klage genannten Gegenstände verkauft. Das Berufungsgericht nahm zwar ebenso wie das Erstgericht als erwiesen an, daß G. die genannten Möbel und Bücher im August 1962 in seine Wohnung in der H.-Gasse geführt und wieder in die Wohnung in der P.-Gasse zurückgebracht habe, das spreche aber nicht für einen Verkauf dieser Sachen an die Klägerin, sondern lasse sich damit erklären, daß G. diese Wohnung mit eigenen Möbeln habe ausstatten wollen. Die Aussagen des Gustav G. und der Klägerin über einen Kauf dieser Gegenstände seien wegen verschiedener Widersprüche unglaubwürdig. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil daher nur hinsichtlich des unter Postzahl 7 gepfändeten Hockers und änderte es hinsichtlich der übrigen Punkte im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab.
Der Oberste Gerichtshof hob anläßlich der Revision das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es die Postzahlen 1 bis 4 und 8 betraf, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Im übrigen gab er der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Anläßlich der Revision war zunächst zu prüfen, wie hoch die einzelnen gepfändeten Gegenstände, deren Eigentum die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, zu bewerten sind, weil nach der Bewertung in der Klage anzunehmen ist, daß es sich um Bagatellsachen handelt. Eine Zusammenrechnung des Wertes dieser miteinander nicht im Zusammenhang stehenden Gegenstände kann nicht vorgenommen werden. Bei Klagen nach § 37 EO. ist eine Bewertung durch die klagende Partei überflüssig und nicht beachtlich (RiZ. 1938 S. 63). Eine trotzdem vorgenommene Bewertung ist für die Frage, ob es sich um eine Bagatellsache handelt, nicht bindend (SZ. XXII 108). Auch ein Exszindierungsstreit kann Bagatellcharakter annehmen (Jud. 242). Die Klägerin hat die von ihr beanspruchten Gegenstände in der Klage mit dem Bleistiftwert bewertet, der ihnen anläßlich der Pfändung vom Vollstreckungsorgan beigemessen wurde. Dieser Wert ist der bei der Versteigerung voraussichtlich zu erzielende Erlös und entspricht in der Regel dem halben Schätzwert. Der Wert des Pfandgegenstandes ist mit dem Schätzwert, also mit dem doppelten Bleistiftwert anzunehmen. Er beträgt also für die 14 Bände "Der neue Brockhaus" (Postzahl 1) 280 S, für den Band "Brockhaus Atlas" (Postzahl 2) 20 S, für den Band "Sprach-Brockhaus" (Postzahl 3) 20 S, für den Band "Volks-Brockhaus" (Postzahl 4) 20 S, für die Kommode, braun mit vier Laden (Postzahl 8) 200 S und für die Bücherstellage mit 6 Fächern, zweitürig (Postzahl 9) 600 S. Damit liegt der Wert aller in der Klage genannten Pfandgegenstände unter der Bagatellgrenze, außer dem Wert der unter Postzahl 9 gepfändeten Bücherstellage. Hinsichtlich dieser Gegenstände war daher gemäß § 501 ZPO. die Berufung nur wegen der in § 477 Z. 1 bis 8 ZPO. aufgezählten Nichtigkeiten zulässig. Die Beklagte hat in ihrer Berufung solche Nichtigkeiten nicht geltend gemacht. Das berufungsgerichtliche Urteil samt dem ihm vorausgegangenen Verfahren, soweit es die genannten Gegenstände betrifft, deren Wert unter der Bagatellgrenze liegt, mußte daher aufgehoben werden. Bei Bagatellsachen, die irrtümlich als höherwertige Streitsachen behandelt wurden, findet der § 502 (2) ZPO. keine Anwendung. In Fällen dieser Art handelt es sich um eine Überschreitung der dem Bezirksgericht zugewiesenen Funktion. Es hat daher die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils sowie des vorausgegangenen Verfahrens des Berufungsgerichtes zu erfolgen und es ist die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen Spruch 27 neu).
Hinsichtlich des unter Postzahl 9 gepfändeten Gegenstandes, dessen Wert die Bagatellgrenze übersteigt, ist die Revision nicht begrundet.
Da das Berufungsgericht festgestellt hat, Gustav G. habe die strittigen Gegenstände der Klägerin nicht verkauft, ist die rechtliche Schlußfolgerung, der Klägerin stehen an diesen Gegenständen, insbesondere an der unter Postzahl 9 gepfändeten Bücherstellage, die nur noch zur Erörterung steht, keine Rechte zu, die die Exekution unzulässig machen, zwingend. Die Klägerin hat ja keine anderen Rechte als Eigentumsrechte auf Grund eines Kaufvertrages behauptet. Es war daher unerheblich zu erörtern, ob die Klägerin Gustav G. am 4. Oktober 1962 tatsächlich 25.000 S gegeben hat. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens und eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache liegen daher ebenfalls nicht vor, weshalb das Berufungsurteil in diesem Punkte (Postzahl 9) zu bestätigen war.
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