OGH 2Ob155/06t

OGH2Ob155/06t10.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sch***** GmbH, *****, vertreten durch Stolz & Schartner, Rechtsanwältegesellschaft mbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei Michael G*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Graz, wegen (eingeschränkt) EUR 242.951,09 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. April 2006, GZ 2 R 53/05i-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Jänner 2005, GZ 15 Cg 4/04t-30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 2.312,64 (hierin enthalten EUR 385,44 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs (gegen seinen Aufhebungsbeschluss samt Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht) für zulässig, „da zwar ausreichende Rechtsprechung zu den Kriterien für eine analoge Anwendung von § 24 HVertrG für Vertragshändler vorliegt, jedoch eine weitere Klärung der Frage, ob faktisch gelebte Geschäftsbeziehungen diesbezüglichen Vereinbarungen gleichwertig sind und ob das Fehlen einzelner Elemente durch das stärkere Gewicht anderer aufgewogen werden kann, im Sinne der Rechtseinheit und Rechtssicherheit indiziert erscheint."

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden; gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO, welche Bestimmung gemäß § 528a ZPO auch auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes über Rekurse anzuwenden ist, kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zunächst vorauszuschicken:

a) Dem (in der Rekursbeantwortung der beklagten Partei enthaltenen) Einwand der Verspätung des klägerischen Rechtsmittels ist entgegenzuhalten, dass im vorliegenden Fall sowohl für das Prozessgericht erster Instanz als auch für das Berufungsgericht eine gemeinsame Einlaufstelle im Sinne des § 37 Abs 2 Geo. besteht (AV in ON 47), in welchem Fall die unrichtige Adressierung (hier: direkt an das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht) nicht schadet, wenn das zwar fälschlich an das Rechtsmittelgericht adressierte Rechtsmittel bei dieser Einlaufstelle beider Gerichte eingelangt ist oder dort überreicht wurde (RIS-Justiz RS0041726; Danzl, Geo. Anm 6 zu § 37). Durch die Adressierung des Rechtsmittels an das unrichtige Gericht tritt in einem solchen Fall keine Verzögerung gegenüber dem Fall einer richtigen Adressierung ein (6 Ob 130/05v).

b) Gegenstand der Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof sind (wie schon im Berufungsverfahren) ausschließlich die vom Erstgericht verneinten und vom Berufungsgericht (grundsätzlich) bejahten Gegenforderungen der beklagten Partei; unstrittig blieb (und ist es auch weiterhin), dass die von der Klägerin als offen bezeichneten und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Rechnungen in Gesamthöhe von (eingeschränkt) EUR 242.951,09 seitens der beklagten Partei bis Schluss der Verhandlung unbezahlt geblieben und damit offen sind. Da zwischen der Klagsforderung aus Warenlieferungen und den Gegenforderungen, die aus der Verletzung des diesen Lieferungen zugrundeliegenden Vertrages abgeleitet werden, ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO besteht, wurde dadurch auch die Fällung eines Teilurteiles über die (an sich unstrittige) Klagsforderung verhindert (RIS-Justiz RS0040853).

c) In den Streitverhandlungen vom 14. 6. und 29. 11. 2004 (ON 15 und 28) trafen die Parteien eine ausdrückliche Rechtswahl, dass sowohl hinsichtlich der Klageforderung als auch der eingewendeten Gegenforderungen österreichisches Recht zur Anwendung zu kommen habe (AS 158 und 436, beide in Bd I).

Zu den im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes als erheblich formulierten Rechtsfragen ist wie folgt auszuführen:

1.) Bei der Wertung der zwischen den Streitteilen - die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Österreich, das Massivholzplatten und Fertigparkett herstellt, während der Beklagte mit Sitz in der Schweiz auf Grund einer bloß mündlich getroffenen Vereinbarung dort ab 1999 als Generalimporteur flächendeckend eine Verkaufs- und Serviceorganisation mit Großhändlern aufbaute, welches Vertragsverhältnis von der Klägerin Ende 2003 beendet wurde - „gelebten" Geschäftsbeziehung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Konkurrenzverbot, handelt es sich um die Beurteilung - soweit nicht ausdrückliche Absprachen getroffen wurden - schlüssiger, aus jahrelang gepflogenen Handlungen abgeleiteten Willenserklärungen (Vereinbarungen) im Sinne des § 863 ABGB. Ob aber ein (wie hier nur mündlich) geschlossener Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt grundsätzlich ebenso wenig wie die Beurteilung von Konkludenzfragen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, weil hiefür die singulären Verhältnisse des jeweils konkreten Einzelfalles ohne in der Regel Beispielswirkung darüber hinaus ausschlaggebend sind (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0044358; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 Rz 89 zu § 502).

2.) Bereits in der Entscheidung 3 Ob 85/02z (dort betreffend den Vertrieb ausländischer Kosmetikprodukte im Alleinvertrieb für Österreich) hat der Oberste Gerichtshof nicht nur eine analoge Anwendung des HVertrG gebilligt, sondern auch erkannt, dass das Fehlen einzelner Elemente (in casu: fehlende Vereinbarung einer Konkurrenzklausel; keine Berichtspflicht; Geschäftsherrin hatte „keinen Wert auf die Bekanntgabe des genauen Kundenstockes" gelegt) nicht zum Verlust eines Ausgleichsanspruches nach § 24 leg cit führe. Die Bejahung eines Ausgleichsanspruches des Beklagten auch in der vorliegenden Fallkonstellation durch das Berufungsgericht steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Maßgeblich ist das Überwiegen der Elemente des Handelsvertretervertrages, was vom Berufungsgericht anhand der bestehenden Rechtsprechung bereits zutreffend herausgearbeitet wurde (RIS-Justiz RS0062580; RS0109284; RS0018335; RS0062645; RS0110369).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist daher das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für einen Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO besteht kein Anlass, weil durch die Zurückweisung des klägerischen Rechtsmittels zufolge Unzulässigkeit - worauf die beklagte Partei in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend hingewiesen hat - eine abschließende und vom Ergebnis der Hauptsachenentscheidung unabhängige Erledigung der Rechtsmittelschriftsätze durch den Obersten Gerichtshof erfolgen konnte.

Stichworte