Spruch:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Bei der am 9. Mai 2000 geborenen kleinwüchsigen und leicht mikrocephalen Klägerin liegt ein schwerer psychomental-motorischer Entwicklungsrückstand vor. Dieser betrifft die Motorik, die geistige Entwicklung und die Sprache in gleichen Maßen. Die Klägerin kann sich weder selbst aufziehen noch selber stehen und auch nicht alleine gehen. Auch das zielgerichtete Greifen ist ihr nicht möglich. Damit kann sie keinerlei selbstständige Verrichtungen wie etwa Essen, Anziehen, Waschen etc durchführen. Sie muss auch getragen werden. Entsprechend ihrem Entwicklungsalter ist sie noch vollkommen inkontinent. Aktive sprachliche Äußerungen sind derzeit noch nicht vorhanden. Ein Sprachverständnis besteht für einfache Inhalte. Besonders erschwert ist bei der Klägerin die Essenssituation durch das lange Verweilen der Mahlzeiten im Mund und die Schluckprobleme, die immer wieder mit Erbrechen verbunden sind. Die Stimmung der Klägerin ist freundlich positiv, sie kann aber auch zornig sein. Sie besucht einen integrierten Kindergarten und erhält wöchentliche Frühförderung.
Ab 1. Juni 2004 ist jedenfalls von folgendem monatsbezogenen Pflegebedarf auszugehen:
Reinigung nach Inkontinenz 20 Stunden
Verrichtung der Notdurft 30 Stunden
Einnehmen der Mahlzeiten 120 Stunden
Mobilität im engeren Sinne 30 Stunden
Mobilität im weiteren Sinne 10 Stunden
210 Stunden
Verglichen mit der im November 2004 vorgenommenen Erstbegutachtung im vorliegenden Verfahren sind bei der Klägerin inzwischen schwere epileptische Anfälle dazugekommen, wobei sich diese Anfälle in zwei Arten zeigen. Bei den sogenannten atonischen Anfällen kommt es zu einer kurzfristigen Bewusstlosigkeit mit Blauverfärbung und teilweisem Erbrechen. Bei den sogenannten tonischen Anfällen kommt es zu einer Verkrampfung, starrem angstvollen Blick, Hyperventilationen und Angstzuständen. Im EEG fanden sich deutliche Hinweise für ein Lennox-Gast-Aut-Syndrom, welches sich meist zwischen dem 2. und 8. Lebensjahr entwickelt. Dieses Syndrom kann in einer Vielzahl verschiedener Anfälle auftreten, wobei häufige tonische Anfälle im Vordergrund stehen. Die Anfälle (auch ihre Art) können im Verlauf erheblich variieren, was die Behandlung schwierig macht. Verschlechterungen und Verbesserungen sind möglich. Das Auftreten der Anfälle - und allenfalls lebensbedrohlicher Situationen (Erstickungsgefahr bei Erbrechen) - lässt sich kaum vorausblickend einschätzen. Nachts wird die Klägerin an ein Überwachungssystem angeschlossen, sodass allfällige Irritationen angezeigt werden. Seit 9. Mai 2005 (Vollendung des 5. Lebensjahres) hat die Klägerin folgenden monatsbezogenen Pflegebedarf:
An- und Auskleiden 20 Stunden
Tägliche Körperpflege 25 Stunden
Reinigung nach Inkontinenz 20 Stunden
Verrichtung der Notdurft 30 Stunden
Mobilitätshilfe im engeren Sinn 30 Stunden
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 10 Stunden
Einnahme der Mahlzeiten 120 Stunden
Maßnahmen zur Vermeidung ernsthafter
gesundheitlicher Schäden aufgrund des
epileptischen Anfallsleidens 45 Stunden
300 Stunden
Seit Mai 2005 ist eine dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson auf jeden Fall erforderlich. Die epileptischen Anfälle treten derzeit - laut Anfallskalender - nicht täglich auf, wenngleich nie vorhersehbar ist, wann diese auftreten werden; in diesem Zusammenhang können unkoordinierte Pflegeleistungen anfallen.
Mit Bescheid sprach das Land Tirol der Klägerin aufgrund des am 4. Mai 2004 gestellten Erhöhungsantrags ab 1. Juni 2004 Pflegegeld der Stufe 3 abzüglich EUR 60,-- des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder nach § 8 Abs 4 FLAG zu.
Die Klägerin begehrte ab Antragstellung den Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 6 oder einer höheren Pflegestufe und das Absehen von der Anrechnung des Betrages von EUR 60,-- iSd § 5 Abs 2 TPGG zur Vermeidung einer sozialen Härte.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin vom 1. Juni 2004 bis 8. Mai 2005 Pflegegeld der Stufe 4 im Ausmaß von monatlich EUR 632,70 und ab 9. Mai 2005 Pflegegeld der Stufe 5 im Ausmaß von monatlich EUR 859,30 zu bezahlen, dies jeweils abzüglich EUR 60,-- vom Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass bei der Klägerin bis 8. 5. 2005 eine dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson nicht erforderlich gewesen sei, weshalb ihr bis zu diesem Zeitpunkt Pflegegeld der Stufe 4 zu. Ab 9. 5. 2005 sei die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson erforderlich, weshalb der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Pflegegeld der Stufe 5 zustehe. Da nach den Feststellungen keine unkoordinierbaren Pflegeleistungen zu erbringen seien, könne ihr kein Pflegegeld der Stufe 6 zuerkannt werden.
Ferner hielt das Erstgericht die im § 5 Abs 2 TBGG normierte Härteklausel für nicht anwendbar sei, weil ausgehend vom durchschnittlichen Nettoeinkommen der Familie die Nichtanrechnung des - im Übrigen zwingend vorgesehenen - Teilbetrages von EUR 60,-- nicht gerechtfertigt sei.
Soweit nicht mangels Anfechtung Teilrechtskraft eingetreten ist (zumindest Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 4 im Betrag von monatlich EUR 620,30 abzüglich EUR 60,-- vom Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder ab 1. 6. 2004) hob das Berufungsgericht infolge Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Es sah die Beweisrüge als unbegründet an und führte zur Rechtsrüge aus, dass das TPGG in seinem § 2 Abs 2 einen Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 für Personen vorsehe, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden im Monat betrage, wenn ein außerordentlicher Pflegebedarf erforderlich sei. Für die Stufe 6 sei ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden pro Monat erforderlich, wenn entweder zeitlich nicht koordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen seien oder die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich sei, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist. In der Tiroler Pflegebedarfsverordnung sei vorgesehen, dass ständiger Pflegebedarf dann vorliege, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben sei. Gemäß § 6 der Verordnung liegt ein außergewöhnlicher Pflegebedarf vor, wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich sei. Da diese Bestimmungen gleichlautend mit den Bestimmungen des BPGG (und der EinstV) seien, könnten Lehre und Rechtsprechung auch zu den inhaltsgleichen Bestimmungen des BPGG nutzbar gemacht werden.
Für Pflegegeld der Stufe 5 werde gefordert, dass der Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten könne oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen mit dem Pflegebedürftigen Kontakt aufnehme. Es müssten Umstände vorliegen, die einen Betreuungsaufwand bedingen, der jederzeit auftreten könne und daher das unmittelbare, zeitlich nicht planbare Einschreiten einer Betreuungsperson erforderlich machten. Für die Einstufung in die Pflegegeldstufe 6 müssten diese Betreuungsmaßnahmen regelmäßig nahezu jede Nacht tatsächlich erbracht werden. Sowohl für Stufe 5 als auch für Stufe 6 sei das Fehlen einer Koordinierungsmöglichkeit maßgeblich; Stufe 6 gehe jedoch insofern über die Stufe 5 hinaus, als bei Stufe 6 ausdrücklich auch auf die Nachtstunden sowie die Unverzüglichkeit der Maßnahmen abgestellt werde.
Ausgehend von diesen Grundsätzen lägen die Voraussetzungen der Stufe 5 für den Zeitraum vor dem 1. 5. 2005 nicht vor. Pflegegeld der Stufe 5 stehe der Klägerin aber jedenfalls ab dem Einsetzen der epileptischen Anfälle zu, weil ab diesem Zeitpunkt der außergewöhnliche Pflegeaufwand im Sinne einer dauernden Bereitschaft zu unterstellen sei. Allerdings habe das Erstgericht diesen Zeitpunkt nur unpräzise und nicht exakt nachvollziehbar festgehalten; insoweit seien konkrete Feststellungen im Zuge des zu ergänzenden Verfahrens erforderlich. Sollten die Anfälle im Monat April akut geworden sein, wäre davon auszugehen, dass jedenfalls ab 1. 5. 2005 eine Erhöhung des Pflegegeldes von der Stufe 4 auf die Stufe 5 gerechtfertigt wäre (§ 6 Abs 4 und 5 lit b TPGG). Die Vollendung des 5. Lebensjahres im Mai 2005 spiele bei der Bemessung des Pflegegeldes keine Rolle. Zur Stufe 6 sei anzumerken, dass der Tatbestand der Eigen- oder Fremdgefährdung als anspruchsbegründend nach allen Verfahrensergebnissen auszuscheiden sei. Entscheidend sei daher, ob zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen anfallen, welche regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen seien. Auch in diesen Punkten seien die erstgerichtlichen Feststellungen nicht in sich schlüssig. Notwendig seien konkrete Feststellungen zu Umständen, die es erforderlich machen, dass unverzüglich (ohne unnötigen Aufschub) durch eine Pflegeperson eingegriffen werden müsse, und dazu, wie häufig diese Umstände auftreten sowie ob diese sowohl bei Tag als auch bei Nacht auftreten können. Dabei könne auch Berücksichtigung finden, in welchem Umfang eine der Klägerin offenbar zukommende Medikation auf die Anfallshäufigkeit Einfluss habe. Dass bei atonischen Anfällen ein unmittelbares Eingreifen notwendig sei, um Lebensgefahr von der Klägerin abzuwenden, verstehe sich von selbst.
Auch bezogen auf die Regelmäßigkeit der Notwendigkeit des Eingreifens bedürften die Feststellungen einer Präzisierung zur Frage der Intervalle der Anfälle, welche Anfälle (tonische oder atonische) dies seien und ob Anfälle tagsüber oder auch in der Nacht auftreten. Regelmäßigkeit könne nach Ansicht des Berufungsgerichtes allerdings nicht bedeuten, dass die Anfälle in genau vorhersehbaren Intervallen auftreten, weil dann das Merkmal der Unkoordinierbarkeit nicht mehr vorliege und insoweit ein Wertungswiderspruch in den gesetzlichen Bestimmungen gegeben wäre. Das Erfordernis der Regelmäßigkeit bringe zum Ausdruck, dass der Anlass für die Betreuungsmaßnahmen nicht nur sporadisch innerhalb längerer Zeitintervalle gegeben sein müsse. So wie bei der Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson könne auch die Notwendigkeit der dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson nicht darauf gegründet werden, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, dass irgendetwas passiere. Diese Überlegungen hätten auch für den Gesichtspunkt der Regelmäßigkeit zu gelten, und zwar in der Weise, dass es für die Zuerkennung der Stufe 6 nicht maßgeblich sein könne, dass möglicherweise und irgendwann in Zukunft vielleicht ein derartiger Anfall auftreten könnte. Anhaltspunkte für die so verstandene Regelmäßigkeit seien im Verfahren (insbesondere in Form des Anfallskalenders) vorhanden. Nicht geteilt werde vom Berufungsgericht die Rechtsprechung des Höchstgerichtes, soweit verlangt werde, dass die unkoordinierbaren Maßnahmen nahzu jede Nacht erforderlich seien. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes lasse sich die Notwendigkeit weder aus der hier nicht einmal anwendbaren Bestimmung des § 7 EinstufungsV ableiten und schon gar nicht aus den einschlägigen Bestimmungen des TPGG und der Pflegebedarfsverordnung. Es sei zwar richtig, dass für die Stufe 6 insgesamt wesentlich intensivere Pflegemaßnahmen erforderlich sein müssten als für die Stufe 5. Dies könne aber nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nicht bedeuten, dass die zeitlich unkoordinierbaren Maßnahmen nahezu jede Nacht erbracht werden müssten oder auch nahezu jeden Tag. Das Kriterium der Regelmäßigkeit bezogen auf Tag und Nacht habe nach Ansicht des Berufungsgerichtes den Sinn, zur zeitlichen Unkoordinierbarkeit der Pflege insgesamt eine weitere Erschwernis zu normieren. Diese besteht darin, dass eine Pflegemaßnahme nicht nur sporadisch, sondern in größeren Zeitintervallen und unkoordinierbar anfallen müsse, dass also die Möglichkeit im Sinne einer Vorhersehbarkeit eines Pflegeplanes nicht möglich sei. Die erforderlichen Pflegemaßnahmen müssten in diesem Sinne in relativ knappen zeitlichen Abständen voneinander anfallen, wobei wohl Intervalle im Ausmaß von 2 oder 3 Tagen die Regelmäßigkeit im Sinne der Auslegung des Berufungsgerichtes nicht beseitigen würden. Gerade der gegenständliche Fall beweise, dass selbst nach den bisher vorliegenden Verfahrensergebnissen wohl eher von einer intensiven Betreuung ausgegangen werden müsse, die auch in kürzeren zeitlichen Intervallen, wenn auch nicht täglich geleistet werden müsse. Es kämen leichtere oder schwerere Anfälle unvorhersehbar und möglicherweise zu unterschiedlichen, wenn auch zeitlich durch einige Tage getrennten Anlässen immer wieder vor, wobei offenbar gleichfalls nicht abschätzbar sei, wann ein lebensbedrohlicher Anfall zu befürchten sei und wann nicht. Zu verlangen, dass geradezu jede Nacht (oder auch jeden Tag) ein solcher Anfall auftreten müsste, sprengte nach Ansicht des Berufungsgerichtes den Wortlaut und den Sinn der anzuwendenden Bestimmungen, wobei hier die besondere, lebensbedrohliche Situation zu betonen sei.
Zur Frage, ob der Betrag von EUR 60,-- nach § 5 des TPGG anzurechnen sei, sei zunächst festzuhalten, dass es § 5 Abs 2 TPGG - im Gegensatz zum BPGG - im Sinne einer Härteklausel ermögliche, von der Anrechnung dieses Betrages Abstand zu nehmen. Auch wenn es sich bei § 5 Abs 2 TPGG um eine Ermessensbestimmung handle, sei sie auch im Rahmen der sukzessiven Kompetenz durch die Arbeits- und Sozialgerichte anzuwenden. Bei der Ermessensentscheidung sei einerseits darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Pflegegeld nur einen Beitrag zur Abgeltung der pflegebedingten Mehraufwendungen darstelle. Im Einzelfall tatsächlich anfallende Kosten für Betreuungs- und Hilfsverrichtungen seien bei der Einstufung nicht zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber nehme in Kauf, dass häufig die tatsächlich pflegebedingten Aufwendungen höher als das bezogene Pflegegeld seien. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie werde dieser Beitrag zur Pflege in pauschalierter Form gewährt. Dabei werde weder auf die konkrete Bedarfslage (wirtschaftliche Bedürftigkeit) des Einzelnen Bedacht genommen noch sei der Rechtsanspruch auf die Gewährung von Pflegegeld vom Einkommen und Vermögen des Betroffenen abhängig. Seit dem 1. 1. 2003 erhöhe sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert sei, monatlich um EUR 138,30. ISd § 8 Abs 4 FLAG gelte als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Sinn oder in der Sinneswahrnehmung bestehe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestes 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung seien die maßgeblichen Bestimmungen des KOVG 1997 heranzuziehen.
Daraus erhelle, dass vom Gesetzgeber sowohl durch das Pflegegeld als auch durch die erhöhte Familienbeihilfe zumindest teilweise eine Unterstützung des behinderten Kindes gewollt sei, offenbar aber eine gänzliche Kumulierung der Leistungen nicht in der Absicht des Gesetzgebers gestanden sei. Die Begründung, die Anrechnungsbestimmung sei damit zu rechtfertigen, dass der Erhöhungsbetrag nur teilweise der Abdeckung pflegebedingter Mehraufwendungen diene, sei rechtspolitisch nicht überzeugend, zumal dann wohl auch ein Teilbetrag anderer versorgungsgesetzlicher Pflegezulagen unberücksichtigt bleiben müsste. Als Anerkennung der besonderen Belastung der Eltern behinderter Kinder lasse sich § 7 zweiter Satz BPGG aber durchaus sachlich begründen. Greife man diesen Gesichtspunkt auf (anders wäre wohl eine Aufsplitterung insgesamt nicht sinnvoll), sei davon auszugehen, dass ein Teil der erhöhten Familienbeihilfe gerade nicht dem Pflegebedarf des Kindes zuzuordnen sei, sondern die diesbezüglichen Mühen der Eltern im Rahmen der ihnen obliegenden Obsorge abgelten solle. Dies bedeute aber weiter, dass von einer Anrechnung des Betrages von EUR 60,-- iSd § 5 Abs 2 TPGG nur dann abgesehen werden könne, wenn ganz besondere Umstände vorlägen, die es erforderten, dass auch dieser Betrag unabdingbar notwendig sei, um die mit der Pflege erforderlichen Aufwendungen abzudecken. In diesem Sinn könne eben von einer sozialen Härte nur dann die Rede sein, wenn eine ganz besondere und außergewöhnliche, überdurchschnittliche Belastung mit Pflegeaufwendungen vorliege, die es erforderlich mache, auch die EUR 60,-- dem Pflegebedürftigen zukommen zu lassen.
Damit sei bei der Beurteilung der sozialen Härte von zwei Komponenten auszugehen: Zum einen seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kindes und - wenn das Kind nicht selbsterhaltungsfähig sei - die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Eltern insgesamt maßgeblich, seien doch die Unterhaltskosten im notwendigen, hier durch die Behinderung klarerweise ausgedehnten Umfang nach § 140 ABGB von den Eltern zu tragen. Die Einkommenssituation der Eltern sei vom Erstgericht zwar bereits festgestellt worden; nicht klar sei indes, ob in den jeweils angeführten Beträgen die Familienbeihilfe bereits inkludiert sei oder nicht. Klarzustellen sei hier sogleich, dass es selbstverständlich nur auf die Familienbeihilfe der Klägerin ankomme, nicht jedoch auf die allenfalls bezogene Familienbeihilfe für ihre Halbschwester. Die Familienbeihilfe sei nach dem verbleibenden Teil des § 12a FLAG jedenfalls kein Einkommen des Kindes, sondern auch weiterhin grundsätzlich Betreuungshilfe für den das Kind betreuenden Elternteil. Eben dies habe nach der offenbaren Absicht des Gesetzgebers für den den Anrechnungsbetrag übersteigenden Teil der erhöhten Familienbeihilfe zu gelten, sodass bei der Prüfung der Einkommenssituation im hier vorliegenden Fall die Familienbeihilfe als Einkommen der Eltern einzubeziehen sei.
Ein zweiter Parameter seien die durch die Pflege der Klägerin bedingten Aufwendungen, wobei es nach Ansicht des Berufungsgerichtes genüge, diese (in Anwendung des § 273 ZPO) anhand vorzulegender, nachvollziehbarer Aufzeichnungen einzuschätzen. Auch hiezu sei anzumerken, dass selbstverständlich solche Aufwendungen nicht zu berücksichtigen seien, die etwa durch die Sozialversicherung (Krankenversicherung) zu tragen seien. In Frage kommen könnten höchstens notwendige und zweckmäßige, über diese Sozialversicherungsleistung hinausgehende Aufwendungen der Eltern im Zusammenhang mit der Behinderung.
In einem weiteren Schritt sei dann zu prüfen, inwieweit diese Aufwendungen durch das nach Ansicht des Erstgerichtes zuzuerkennende Pflegegeld gedeckt seien und inwieweit sich eine Differenz zwischen diesen Aufwendungen und dem Pflegegeld ergebe.
In einem letzten Schritt sei schließlich zu prüfen, inwieweit diese durch das Pflegegeld nicht gedeckten Aufwendungen im Familieneinkommen Deckung finden könnten oder nicht. Um diese Berechnung der Deckung durchzuführen, biete es sich an, das Existenzminimum nach der Exekutionsordnung unter Berücksichtigung der einschlägigen Steigerungsbeträge (§ 291a EO) als Familieneinkommen zu berechnen. Fänden die Mehraufwendungen zwischen dem so zu ermittelnden Existenzminimum (Familieneinkommen) und dem tatsächlich erzielten und anzurechnenden Familieneinkommen Platz, könne von einer sozialen Härte (eine solche könne nur den Ausnahmefall darstellen) nicht ausgegangen werden. Sei dies nicht der Fall, wäre das Pflegegeld ohne Anrechnung des Betrages von EUR 60,-- zuzuerkennen. In diesem Sinne sei dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da zur Rechtsfrage der Anrechenbarkeit gemäß § 5 Abs 2 TPGG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Auch die vom Berufungsgericht geforderten Voraussetzungen für eine Einstufung in die Stufe 6 nach dem TPGG seien nicht durch eine eindeutige höchstgerichtliche Judikatur gesichert, sodass auch diesbezüglich eine erhebliche Rechtsfrage vorliege, die für die Zulässigkeit des Rekurses an das Höchstgericht spreche.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse der Klägerin und der beklagten Partei jeweils aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die klagende Partei beantragt, der Oberste Gerichtshof wolle „den angefochtenen Beschluss aufheben und eine Entscheidung im Sinne der Berufungsanträge herbeiführen" (in der Berufung wurde die Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 5 bis einschließlich März 2005 und von Pflegegeld der Stufe 6 ab April 2005 ohne jeden Abzug begehrt). Die beklagte Partei strebt eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils mit einer anderen zu überbindenden Rechtsansicht an.
In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die beklagte Partei, den Rekurs der klagenden Partei als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen beantragen beide Parteien, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.
1. Zum Inhalt der Rekurse:
1.1. Zum Rekurs der Klägerin:
1.1.1. Die Klägerin wendet sich zum einen gegen die Rechtsansicht des
Berufungsgerichtes, dass die Wahrscheinlichkeit einer Eigengefährdung
als Grundlage für die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6 nicht in
Betracht komme. Die atonischen Anfälle der Klägerin, die nicht
vorhersehbar seien, führten zum Erbrechen; dieses Erbrechen wiederum
bedeute Erstickungs- und daher Lebensgefahr, wenn nicht eine
Betreuungsperson die Mundhöhle ausräume und eine entsprechende
Seitenlagerung durchführe
1.1.2. Zum anderen vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Frage
der unbilligen Härte bei der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe
allein nach ihrem Einkommens- und Vermögensstand und nicht dem der
Familie zu beurteilen sei. Als Einkommen der Klägerin komme nur die
Unterhaltsleistung des Vaters in Betracht, die aufgrund der geringen
Höhe des Einkommens des Vaters jedenfalls hinter dem Regelbedarf
zurückbleiben müsse. Schon aus diesem Grund liege in einer Anrechnung
der erhöhten Familienbeihilfe eine unbillige Härte vor, die weitere
vom Berufungsgericht verlangte Erhebungen entbehrlich machten.
1.2. Zum Rekurs der beklagten Partei:
1.2.1. Nach Ansicht der beklagten Partei sind die
Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zu allen relevanten Fragen
ausreichend und weder konkretisierungs- noch ergänzungsbedürftig,
insbesondere auch zur Frage, ob wann die dauernde Bereitschaft
erforderlich ist (die beklagte Partei geht diesbezüglich von Mai 2005 aus, weshalb Pflegegeld der Stufe 5 ab 9. 5. 2005 zustehe).
1.2.2. In der Frage, ob der Klägerin Pflegegeld der Stufe 6 zustehe, weiche das Berufungsgericht nach dem Standpunkt der beklagten Partei vom Gesetzeswortlaut und von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab, wonach dauernde Beaufsichtigung im Sinne von zeitlichen unkoordinierbaren Betreuungsmaßnahmen regelmäßig sowohl während des Tages als auch der Nacht erforderlich sein müssten.
2. Pflegegeld der Stufe 4, 5 oder 6?
2.1. Im Hinblick auf das Antragsdatum 4. 5. 2004 kommt ein Zuspruch von Pflegegeld gemäß § 6 Abs 1 lit a TPGG erst ab 1. 6. 2004 in Betracht.
2.2. Der Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 4 ab 1. 6. 2004, aber auch
von Pflegegeld der Stufe 5 ab 9. Mai 2005 blieb von Seiten der
beklagten Partei unangefochten. Die Klägerin wiederum hat die
Abweisung des auf Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 6 bis 31. 3. 2005
gerichteten Begehrens in ihrer Berufung nicht bekämpft. Strittig sind
im Rechtsmittelverfahren daher zusammengefasst die Fragen
- des Anspruchs der Klägerin auf Pflegegeld der Stufe 5 (statt Stufe
4) für den Zeitraum von 1. 6. 2004 bis 31. 3. 2005 und
- des Anspruchs auf Pflegegeld der Stufe 6 ab 1. 4. 2005 (statt Stufe
4 bis 8. 5. 2005 und statt Stufe 5 ab 9. 5. 2006).
Vorauszuschicken ist, dass bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von
Personen, die - wie die Klägerin - das 14. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen ist,
das über das erforderliche Ausmaß an Pflege von gleichaltrigen nicht
behinderten Personen hinausgeht (§ 2 Abs 3 TPGG; inhaltlich gleich §
4 Abs 3 BPGG).
In Übereinstimmung mit § 4 Abs 2 BPGG steht nach § 2 Abs 2 TPGG
Pflegegeld der Stufe 5 Personen zu, deren Pflegebedarf
durchschnittlich mehr als 180 Stunden im Monat beträgt, wenn ein im Gesetz nicht näher determinierter „außergewöhnlicher Pflegeaufwand" erforderlich ist. Dieser liegt nach § 6 der Pflegebedarfsverordnung (wiederum in Übereinstimmung mit § 6 EinstV) vor, „wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist". Für die Pflegegeldstufe 6 verlangt § 2 Abs 2 TPGG, dass neben einem Pflegeaufwand von durchschnittlich mehr als 180 Stunden im Monat entweder
a) zeitlich nicht koordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich sind und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind oder
b) die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist (ebenso § 4 Abs 2 BPGG; zwischen „unkoordinierbar" und „nicht koordinierbar" besteht kein inhaltlicher Unterschied).
Ob die Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines qualifizierten Pflegebedarfs vorliegen, ist Rechts- und nicht Sachverständigenfrage (10 ObS 101/97v = SSV-NF 11/48); allerdings sind verlässliche Tatsachenfeststellungen als Grundlage für die Beurteilung notwendig (Greifeneder/Liebhart, Handbuch Pflegegeld [2004] Rz 333).
2.2.1. Betreffend den Zeitraum von 1. 6. 2004 bis 31. 3. 2005 ist offen, ob ein qualifizierter Pflegebedarf iSd Stufe 5 gegeben ist. Geht man vorerst von dem in § 6 der Pflegebedarfsverordnung genannten Erfordernis der dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson aus, so wird - im Unterschied zu Stufe 6 - nicht verlangt, dass permanent eine Pflegeperson bei der pflegebedürftigen Person oder in deren unmittelbarer Nähe anwesend ist, weil die Erbringung der notwendigen Pflegeleistungen nicht unverzüglich notwendig, sondern auch in gewissen zeitlichen Abständen möglich ist. Es müssen Umstände vorliegen, die einen Betreuungsaufwand bedingen, der jederzeit auftreten kann und daher das unmittelbare, zeitlich nicht planbare
Einschreiten einer Pflegeperson erforderlich macht (10 ObS 372/97x =
SSV-NF 13/7 = SZ 72/21; RIS-Justiz RS0106361 [T4]). Hingegen reicht
es nicht für die Annahme einer dauernden Bereitschaft, wenn bloß nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass irgendetwas passiert (10 ObS 210/02h = SSV-NF 16/110; 10 ObS 170/04d; RIS-Justiz RS0107442 [T23]; Greifeneder/Liebhart aaO Rz 339). Selbst wenn § 6 der Pfegebedarfsverordnung die qualifizierenden Umstände eines außergewöhnlichen Pflegebedarfs nicht abschließend umschreibt (siehe Greifeneder/Liebhart aaO Rz 335), sind den Feststellungen (für den Zeitraum bis zum Auftreten der schweren epileptischen Anfälle) besondere, die Pflege zusätzlich erschwerende Elemente, die noch dazu über das „normale" Pflegeausmaß bei Kleinkindern hinausgehen, nicht zu entnehmen. Im Vordergrund steht die Essenssituation durch das lange Verweilen der Mahlzeiten im Mund und die Schluckprobleme, die immer wieder mit Erbrechen verbunden sind. Der mit der Einnahme der Mahlzeiten verbundene hohe Zeitaufwand ist bereits bei den Voraussetzungen für die Stufe 4 berücksichtigt, ohne dass noch ein weiterer qualifizierender Umstand wie die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson hinzukäme.
2.2.2. Betreffend den Zeitraum ab dem Auftreten der schweren epileptischen Anfälle geht der Pflegeaufwand über die Stufe 4 hinaus. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass es näherer Feststellungen über den Zeitpunkt des Beginns dieser Anfälle bedarf, kann nicht entgegen getreten werden. Aus § 6 Abs 5 lit b TPGG geht hervor, dass die Erhöhung des Pflegegeldes wegen einer Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfs mit dem Beginn des Monats wirksam wird, der auf die Geltendmachung der maßgebenden Veränderung oder der von Amts wegen eingeleiteten ärztlichen Feststellung folgt. Der Umstand der Vollendung des 5. Lebensjahres spielt für sich für die Pflegegeldeinstufung keine Rolle.
Nach den - vom Berufungsgericht allerdings zum Teil als zu wenig konkret bemängelten - Feststellungen zeigen sich die Anfälle in zwei Arten. Bei den atonischen Anfällen kommt es zu einer kurzfristigen Bewusstlosigkeit mit Blauverfärbung und teilweisem Erbrechen. Bei den tonischen Anfällen tritt eine Verkrampfung mit starrem angstvollen Blick, Hyperventilationen und Angstzuständen ein. Im Vordergrund stehen die tonischen Anfälle. Die Anfälle (auch ihre Art) können im Verlauf erheblich variieren. Das Auftreten der Anfälle - und allenfalls lebensbedrohlicher Situationen (Erstickungsgefahr bei Erbrechen) - lässt sich kaum vorausblickend einschätzen. Nachts wird die Klägerin an ein Überwachungssystem angeschlossen, sodass allfällige Irritationen angezeigt werden. Aktuell treten die Anfälle nicht täglich auf, wenngleich ihr Auftreten nie vorhersehbar ist. Wie bereits dargestellt steht Pflegegeld der Stufe 6 in zwei Alternativen zu, nämlich einerseits bei fehlender Koordinierbarkeit der Betreuungsmaßnahmen, die „regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind" (Z 1) und andererseits beim Erfordernis der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht wegen der Wahrscheinlichkeit einer Eigen- und Fremdgefährdung (Z 2). Die beklagte Partei sieht mangels des Erfordernisses dauernder Beaufsichtigung auch nach dem 31. 3. 2005 keine dieser beiden Alternativen erfüllt, während die Klägerin beide Alternativen als gegeben erachtet.
Die Voraussetzung von unkoordinierbaren Pflegemaßnahmen auch bei Nacht bedeutet nach ständiger Judikatur, dass ein solcher Bedarf nahezu jede Nacht erforderlich sein muss (10 ObS 218/99b = SSV-NF 14/42; 10 ObS 224/03v; RIS-Justiz RS0107442 [T16];
Greifeneder/Liebhart aaO Rz 344; in diesem Sinn auch ausdrücklich RV 1186 BlgNR 20. GP 11) Gleiches gilt vice versa für untertags erforderliche Pflegemaßnahmen. Die bloße Möglichkeit, dass Pflege benötigt wird, schließt aus, dass diese Hilfeleistung regelmäßig tatsächlich erbracht werden muss, weshalb keine unkoordinierbare
Pflege erforderlich ist (10 ObS 22/02m = SSV-NF 16/26; 10 ObS 82/02k
= RIS-Justiz RS0106362 [T26]; Greifeneder/Liebhart aaO Rz 345). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass sich das Kriterium der „Regelmäßigkeit" nicht auf genau vorhersehbare Intervalle bezieht, ist zweifellos richtig, bestünde doch sonst ein unüberbrückbarer Widerspruch zur Unkoordinierbarkeit. Wie auch das Kriterium der „dauernden Anwesenheit" in Z 2 zeigt, drückt der Begriff „regelmäßig" allerdings eine besondere Häufigkeit aus, die bei einem Bedarf zum Tätigwerden im bestimmten Einzelsituationen, die im Durchschnitt alle zwei oder drei Tage auftreten (und nicht sowohl bei Tag als auch bei Nacht), nicht erreicht wird. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass von der dargestellten strengen Judikatur abzugehen, da andernfalls die besondere Zusatzerschwernis der Pflege, die die Pflegegeldstufe 6 von den Stufen 4 und 5 unterscheidet, nicht entsprechend berücksichtigt würde; insbesondere wäre auch eine Abgrenzung von der Stufe 5 kaum mehr möglich. Im Vergleich zur Stufe 5 soll bei der Stufe 6 die viel stärkere Intensität der notwendigen Pflegemaßnahmen abgegolten werden, wie auch die Judikatur zur zweiten Alternative der Stufe 6 zeigt.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts § 2 Abs 2 Stufe 6 lit b TPGG nicht erfüllt ist, ist im Ergebnis zu teilen, weil zwar die dauernde Bereitschaft, nicht aber die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson in der gegebenen Situation erforderlich ist. Die „dauernde Anwesenheit" würde eine weitgehend permanente Anwesenheit einer Pflegeperson im Wohnbereich bzw in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen - weil im Einzelfall besonders häufig und/oder besonders dringend ein Bedarf nach fremder Unterstützung auftritt, und zwar sowohl bei Tag als auch in der Nacht - voraussetzen (Greifeneder/Liebhart aaO Rz 347 ff mit Nachweisen aus der Judikatur; RIS-Justiz RS0106362, zuletzt 10 ObS 32/06p). Auch das Erfordernis der ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson kann nicht darauf aufgebaut werden, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass etwas passiert (RIS-Justiz RS0106362 [T32]), und sei es, dass - wie hier möglich - eine durchaus lebensbedrohliche Situation für die Klägerin eintritt. Zutreffend hat das Berufungsgericht in Bezug auf die Häufigkeit und Intensität der Notwendigkeit des Eingreifens bei Anfällen den Sachverhalt als ergänzungsbedürftig beurteilt.
3. Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe?
Nach § 5 Abs 1 Satz 2 TPGG ist vom Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder nach § 8 Abs 4 FLAG ein Betrag von EUR 60,-- im Monat auf den Pflegegeldanspruch anzurechnen. Anders als nach den übrigen acht Landespflegegeldgesetzen und dem BPGG kann nach § 5 Abs 2 Satz 1 TPGG ausnahmsweise von der Anrechnung abgesehen werden, wenn dies zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten scheint.
Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit den Kriterien für das ausnahmsweise Absehen von einer Anrechnung auseinandergesetzt und ist letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass zu prüfen ist, ob die durch das Pflegegeld nicht gedeckten Aufwendungen (unter Berücksichtigung des exekutionsrechtlichen Existenzminimums) im Familieneinkommen Deckung finden oder nicht. Demgegenüber meint die Klägerin, dass eine unbillige Härte schon dann vorliege, wenn „die Unterhaltsleistung aufgrund der geringen Höhe des Einkommens des Vaters jedenfalls hinter dem Regelbedarf zurück bleiben" müsse, weshalb die vom Berufungsgericht aufgetragenen Erhebungen entbehrlich seien. Dieser allein auf die Höhe einer potenziellen Geldunterhaltspflicht eines Elternteils abstellenden Ansicht der Klägerin steht jedoch entgegen, dass der Begriff der „sozialen Härte" strenger ist als ein Zurückbleiben eines potenziellen Geldunterhaltsanspruchs hinter dem Regelbedarf. Die Methode des Berufungsgerichtes, nach der die soziale Härte dann zu bejahen ist, wenn auch das Existenzminimum der Familie durch Pflegeaufwendungen für die Klägerin angetastet wird, kann als sachgerecht angesehen werden. Dabei ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu betonen, dass die Familienbeihilfe für die Halbschwester nicht in das Familieneinkommen einzubeziehen ist (vgl § 290 Abs 1 Z 9 EO).
Im Hinblick auf die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kann der Oberste Gerichtshof den Aufträgen zur Verfahrensergänzung nicht entgegentreten.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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