OGH 6Ob84/06f

OGH6Ob84/06f27.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Markus O*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 30.468,52 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Februar 2006, GZ 2 R 24/06f-13, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Mandant kann für in seinem Namen getätigte ehrenbeleidigende Äußerungen seines Rechtsanwalts nicht nach § 1330 ABGB verantwortlich gemacht werden, wenn die Äußerungen vollmachtslos erfolgten oder die erteilte Vollmacht überschritten (6 Ob 2010/96y = AnwBl 1997/7415). Andernfalls muss der Mandant für die Äußerungen dann einstehen, wenn er den Rechtsanwalt durch Übermittlung der entsprechenden Tatsachen dazu angeleitet hat; auch alle mittelbaren Tathandlungen als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen sind von der Haftung umfasst (6 Ob 2383/96a = AnwBl 1997/7415; vgl RIS-Justiz RS0031901). Der Oberste Gerichtshof hat im zweiten Arbeitsgerichtsverfahren zwischen der Klägerin und dem Mandanten des Beklagten ausgeführt, es fehle jeglicher Hinweis darauf, dass der Mandant den Beklagten angestiftet hätte, über das mit dem Schriftsatz im ersten Arbeitsgerichtsverfahren verbundene sachliche Anliegen hinaus provokante und beleidigende Äußerungen in diesen aufzunehmen. Im Gegenteil seien die im Schriftsatz verwendeten Formulierungen des Beklagten nicht mit seinem Mandanten abgesprochen worden. Dieser habe wohl auch nicht mit den Entgleisungen seines Rechtsanwalts rechnen müssen, zumal derartige Formulierungen selbst für gerichtserfahrene Personen absolut überraschend wirken mussten (9 ObA 116/04f). Damit hat aber der Beklagte selbst für die im Schriftsatz enthaltenen ehrenbeleidigenden Äußerungen gegenüber der Klägerin nach § 1330 Abs 1 ABGB einzustehen.

2. Die Kosten von Rechtsverfolgungs- und Rechtsverteidigungshandlungen können Gegenstand eines Schadenersatzanspruchs sein, wenn zwischen den Prozessparteien nicht nach den öffentlich-rechtlichen Verfahrensvorschriften zu erkennen ist, etwa wenn einer Partei Prozesskosten durch Verschulden eines Dritten verursacht wurden (RIS-Justiz RS0022827). Sie sind typischerweise reine Vermögensschäden, deren Verursachung dann ersatzpflichtig macht, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus der Verletzung vertraglicher Pflichten, aus der Verletzung absoluter Rechte oder aus der Übertretung von Schutzgesetzen ableiten lässt (6 Ob 40/03f = RdW 2004/176). Bei deliktisch zugefügten Schäden ist Voraussetzung einer Haftung ein Eingriff in ein absolut geschütztes Gut oder die Verletzung eines Schutzgesetzes (6 Ob 163/05x).

Schutzobjekt des § 1330 Abs 1 ABGB ist die zu den absoluten Rechten zählende Personenwürde (Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 1330 Rz 2 mwN; 6 Ob 40/03f). Die Bestimmung will Schäden, die aus der Diskriminierung entstehen können, vorbeugen; diese liegen somit im Rechtswidrigkeitszusammenhang (Reischauer in Rummel, ABGB³ [2004] § 1330 Rz 3). Der Verletzer hat dabei auch für an die Ehrverletzung anknüpfende Vermögensschäden einzustehen (Danzl, aaO Rz 11; vgl 6 Ob 37/95 = SZ 69/12).

3. Wird ein zunächst eingetretener Schaden durch Handlungen des Geschädigten vergrößert, die eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf das schädigende Ereignis darstellen und daher mit diesem in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehen, rechnet die ständige Rechtsprechung diese Schadensfolgen nicht mehr dem Verletzer zu, wenn sie auf einem selbstständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Geschädigten selbst beruhen. In einem solchen Fall hat sie der Geschädigte selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0022912). Ob die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens noch gerechtfertigt ist, ergibt sich aus einer umfassenden Interessenabwägung. Maßgeblich ist, ob die Belastungsmomente auf Seite des Verletzten jene des Verletzers bei weitem überwiegen (2 Ob 155/97a = JBl 1999, 533; 1 Ob 148/05d = ÖBA 2006/1340).

Das Ergebnis dieser Interessenabwägung betrifft den Einzelfall und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl 1 Ob 148/05d). Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Verfahren jene Schäden, die dadurch entstanden sind, dass die Klägerin die vom Beklagten ausgehenden Beleidigungen dessen Mandanten als ihrem Arbeitnehmer zurechnete und zum Anlass nahm, dessen - ungerechtfertigte - Entlassung auszusprechen, nicht mehr dem Beklagten zugerechnet. Darin kann vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung schon allein deshalb keine grobe Fehlbeurteilung erkannt werden, weil die Organe der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen vor Entlassung des Mandanten des Beklagten Erkundigungen über das Zustandekommen des Schriftsatzes und die Umstände, wie dieser Schriftsatz in die Hände eines Journalisten gelangen konnte, nicht eingeholt haben. Im darauffolgenden Arbeitsgerichtsverfahren hat der Mandant des Beklagten aber von Vorneherein darauf hingewiesen, dass die Formulierungen im Schriftsatz vom Beklagten stammten (AS 77) und auch der Beklagte den Schriftsatz an den Journalisten weiterleitete (AS 91 f).

Stichworte