OGH 2Ob104/05s

OGH2Ob104/05s1.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich W*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagten Parteien 1.) Monika B*****, und 2.) U***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wegen (restlich) EUR 31.474,61 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 25. November 2004, GZ 4 R 207/04z-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 6. September 2004, GZ 4 Cg 130/02p-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird auf „U***** AG" berichtigt.

2.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (EUR 12.413,11 sA) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die hierauf entfallenden Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zu 1.): Der Kläger hat die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei mit Schriftsatz vom 12. 7. 2005 von „U*****-AG" auf den von der zweitbeklagten Partei während des Verfahrens selbst verwendeten Firmenwortlaut „U***** AG" richtig gestellt. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO antragsgemäß zu berichtigen.

Zu 2.): Der 1930 geborene Kläger wurde am 2. 8. 2001 als Lenker seines Leichtmotorrades bei einem Verkehrsunfall, den die Erstbeklagte mit einem bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW verschuldet hat, schwer verletzt. Er erlitt eine Hüftluxationsfraktur links, einen Bruch des linken Fersenbeins mit Luxation im Calcaneocuboidal-Gelenk, eine Kahnbeinfissur im rechten Handgelenk und zahlreiche Abschürfungen und Contusionen am linken Unterschenkel. Die Verletzungen des Klägers wurden im Landeskrankenhaus Bruck an der Mur operativ versorgt. Am 4. 9. 2001 wurde der Kläger in häusliche Pflege entlassen, eine Teilbelastung des linken Beines mit 10 kg war möglich. Ab 11. 10. 2001 durfte der Kläger das linke Bein zunehmend belasten. Bei einer Kontrolluntersuchung an diesem Tag wurde ein „suspektes Nachhintenwandern" des Hüftkopfes festgestellt. Es bestand weiterhin eine hochgradige Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk. Wegen einer sich entwickelnden Hüftkopfnekrose litt der Kläger zunehmend an ausgeprägten Schmerzen im Bereich der linken Hüfte, deren Beugung mit 60° limitiert war. Diese Beschwerden führten zur Implantation einer Hüft-Totalendoprothese anlässlich eines weiteren stationären Aufenthaltes des Klägers vom 2. 1. bis 17. 1. 2002 im Landeskrankenhaus Bruck an der Mur. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Der Kläger wurde mit blanden Wundverhältnissen und gehfähig bei schmerzabhängiger Vollbelastung aus dem Krankenhaus entlassen. Danach besserte sich sein Allgemeinzustand wesentlich. Am 14. 2. 2002 war der Kläger subjektiv beschwerdefrei. Im Röntgen zeigte sich ein idealer Sitz der Hüftprothese. Zu diesem Zeitpunkt belastete der Kläger unter Zuhilfenahme von Stützkrücken das linke Bein bereits voll. Am 22. 3. 2002 wurde er wegen einer Luxation der linken Hüftprothese wieder stationär aufgenommen. Die Prothese wurde reponiert und der Kläger mit einem Hüftgurt, welchen er sechs Wochen tragen sollte, mobilisiert und am 30. 3. 2002 nach Hause entlassen. Bei der ambulanten Untersuchung am 12. 8. 2002 war der Kläger im Bereich der Hüfte subjektiv beschwerdefrei; es bestand freie Beweglichkeit bei jedoch noch stark hinkendem Gangbild, weshalb eine Fortführung der Physiotherapie empfohlen wurde. Die ambulante Untersuchung am 26. 2. 2003 ergab keine Hinweise auf eine Lockerung der Prothese. Dem Kläger wurde zum Ausgleich einer Verkürzung des linken Beines um etwa 1 cm eine Schuherhöhung angeraten. Die Beweglichkeit der linken Hüfte war zum Zeitpunkt dieser Untersuchung sehr gut; eine Beugung bis über 100 ° bei endlagiger Streckung und freier Ab- und Adduktion war möglich. Der Kläger verwendete zur Sicherheit eine Stützkrücke.

Zum Zeitpunkt des Unfalles hielt der Kläger neben dem Leichtmotorrad einen VW Golf III mit einem Hubraum von 1800 cm3 und 90 PS, welcher 1992/93 erstmals zum Verkehr zugelassen worden war und im August 2001 einen Kilometerstand von etwa 68.000 aufwies. Das Fahrzeug verfügte über eine Zentralverriegelung und ein serienmäßiges Schaltgetriebe. Zwischen November 2001 und August 2002 war es dem Kläger infolge der ausgeprägten Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes und der sich unfallskausal entwickelten Femurkopfnekrose nicht möglich, ein Fahrzeug mit serienmäßigem Schaltgetriebe zu lenken. Er konnte erst ab August 2002 auf Grund der wiederhergestellten Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes und Sprunggelenkes sowie auf Grund der Vollbelastung des linken Beines wieder ein Kupplungspedal betätigen und ein Kraftfahrzeug mit mechanischer Gangschaltung ohne Einschränkung bedienen. Kurz davor, am 16. 7. 2002, hatte der Kläger einen fabrikneuen VW Polo Comfortline mit Klimaanlage, Leichtmetallrädern, elektrischen Fensterhebern und Automatikgetriebe als Sonderausstattung um EUR 16.546,75 gekauft. Danach veräußerte er seinen VW Golf um EUR 3.633,64. Von der Umrüstung des VW Golf von Schalt- auf Automatikgetriebe, die einen Kostenaufwand von etwa EUR 4.500,-- verursacht hätte, hatte ihm „sein" Autohändler mit Hinweis auf das Alter des Fahrzeuges abgeraten. Eine solche Maßnahme, die neben der Getriebeumrüstung auch die Nachrüstung der gesamten elektrischen und elektronischen Getriebesteuerung und die Anpassung der Pedalerie und Bedienungselemente erfordert hätte, wäre aus kaufmännischer und technischer Sicht unwirtschaftlich gewesen. Der Bestand an Gebrauchtfahrzeugen mit Automatikgetriebe betrug damals etwa 5 bis 8 % des Gesamtbestandes an Gebrauchtfahrzeugen. In der Gebrauchtwagenbörse wurden etwa 13.000 Gebrauchtfahrzeuge der Marke VW, davon rund 1.250 mit Automatikgetriebe, angeboten. Der Wert des VW Golf des Klägers betrug im Oktober 2000 EUR 5.700,- -. In den Jahren 2001/2002 divergierte der Marktpreis zwischen einem VW Golf mit Automatikgetriebe und einem solchen mit Schaltgetriebe bei sonst ähnlicher Fahrzeugausstattung und ähnlicher Laufleistung bei Gebrauchtfahrzeugen um EUR 500,-- und bei Neufahrzeugen der Type Golf GL bzw Golf GL Automatik um EUR 1.500,- -. Hätte der Kläger auf dem Fahrzeugmarkt in den Jahren 2001 und 2002 auf Gebrauchtwagenbörsen, im Internet, in Inseraten und telefonisch bewusst nach einem gebrauchten VW Golf mit Automatikgetriebe gesucht, wäre auf dem österreichischen Markt ein derartiges Fahrzeug zu finden gewesen.

Dem Feststellungsbegehren des Klägers wurde mit Teilanerkenntnisurteil des Erstgerichtes vom 30. 1. 2003 stattgegeben. Sein Leistungsbegehren von zuletzt EUR 31.474,61 sA umfasste neben Schmerzengeld, Kleiderschaden, Besuchskosten, Kosten des Pflegeaufwandes, Heilmittelkosten und Verdienstentgang auch die mit EUR 13.094,79 geltend gemachten Anschaffungskosten des VW Polo. Nur dieser Teilanspruch bildet den Gegenstand des Revisionsverfahrens. Dazu brachte der Kläger vor, er habe aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse Anspruch auf ein zur Erhaltung seiner Mobilität geeignetes Fahrzeug mit Automatikgetriebe, wobei er sich nicht auf den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeuges verweisen lassen müsse. Die beklagten Parteien hätten ihm daher die Anschaffungskosten von EUR 16.546,75 zuzüglich der Ummeldespesen von EUR 181,68 abzüglich des Verkaufserlöses für den VW Golf von EUR 3.633,64, somit EUR 13.094,79 zu ersetzen.

Die beklagten Parteien wandten ein, der Kläger sei weiterhin in der Lage, ein Fahrzeug mit Schaltgetriebe zu lenken. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, sei sein Ersatzanspruch auf den mit dem Umrüsten seines Fahrzeuges oder dem Ankauf eines Gebrauchtfahrzeuges mit Automatikgetriebe verbundenen Mehraufwand beschränkt. Der Zuspruch der Kosten eines - noch dazu mit zahlreichen Extras ausgestatteten - neuen Fahrzeuges mit Automatikgetriebe widerspräche der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzrechtes und würde zu einer Bereicherung des Klägers führen. Dieser habe gegen die ihn treffende Schadensminderungspflicht verstoßen.

Das Erstgericht gab dem (restlichen) Klagebegehren mit EUR 11.351,91 (davon umfasst EUR 681,68 Fahrzeugkosten) sA statt und wies das Mehrbegehren von EUR 20.122,70 sA ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen vertrat es die Rechtsansicht, die vermehrten Bedürfnisse des Klägers lägen - wenn auch nur für einen befristeten Zeitraum - darin, dass er wegen seiner unfallskausalen Verletzungen das von ihm bis zum Unfall verwendete Kraftfahrzeug nicht mehr benützen habe können und ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe benötigt habe. Da die Umrüstung seines bisherigen Fahrzeuges als unwirtschaftlich nicht in Frage gekommen sei, sei zur Herstellung seiner Mobilität der Ankauf eines Fahrzeuges mit Automatikgetriebe erforderlich gewesen. Der Kläger hätte aber auch ohne den Unfall wieder einen PKW angeschafft. Sein unfallbedingter Mehraufwand bestehe daher nur im Marktpreisunterschied zwischen einem PKW Golf mit Automatikgetriebe und einem solchen Fahrzeug ohne diese Ausstattung, dies seien EUR 500,- -. Zusätzlich seien ihm die Ummeldespesen von EUR 181,68 zu ersetzen.

Dieses Urteil erwuchs in Ansehung seines stattgebenden sowie des ein Teilbegehren von EUR 2.209,59 sA abweisenden Teiles in Rechtskraft.

Das hinsichtlich der Abweisung weiterer EUR 17.913,11 sA vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil im angefochtenen Umfang und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die - in einem Punkt „korrigierten" - Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte zu den Fahrzeugkosten in rechtlicher Hinsicht, die Meinung des Erstgerichtes, der Kläger hätte sich auch ohne Unfall ein Neufahrzeug angeschafft, finde in den Beweisergebnissen keine Deckung. Dies könne aber für sich allein betrachtet nicht zu dem angestrebten Zuspruch führen. Anders als in dem der Entscheidung 2 Ob 2031/96g zugrundegelegenen Sachverhalt könne im Falle des Klägers von einer dauernden Beeinträchtigung, welche die Anschaffung eines Neufahrzeuges mit Automatikgetriebe rechtfertigen würde, keine Rede sein, sei der Kläger doch ab August 2002 wieder in der Lage gewesen, einen PKW mit mechanischer Kupplung zu lenken. Die Abgeltung vermehrter Bedürfnisse verfolge das Ziel, die Lebensführung eines Verletzten jener einer gesunden Person anzugleichen. Der dem Verletzten zustehende Ersatz derartiger Aufwendungen, die ohne den Unfall nicht entstanden wären, beruhe darauf, dass der Ersatzpflichtige zur umfassenden Wiederherstellung des Zustandes vor der Verletzung oder einer im Wesentlichen gleichen Ersatzlage verpflichtet sei. Dabei entspreche es zwar ständiger Lehre und Rechtsprechung, dem Verletzten zum Ausgleich einer schweren Gehbehinderung einen Anspruch auf Kosten und Instandhaltung eines PKWs zur Wiedererlangung der Mobilität zuzubilligen. Beim Kläger liege allerdings eine derartige schwere Gehbehinderung nicht vor. Da seine Mobilität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall wiederhergestellt und ihm ab diesem Zeitpunkt die Verwendung seines eigenen PKWs wieder möglich gewesen sei, bestehe kein Anlass, den beklagten Parteien die mit dem erst kurz davor beschlossenen Erwerb eines Neufahrzeuges mit Automatikgetriebe verbundenen Kosten aufzuerlegen. Der Neuwagenkauf sei nicht durch die Verletzungsfolgen bedingt, zur Wiederherstellung der Mobilität nicht notwendig gewesen und stelle daher keine adäquate Unfallsfolge dar. Die bloß vorübergehend bestandene Notwendigkeit der Benützung eines PKWs mit Getriebeautomatik rechtfertige allenfalls den Ersatz der Kosten einer Umrüstung abzüglich eines allenfalls verbliebenen Vorteiles. Derartige Kosten habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren aber ebenso wenig geltend gemacht, wie den Preisunterschied zu einem Neufahrzeug. Es habe daher beim erstinstanzlichen Zuspruch zu verbleiben, zumal die Wiedererlangung der Mobilität zumindest ab April 2002 absehbar gewesen und die Auslieferung des Neufahrzeuges am 16. 7. 2002 erfolgt sei.

Auf Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht mit Beschluss vom 10. 2. 2005 seinen Ausspruch, mit dem es die ordentliche Revision nicht zugelassen hatte, dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Zur Begründung führte es aus, dass zur Frage, ob schon das Vorliegen einer Beinverkürzung den Ersatz der Kosten der Anschaffung eines Fahrzeuges mit Automatikgetriebe aus dem Titel vermehrter Bedürfnisse rechtfertige, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und „eine weitere Ausformung der Judikatur zu diesem Thema nicht auszuschließen" sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung, in deren die Abweisung eines Teilbegehrens von EUR 12.413,11 bestätigenden Umfang (die Abweisung weiterer EUR 5.500,-- ist rechtskräftig), richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Zuspruches dieses weiteren Betrages abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, ob bei einer unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse erfolgten Anschaffung eines mit Sonderausstattung versehenen neuen Fahrzeuges Anspruch auf Ersatz der vollen Anschaffungskosten besteht, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; sie ist im Sinne des implizit gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Kläger macht geltend, er sei vom Schädiger so zu stellen, wie er ohne Schädigung gestellt gewesen wäre. Ohne Unfall hätte er seinen PKW weiter benutzt und sich kein neues Fahrzeug anschaffen müssen. Die hiefür aufgewendeten Kosten seien aus damaliger Sicht erforderlich gewesen, um die frühere Mobilität wiederherzustellen. Eine Umrüstung seines alten Fahrzeuges wäre unwirtschaftlich gewesen.

Hiezu wurde erwogen:

In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Ersatzanspruch wegen Körperverletzung auch die Aufwendungen zur Deckung vermehrter Bedürfnisse umfasst, die ohne den Unfall nicht entstanden wären, einen positiven Schaden darstellen und daher nach § 1325 ABGB, § 13 Z 3 EKHG zu ersetzen sind (ZVR 1987/128; 2 Ob 6/95; ZVR 1997/114; JBl 2003, 650; 2 Ob 47/05h uva; RIS-Justiz RS0102104, RS0031108, RS0030471; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 Rz 11 ff; Harrer in Schwimann, ABGB2 § 1325 Rz 8). Diese Aufwendungen sollen jene Nachteile ausgleichen, die durch eine dauernde Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Verletzten entstehen. Sie verfolgen das Ziel, die Lebensführung des Verletzten derjenigen eines Gesunden möglichst anzunähern; es werden davon solche unfallsbedingten Mehraufwendungen erfasst, die dem Geschädigten im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen (ZVR 1997/114; JBl 2003, 650; RIS-Justiz RS0102104; Reischauer aaO Rz 12). Der dem Verletzten zustehende Ersatz für Aufwendungen infolge neuer Bedürfnisse, die ohne den Unfall nicht entstanden wären, beruht darauf, dass der Ersatzpflichtige zur umfassenden Wiederherstellung des Zustandes vor der Verletzung oder einer im Wesentlichen gleichen Ersatzlage verpflichtet ist (ZVR 1997/114; 2 Ob 47/05h; RIS-Justiz RS0102105, RS0030228; Apathy, Komm z EKHG, § 13 Rz 30 mwN).

Unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung der Bedürfnisse zu ersetzen sind solche Kosten, die für eine noch nicht absehbare Zeit oder für dauernd erforderlich sind, um verbleibende Unfallbeeinträchtigungen auszugleichen (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs3 § 11 dStVG Rz 42). Es muss sich um einen Mehraufwand handeln, der - im Gegensatz zu den vorübergehenden Aufwendungen der Heilungskosten - in der Regel auf längere Dauer erforderlich ist (Danzl, EKHG7 § 12 Anm 6), ohne dass jedoch die Dauerhaftigkeit der Behinderung zum Charakteristikum der Ersatzfähigkeit gehört (Reischauer aaO § 1325 Rz 12). Der Schädiger hat die Leistungen zur Deckung vermehrter Bedürfnisse solange zu erbringen, als die Schaffung einer Ersatzlage geboten ist. Je nach der Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes des Verletzten können dessen unfallbedingt neu hinzugetretenen Bedürfnisse steigen oder sinken oder auch zur Gänze wieder wegfallen, sodass die Leistungen an den Verletzten einzustellen sind (Danzl aaO § 13 Anm 6). Neben den regelmäßigen Aufwendungen des Verletzten können aber auch einmalige Kosten zu ersetzen sein, sofern durch diesen Aufwand der erhöhte Bedarf für die Zukunft - zumindest für einen gewissen Zeitraum - in ausreichendem Maße befriedigt werden kann (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden7 Rz 183).

Nach herrschender Rechtsprechung steht dem Verletzten zum Ausgleich einer schweren Gehbehinderung ein Anspruch auf Ersatz der Kosten und Instandhaltung eines PKWs zu, um ihn dadurch annähernd in jenen Zustand der Mobilität zu versetzen, wie er für einen Gesunden selbstverständlich ist. Zu ersetzen sind aber nur die unfallsbedingten Mehrkosten und käme ein Anspruch auf Erstattung sämtlicher Kosten eines PKWs ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte ohne den Unfall einen PKW überhaupt nicht gehalten hätte. Steht hingegen etwa fest, dass der Geschädigte auch ohne den Unfall einen PKW angeschafft hätte, hat er nur einen Anspruch auf Ersatz jenes Mehraufwandes, der dadurch entsteht, dass er ein besonderes Fahrzeug benötigt (2 Ob 6/95; ZVR 1997/114; ZVR 2002/12 uva).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger in erster Instanz vorgebracht, er hätte mit seinem sehr gut gepflegten VW Golf noch mindestens 5 bis 6 Jahre fahren können. Dieses Vorbringen umfasst bereits die - in der Revision bekräftigte - Behauptung, er hätte sich ohne den Unfall zumindest in absehbarer Zeit kein anderes Fahrzeug gekauft. Dazu liegt bisher keine Feststellung vor. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass die vom Erstgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrundegelegte Annahme, der Kläger hätte auch ohne den Unfall wieder einen PKW angeschafft, in den bisherigen Tatsachenfeststellungen keine Deckung findet.

Die Richtigkeit der klägerischen Behauptung vorerst unterstellend, war die Anschaffung eines PKWs mit Automatikgetriebe grundsätzlich eine taugliche Maßnahme zur Wiederherstellung der unfallbedingt (vorübergehend) verloren gegangenen Fähigkeit des Klägers, einen PKW zu lenken. Diese Unfallsfolge war entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch adäquat, weil es weder als völlig unwahrscheinliche noch als atypische Folge des Unfalles vom 2. 8. 2001 angesehen werden kann, dass sich der Kläger zwecks Erlangung seiner vor dem Unfall bestandenen Mobilität ein mit der nötigen Ausstattung versehenes Fahrzeug kauft. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichtes beruht auf der Überlegung, dass für den Kläger die Wiedererlangung der Mobilität zumindest ab April 2002 bereits absehbar war. Diese Schlussfolgerung ist freilich weder durch die erstgerichtlichen Feststellungen noch die Prozessbehauptungen der beklagten Parteien gedeckt. Letztere haben insbesondere nicht eingewandt, dass die alsbaldige Wiedererlangung der Fähigkeit des Klägers, sein früheres Fahrzeug zu lenken, im Zeitpunkt des Ankaufes des neuen Fahrzeuges (objektiv und subjektiv) vorhersehbar und der Kostenaufwand demnach von vornherein unzweckmäßig war (vgl 2 Ob 82/90 mwN; RIS-Justiz RS0030699).

Den auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht gestützten Einwänden der beklagten Partei, eine kostengünstigere Umrüstung des VW Golf wäre möglich gewesen, ebenso der Erwerb eines Gebrauchtwagens mit Automatikgetriebe, kommt keine Berechtigung zu:

Der Geschädigte verletzt seine Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt werden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Maßgeblich ist, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden (ZVR 2003/24; ZVR 2004/18; 1 Ob 234/04z uva). Dem Kläger kann nicht als schuldhafte Unterlassung angelastet werden, dass er den Rat seines KFZ-Händlers befolgte und von der unwirtschaftlichen Umrüstung seines fast 10 Jahre alten VW Golf von Schalt- auf Automatikgetriebe Abstand nahm. Ihm wäre nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aber auch nicht zumutbar gewesen, sich mit einem Gebrauchtfahrzeug zu begnügen (ZVR 1997/114). Die in der Revisionsbeantwortung vorgetragene Ansicht, dies treffe nur auf Fälle dauernder Beeinträchtigung der Mobilität des Verletzten zu, verkennt, dass auch bei nur vorübergehender Behinderung das Risiko geheimer Mängel bei Anschaffung eines Gebrauchtfahrzeuges besteht (ZVR 1997/114 mwN).

Nur wenn der Kläger - entgegen seinem Vorbringen - auch ohne den Unfall ein neues oder ein gebrauchtes Fahrzeug gekauft hätte, käme nach den dargelegten Grundsätzen der Ersatz nur der Mehrkosten eines Automatikgetriebes in Betracht. Andernfalls aber ist für die Berechnung seines Schadens von den Anschaffungskosten auszugehen, die - abgesehen von dem vom Kläger in Abzug gebrachten Verkaufserlös - jedenfalls um die zur Schaffung einer Ersatzlage nicht notwendigen Kosten der Sonderausstattung des erworbenen Fahrzeuges („Extras") zu vermindern sind. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nun anstelle seines fast zehn Jahre alten gebrauchten Fahrzeuges einen neuen PKW in seinem Vermögen hat. In diesem Sinne haben die beklagten Parteien ausdrücklich eingewandt, die Zuerkennung der ungekürzten Anschaffungskosten würde der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzrechtes widersprechen, es träte eine Bereicherung des Klägers ein.

Die vorliegende Situation ist mit jener vergleichbar, die im Sachschadenbereich einen Abzug „neu für alt" erforderlich macht. Diese Problematik stellt sich nach herrschender Auffassung immer dann, wenn eine gebrauchte Sache zerstört worden ist und der Geschädigte sich nicht durch eine wirtschaftlich gleichwertige gebrauchte Sache Naturalersatz verschaffen kann, sondern eine neue Sache anschaffen muss (JBl 1990, 721; RdW 2001/605 uva; Harrer in Schwimann ABGB2 § 1323 Rz 13; Reischauer in Rummel ABGB3 Band II/2 b § 1323 Rz 14; Danzl in KBB, § 1323 Rz 19), weil es entweder keine gleichwertige gebrauchte Sache gibt oder ihm deren Ankauf - etwa wegen potenzieller geheimer Mängel eines Gebrauchtfahrzeuges - nicht zumutbar ist (Reischauer aaO; Koziol, Haftpflichtrecht II3 Rz 10/20). Da der Geschädigte entsprechend dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken durch die Ersatzleistung nicht bereichert werden soll, muss er sich in diesen Fällen einen Abzug von den Anschaffungskosten gefallen lassen (Harrer aaO; Reischauer aaO; RIS-Justiz RS0010075, RS0022849).

Die sinngemäße Anwendung dieses Prinzipes erscheint auch im vorliegenden Fall sachgerecht, begehrt doch der Kläger die Anschaffungskosten eines neuen Fahrzeuges, deren Abgeltung ihm einen über die bloße Schaffung einer Ersatzlage hinausreichenden Vermögensvorteil verschaffen würde. Da die Anschaffung des neuen Fahrzeuges nicht dem Ersatz eines zerstörten oder beschädigten Gebrauchtwagens, sondern dem Ausgleich unfallsbedingt eingetretener vermehrter Bedürfnisse dienen soll, kommt eine Limitierung des Schadenersatzes mit dem Wiederbeschaffungswert eines gebrauchten PKWs nicht in Betracht. Der Vorteil des Klägers ist aber darin gelegen, dass ihm das neue Fahrzeug eine über die Restlebensdauer seines alten PKWs hinausreichende Gebrauchsmöglichkeit bietet. Es können daher jene zu § 1332 ABGB entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sinngemäß herangezogen werden, nach denen sich der Ersatz nicht neuwertiger Gebrauchsgegenstände (ohne Verkehrswert) vor allem nach dem Verhältnis zwischen der Restlebensdauer der gebrauchten Sache und der Lebensdauer der neuen Sache bestimmt (SZ 56/54; JBl 1987, 325; RdW 2002/272; Reischauer aaO).

Daraus folgt für die hier vorzunehmende Schadensberechnung, dass dem Kläger der Ersatz der um die Kosten für die Sonderausstattung zu vermindernden Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der (von ihm selbst mit fünf bis sechs Jahren geschätzten) Restlebensdauer des gebrauchten Fahrzeuges zur Lebensdauer des neuen Fahrzeuges abzüglich des erzielten Verkaufserlöses, jedoch zuzüglich der ihm ungekürzt zustehenden Mehrkosten für das Automatikgetriebe und allfälliger Vorfinanzierungskosten (SZ 54/65; ausführlich Reischauer aaO) gebührt.

Um die Parteien mit dieser Rechtsansicht nicht zu überraschen und weil es noch an Feststellungen fehlt, anhand derer die Schadenshöhe ermittelt werden kann, sind die Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang aufzuheben. Das Erstgericht wird - sofern es einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der Anschaffungskosten grundsätzlich bejaht (weil er ohne den Unfall weiterhin mit seinem gebrauchten Fahrzeug gefahren wäre) - die dargelegte Rechtsansicht mit den Parteien zu erörtern und ihnen die Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und zu Beweisanboten zu geben haben. Nach Maßgabe dieses Vorbringens wird es das Verfahren sodann zu ergänzen und Feststellungen über die noch offenen Fragen zu treffen haben, wobei auch die Anwendung des § 273 ZPO in Betracht kommen kann.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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