Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einbeziehung der bereits in Rechtskraft erwachsenen stattgebenden und abweisenden Teile zu lauten hat:
"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 64.547,13 samt 4 % Zinsen aus S 72.976,-- vom 26.5.1988 bis 15.3.1989, aus S 17.090,-- vom 16.3.1989 bis 5.11.1989 und aus S 64.547,13 seit 6.11.1989 zu bezahlen. Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 133.732,-- gerichtete Begehren sowie das Begehren, es werde festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand dem Kläger zum Ersatz aller aus dem zugesprochenen Verdienstentgang vorgeschriebenen Steuern verpflichtet seien, werden abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 55.308,96 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 9.309,60 Barauslagen und S 7.666,55 Umsatzsteuer), die mit S 19.313,72 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 8.000 Barauslagen und S 1.885,62 Umsatzsteuer) und die mit S 16.789,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 10.000 Barauslagen und S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 27.11.1956 geborene Kläger erlitt am 1.5.1972 bei einem vom Zweitbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Er erwirkte bereits in zwei Verfahren gegen die beklagten Parteien ein Feststellungsurteil sowie den Zuspruch von Schadenersatzbeträgen.
Mit der nunmehr vorliegenden Klage begehrte er nach mehrmaliger Einschränkung und Ausdehnung als weiteren Schadenersatz S 198.279,13 samt Zinsen. Außerdem stellte er neuerlich ein Feststellungsbegehren. Im begehrten Kapitalsbetrag sind S 125.000 für die Anschaffung eines PKW enthalten. Nur dieser Betrag ist Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Das Erstgericht erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 189.547,13 samt stufenweisen Zinsen zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 8.732 samt Zinsen sowie das Feststellungsbegehren wurden abgewiesen. Das Erstgericht traf folgende, für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Der Kläger besuchte zur Zeit des Unfalles den Polytechnischen Lehrgang der Hauptschule, absolvierte nach dem Unfall eine Tischlerlehre, konnte wegen der Unfallsverletzungen den erlernten Beruf aber nicht ausüben. Er war zunächst als Hilfsarbeiter tätig, seit April 1985 bezieht er eine Invaliditätsrente und ist nicht mehr berufstätig. Der Kläger erwarb kurz nach Beendigung der Lehre den Führerschein, kaufte 1976 einen gebrauchten PKW um S 10.000 und später einen solchen um S 91.000, der im Sommer 1988 einen Totalschaden erlitt. Am 3.11.1989 kaufte er wieder einen Gebrauchtwagen (Fiat 128) um S 16.000. Der Kläger ist nicht verheiratet und hat auch keine Lebensgefährtin, er wohnt, wie schon zur Zeit des Unfalles, bei seiner Mutter in Auerling und wird von dieser versorgt. Auerling ist etwa 3 km vom Stadtzentrum Judenburg entfernt. Erst dort besteht die Möglichkeit, einzukaufen, oder ein öffentliches Verkehrsmittel zu besteigen. Der Kläger hat beim Unfall einen Schock, eine Kopfprellung, einen Beckenringbruch mit zentraler Hüftgelenksluxation links, eine komplette Wadenbeinnervlähmung und eine teilweise Schienbeinnervlähmung links erlitten, er muß daher am linken Fuß einen erhöhten Innenschuh (orthopädischen Schuh mit Stützapparat) tragen. Mit erhöhtem Willensaufwand und unter Verwendung zweier Stützkrücken kann er eine Wegstrecke von 3 km zurücklegen; eingekaufte Waren kann er zufolge der beiden Stützkrücken jedoch nicht mit sich tragen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes würden als Kosten vermehrter Bedürfnisse die Kosten eines Kraftfahrzeuges dann zugesprochen, wenn es erforderlich sei, den Geschädigten in die Lage zu versetzen, sich frei zu bewegen und seiner beruflichen Tätigkeit oder seiner Berufsausbildung nachgehen zu können. Das Wort "und" könne nur als alternativ und nicht als kumulativ verstanden werden. Der Kläger sei wohl in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, um dies zu tun, müsse er von seiner Wohnung aber einen Fußmarsch von 3 km zurücklegen. Dazu komme, daß sich in seinem Wohnort kein Kaufgeschäft befinde, sodaß er gezwungen sei, sämtliche Einkäufe in Judenburg zu tätigen, wobei ihm aber nicht zumutbar sei, bei der erforderlichen Verwendung von Stützkrücken auch noch die gekauften Lebensmittel und sonstigen Waren zu tragen. Aus diesen Gründen könne der Kläger die Kosten eines Kraftfahrzeuges verlangen, denn nur ein solches könne ihn in die Lage versetzen, sich - wie vor dem Unfall - frei zu bewegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob dies erforderlich ist, um einer beruflichen Tätigkeit oder Berufsausbildung nachgehen zu können, ebensowenig darauf, ob die Anschaffung eines PKW dem Lebensstandard des Klägers vor dem Unfall entspreche und ob er sich auch ohne Unfall ein Fahrzeug angeschafft hätte. Der Geschädigte habe Anspruch auf ein Neufahrzeug. Da der Anschaffungspreis von Kleinwagen S 120.000 bis S 130.000 betrage, sei der zuerkannte Betrag von S 125.000 nicht überhöht. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und teilte auch die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht. Es führte zusätzlich aus, abgesehen von der weitgehend eingeschränkten Möglichkeit, sich mit den notwendigen Existenzmitteln zu versorgen, erscheine der Kläger in seiner Mobilität doch so weit beeinträchtigt, daß der Anspruch auf Ersatz der Beschaffungskosten eines Kraftfahrzeuges berechtigt sei. Auf die Frage einer allfälligen Schadensminderungspflicht, ob nämlich der Kläger nicht verhalten wäre, anstelle der Beschaffungskosten für ein Neufahrzeug sich mit dem Ersatz von Kosten eines Taxis zu begnügen, könne nicht eingegangen werden, da es dazu an den erforderlichen Prozeßbehauptungen durch die Beklagten fehle.
Die beklagten Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die für die Anschaffung eines PKW begehrten Kosten von S 125.000 abgewiesen werden, in eventu, daß nur die Anschaffungskosten eines Mopeds von S 10.000 oder die Kosten für zweimal wöchentliche Taxifahrten von Judenburg zu seinem Wohnsitz zugesprochen werden. Hilfsweise stellen die beklagten Parteien einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO), sie ist auch berechtigt.
Mit den Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird in Wahrheit die Beweiswürdigung bekämpft. Da dies nicht zulässig ist, braucht auf diese Ausführungen nicht weiter eingegangen zu werden.
Wie schon die Vorinstanzen ausgeführt haben, hat der Verletzte nach ständiger Rechtsprechung Anspruch auf Ersatz der Kosten vermehrter Bedürfnisse, zu denen auch die Aufwendungen für die Anschaffung eines PKW gehören können (ZVR 1974/164, ZVR 1976/107; 2 Ob 24/85 uva). In der Mehrzahl der bisher entschiedenen Fälle war der PKW zwar erforderlich, um trotz der Verletzung einen Beruf ausüben oder erlernen zu können, entgegen der von den Revisionswerbern vertretenen Ansicht ist dies jedoch nicht unbedingt Voraussetzung für die Zuerkennung der Anschaffungskosten eines PKW. Derartige Auslagen sind auch zu ersetzen, wenn der Kläger die aus dem Unfall resultierende weitgehende Bewegungsunfähigkeit in zweckmäßiger und vernünftiger Weise nur durch die Anschaffung eines PKW einigermaßen ausgleichen kann (2 Ob 153/77, ähnlich 2 Ob 24/85). Dieser Rechtsprechung hat der Kläger auch insofern Rechnung getragen, als er vorbrachte, er habe Anspruch darauf, mobil zu sein, es könne von ihm nicht verlangt werden, den größten Teil seines Lebens in einer Wohnung oder in einem Haus zu verbringen. Nach den Feststellungen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger durch die Folgen des Unfalles in seiner Bewegungsfähigkeit derart eingeschränkt wurde, daß er, um sich frei bewegen zu können, einen PKW benötigt. Er ist in der Lage, 3 km zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, er kann öffentliche Verkehrsmittel trotz seines insofern ungünstig gelegenen Wohnsitzes auch erreichen. Der Kläger ist daher auch ohne einen PKW durchaus mobil. Der Umstand, daß der Kläger eingekaufte Waren deshalb, weil er für längere Wegstrecken Stützkrücken benötigt, nicht mit sich tragen kann, vermag für sich allein den Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten eines PKW nicht zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen für den Zuspruch der Anschaffungskosten eines PKW liegen somit nicht vor, weshalb der Revision Folge zu geben und dieses Begehren abzuweisen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO.
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