OGH 1Ob234/04z

OGH1Ob234/04z25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm K*****, vertreten durch Dr. Oliver Koch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Ing. Manfred K*****, und 2. Margit K*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien Dr. Karl F. E*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H. *****gmbH, vertreten durch Dr. Engelhart - Dr. Reininger, Rechtsanwälte OEG sowie Mag. Daniel Lampersberger und Mag. Clemens Richter, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 43.603,70 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Juni 2004, GZ 15 R 33/04i-83, womit infolge Berufungen der beklagten Parteien sowie des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Dezember 2003, GZ 10 Cg 235/00b-72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.101,08 (darin enthalten EUR 183,51 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung

Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Im Zuge der Errichtung eines Neubaus auf dieser Liegenschaft kam es zu einer unzureichenden Sicherung der bis an die Grundgrenze reichenden Baugrube, sodass an dem auf einer benachbarten Liegenschaft befindlichen Haus Setzungserscheinungen auftraten. Die Eigentümer dieser Nachbarliegenschaft traten dem Kläger die ihnen im Zusammenhang mit der Bauführung erwachsenen Schadenersatzforderungen gegen die Beklagten ab.

Dem Grunde nach wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 22. 4. 1999, AZ 5 C 315/97i, festgestellt, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand dem Kläger für alle aus dieser Bauführung „entstandenen Schäden an der Liegenschaft samt Zubehör und darauf befindlichem Haus - mit Ausnahme der Schäden am Brunnen - haften". Im Revisionsverfahren ist die Höhe des an der Garage entstandenen Schadens strittig. Dieses Gebäude senkte sich infolge der unzureichenden Sicherung der Baugrube, sodass sich zwischen Garage und Wohnhaus ein bis zu 3 cm klaffender Riss zeigt.

Technisch bieten sich zwei Möglichkeiten der Schadensbehebung:

1. Die Abtragung der bestehenden Garage und die Errichtung einer Fertigteilgarage. Gleichzeitig müsste der durch die Aushubarbeiten gelockerte Boden saniert, dh. durch Magerbeton ersetzt werden. Die Kosten dieser Maßnahmen wären mit EUR 42.732 zu veranschlagen. Unter Berücksichtigung eines Abzugs von 31 % („neu für alt") ergäben sich EUR 32.702 inkl 20 % USt.

2. Die andere Variante (entsprechend dem Vorschlag der Beklagten) wäre, die bestehende Garage in Stand zu setzen bzw zu stabilisieren. Dies könnte unter Verwendung von im Grundstück der Beklagten an der Grundstücksgrenze angeordneten Winkelstützsäulen geschehen. Diese Säulen waren nach Schadenseintritt als Sofortmaßnahme errichtet worden, um die Garage gegen weitere Setzung zu sichern. Unter der Voraussetzung der Tragfähigkeit der Winkelstützsäulen könnte über die Länge der Garage ein Längsbalken aufgesetzt werden, der allenfalls durch Querbalken gegen Kippen zu sichern wäre. Nach diesen Vorarbeiten müsste die Garage selbst in Stand gesetzt werden, wobei die aufgetretenen Risse als Fugen auszubilden wären. Hiedurch würden Kosten in Höhe von EUR 15.294 (inkl USt) entstehen, die im Vergleich zu Neuerrichtung der Garage somit geringer wären.

Die Beklagten erklärten, die Benutzung der auf ihrem Grundstück befindlichen Winkelstützsäulen zur Abstützung der Garage zu dulden, sofern diese unter schonendster Verwendung ihres Eigentums erfolge. Nicht feststellbar war, dass die Dimension und Bewehrung der Winkelstützen ausreicht, um die vom Längsbalken übertragenen Kräfte aufzunehmen. Die Beklagten sind auch nicht im Besitz eines statischen Gutachtens, das die Tragfähigkeit der Winkelstützen ausweist. Sollten die Stützen zur Sanierung der Garage verwendet werden, wäre zusätzlich zur Statik auch eine Baubewilligung erforderlich, welche bisher nicht vorliegt.

Der Kläger begehrte den Zuspruch von EUR 43.603,70 für die Neuerrichtung der Garage.

Die Beklagten vertreten den Standpunkt, ihre Schadenersatzpflicht erstrecke sich nur auf die Instandsetzung der Garage unter Verwendung der auf ihrem Grundstück befindlichen Winkelstützsäulen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit EUR 33.313 sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es qualifizierte die Klagsforderung als verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB, welcher nach den Grundsätzen des § 1323 ABGB zu ermitteln sei. Als Schadensbehebung komme nur die Erneuerung der Garage in Frage, weil die technischen Voraussetzungen für die (billigere) Instandsetzung der bestehenden Garage nicht vorlägen. Es sei den Geschädigten grundsätzlich unzumutbar, die Garage auf den auf dem Grund der Beklagten befindlichen Säulen abzustützen, nur um den Schaden zu mindern. In der Erklärung, die Benützung der Winkelstützsäulen „unter schonendster Verwendung ihres Eigentums" zu dulden, liege kein Anbot einer Servitut. Darüber hinaus stehe nicht fest, dass die Säulen überhaupt für den betreffenden Zweck technisch geeignet seien. Es seien somit die Kosten der Neuerrichtung abzüglich einer der Verlängerung der Nutzungsdauer entsprechenden Werterhöhung („neu für alt") zuzusprechen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte aus, dass die von den Beklagten vorgeschlagene Sanierung danach zu beurteilen sei, inwieweit die Interessen beider Teile davon berührt seien und inwieweit diese Maßnahme dem Kläger zugemutet werden könne. Im vorliegenden Fall sei entscheidend, dass die statische Eignung der Säulen für die Abstützung der Garage ungewiss sei. Der Umstand, dass es umfangreicher technischer (einschließlich statischer) Untersuchungen bedürfe, um die Tragfähigkeit der Stützsäulen abschätzen zu können, mache in Verbindung mit der Mitbenützung des Nachbargrundstücks die betreffende Maßnahme im Verhältnis zu der dadurch erzielbaren Kostenersparnis unzumutbar. Damit sei es bedeutungslos, dass die Beklagten sich zur Duldung einer Nutzung ihres Eigentums („unter schonendster Verwendung") bereit erklärt hätten. Ebenso sei nicht entscheidungswesentlich, ob eine baubehördliche Bewilligung erforderlich sei.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshofs nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach Lehre und Rechtsprechung ist der Geschädigte zur Schadensminderung verpflichtet. Er verletzt seine Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt würden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern (SZ 55/104; JBl 1990, 587; 1 Ob 367/97w uva; Koziol/Welser Grundriss12 II, 309 mwN). Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Parteien und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (RIS-Justiz RS0027787). Für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht trifft die Behauptungs- und Beweislast grundsätzlich den Schädiger (EvBl 1988/31; Harrer in Schwimann ABGB², § 1304 Rz 97 mwN; RIS-Justiz RS0027129). Diese allgemeine Regel findet nur dort eine Einschränkung, wo die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens naheliegt, konkrete Beweise aber vom Schädiger billigerweise nicht erwartet werden können, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Geschädigten liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur von ihm beweisbar sind (4 Ob 41/95; 1 Ob 367/97w mwN). Da die Verwendbarkeit der auf dem Grundstück der Beklagten errichteten Winkelstützsäulen eindeutig der Sphäre der Beklagten zuzuordnen ist, müssen diese jedenfalls den Beweis dafür erbringen, dass die wirtschaftlich im Wesentlichen gleiche Ersatzlage (siehe Reischauer in Rummel, ABGB³, Rz 2 zu § 1323) nicht allein durch die Neuerrichtung der Garage geschaffen werden könnte, sondern auch durch Sanierung der bestehenden Bausubstanz unter Verwendung der auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Winkelstützsäulen. Diesen Beweis haben die Beklagten schon deshalb nicht erbracht, da nicht einmal feststeht, dass die Tragfähigkeit der Winkelstützsäulen zu diesem Zweck ausreicht.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob - unter hypothetischer Annahme der Tragfähigkeit der Winkelstützsäulen - dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar sei, die Säulen zu verwenden, zumal sie sich auf fremdem Grund befinden, bleibt daher rein abstrakt. Auf dieser abstrakten Ebene ist aber eine Konkretisierung der Obliegenheiten des Geschädigten zur Schadensminderung nur eingeschränkt möglich (Harrer in Schwimann aaO, § 1304 Rz 9), da sich das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen durch den Geschädigten regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls richtet (RIS-Justiz RS0029874, 1 Ob 367/97w mwN). Eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Aussage darüber, ob ein Geschädigter im Falle von nach § 364b ABGB zu beurteilenden Schäden im Rahmen der Schadensminderungspflicht gehalten ist, die Mitbenützung der Liegenschaft des Schädigers zwecks Abstützung seines Bauwerks in Anspruch zu nehmen, kann daher nicht getroffen werden (vgl 9 Ob 104/00k).

Damit ergibt sich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Stichworte