OGH 7Ob311/04t

OGH7Ob311/04t16.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich D*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 60.539,86 sA (Revisionsinteresse EUR 29.069,13), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. September 2004, GZ 12 R 176/04x-31, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 6. Mai 2004, GZ 4 Cg 115/02x-26, infolge Berufung des Klägers abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.503,54 (darin enthalten EUR 250,59 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist hinsichtlich seines Hauses 3162 Rainfeld 30 bei der Beklagten im Rahmen einer "Haushalts-Komfortschutz-Versicherung" ua auch gegen Einbruchsdiebstahl versichert. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen-ABH 1996 zugrundegelegt, die ua folgende hier entscheidungswesentliche Bestimmungen enthalten:

Art 2

Welche Sachen und Kosten sind versichert?

1. Versicherte Sachen

1.1 Der gesamte Wohnungsinhalt

Dieser umfasst alle beweglichen Sachen, die dem privaten Gebrauch oder Verbrauch dienen und im Eigentum des Versicherungsnehmers ... stehen.

...

...

2.) Nicht versicherte Sachen

...

2.4 Geschäfts- und Sammelgelder

...

In der Nacht vom 7. auf den 8. 9. 2001 verübten mehrere (in der Folge dafür strafrechtlich verurteilte) Täter einen Einbruchsdiebstahl im versicherten Objekt, wobei sie einen Wandsafe erbeuteten. Darin befand sich neben betrieblichen Mitteln des Klägers in Höhe von zumindest S 176.000,-- und weiteren Geschäftsgeldern in verschiedenen Währungen sowie Schmuck im Werte von EUR 12.472,80 ein Bargeldbetrag von zumindest S 400.000,-- (= EUR 29.069,13). Inwieweit es sich bei diesem Bargeldbetrag um Privatvermögen oder um Gelder des Klägers handelte, die dieser als Inhaber eines Malereibetriebes und eines Café-Restaurants sowie als Vermieter diverser Lokale lukriert hatte und wofür der Geldbetrag tatsächlich verwendet werden sollte, konnte von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden.

Der Kläger begehrte von der Beklagten inklusive mitversicherter Sachschäden und Aufräumkosten von EUR 1.918,56 eine Versicherungsleistung von EUR 60.539,86 sA.

Die Beklagte wendete, soweit in dritter Instanz noch wesentlich, ein, sämtliche im Wandsafe befindlichen Beträge seien als Geschäftsgelder vom Versicherungsrisiko ausgeschlossen gewesen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 14.391,36 sA (Wert des Schmuckes von EUR 12.472,80 + Sachschäden und Aufräumungkosten von EUR 1.918,56) und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von EUR 46.158,50 sA ab. Bargeld, Schmuck und Münzen, die sich im Tresor befunden hätten, seien bis zu einer Summe von S 800.000,-- versichert gewesen. Hingegen seien Geschäftsgelder gemäß Art 2.2.4 ABH 1996 nicht versichert. Hinsichtlich des Bargeldbetrages von S 400.000,-- habe nicht festgestellt werden können, ob es sich um Privatvermögen oder Geschäftsgelder gehandelt habe. Dafür treffe den Kläger wegen seiner Nähe zum Beweis über die Herkunft und dem Verwendungszweck der Gelder die Beweislast. Hinsichtlich dieses Betrages stehe ihm daher kein Ersatz zu.

Der - innerhalb der 4-wöchigen Rechtsmittelfrist eingebrachten - Berufung des Klägers (der zuvor auch schon einen Kostenrekurs erhoben hatte) stattgebend, änderte das Gericht zweiter Instanz die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es dem Kläger auch den allein noch strittigen Betrag von EUR 29.069,13 (sA) zusprach. Das Berufungsgericht führte zunächst in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus, die Berufung sei durch die zuvor erfolgte Erhebung eines Rekurses gegen den Kostenausspruch im Ersturteil nicht unzulässig. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels gelte nach oberstgerichtlicher Judikatur nämlich dann nicht, wenn zwei verschiedene, in einer Ausfertigung zusammengefasste Entscheidungen angefochten würden. Daher werde durch die Erhebung eines Kostenrekurses das Anfechtungsrecht in der Hauptsache nicht konsumiert, weil die beiden Rechtsmittel verfahrensrechtlich unterschiedlicher Natur seien und sich auch gegen prozessual verschieden geartete Entscheidung richteten.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, das Erstgericht habe die Frage der Beweislast hinsichtlich des ungeklärten Umstandes, ob es sich bei den im Wandsafe befindlichen S 400.000,-- um Privat- oder Geschäftsgelder gehandelt habe, unrichtig gelöst. Die betreffende Klausel Art 2.2.4 ABH 1996 stelle einen Risikoausschluss (eine sekundäre Risikobegrenzung) dar. Während der Versicherungsnehmer im Bereich der primären Risikobeschreibung die Beweislast trage, habe nach hA der Versicherer die Beweislast dafür, dass der Schadensfall unter einen Risikoausschluss fällt. Der Kläger habe nachgewiesen, dass sich im Wandsafe (zusätzliche) S 400.000,-- befanden. Er sei daher seiner Behauptungs- und Beweislast für den Eintritt des Schadensfalles nachgekommen. Hingegen gehe die Negativfeststellung, ob es sich beim betreffenden Geld um Privatvermögen des Klägers gehandelt habe, zu Lasten der Beklagten. Diese habe dem Kläger daher weitere S 400.000,-- (= EUR 29.069,13) sA aus dem Versicherungsvertrag zu zahlen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich an der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes orientiert habe und keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten gewesen sei.

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung dahin abzuändern, dass die Berufung des Klägers gegen das Ersturteil zurückgewiesen und dem Berufungsgericht eine (neuerliche) Entscheidung über die von ihr erhobene Kostenrüge aufgetragen werde; in eventu möge das Ersturteil wiederhergestellt werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) zulässig, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes zur - über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsamen - Frage der Beweislast in Ansehung der Klausel Art 2.2.4 ABH 1996 fehlt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Auszugehen ist davon, dass Art 2.2.4 ABH 1996 eine sekundäre Risikobeschränkung, also einen sog Risikoausschluss darstellt. Auch die der gegenständlichen Klausel ganz ähnliche Bestimmung in Art 4 ABH 1984 wurde vom Obersten Gerichtshof als Risikoausschluss qualifiziert. Nach hA trifft die Beweislast für einen Risikoausschluss den Versicherer (Schauer in BK Vorbem. §§ 49 bis 68a Rn 68 mwN; 7 Ob 164/03y; 7 Ob 301/03w, RIS-Justiz RS0109451 [T 1] ; vgl RIS-Justiz RS0080122).

Dies stellt auch die Revisionswerberin an sich gar nicht in Frage. Sie meint allerdings, dass in der gegenständlichen Klausel kein Risikoausschluss, sondern nur eine „Klarstellung" im Sinne der Ausführungen Jaborneggs, Das Risiko des Versicherers 28 f, zu erblicken sei. Selbst wenn man dem folgen könnte, wäre aber damit für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen. Wie Jabornegg, aaO 32, ausführt, muss nämlich eine negative Klarstellung in jedem Fall als eine für den Versicherer günstige Norm angesehen werden. Schon daraus folgt aber nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen, dass es Sache des Versicherers sein muss, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Realisierung des in der Klarstellung umschriebenen Tatbestandes nachzuweisen. Dazu kommt noch, dass die Frage, ob eine Klarstellung eine „echte" oder ein Risikoausschluss ist, wie Jabornegg aaO weiter ausführt, oft nur sehr schwer beantwortet werden kann und dieser Umstand eher dem Verwender der Versicherungsbedingungen zum Nachteil gereichen muss als dem Versicherungsnehmer. Nach der Unklarheitenregel (§ 915 ABGB) muss daher eine für den Versicherer ungünstige Beweislastverteilung angenommen werden.

Wie schon das Berufungsgericht erkannt hat, ist auch aus den Ausführungen von Prölss (in Baumgärtel/Prölss, Beweislast, § 49 VVG Rn 37 f) letztlich nichts für die Beklagte zu gewinnen. Der Umstand allein, dass dem Kläger eine größere Beweisnähe zu attestieren ist, bzw der Nachweis, dass es sich um Geschäftsgelder handelt, für den Versicherer sehr schwierig und in manchen Fällen gar unmöglich sein wird, kann ebenfalls daran nichts ändern (vgl Rechberger in Fasching/Konecny2 III Vor § 266 ZPO Rz 33 f; vgl 4 Ob 31/91, MR 1991, 205 = ÖBl 1991, 235). Im Versicherungsrecht gilt im Grundsatz keine andere Beweislastverteilung als im übrigen Zivilrecht (Heß in Beckmann/Matusche/Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 16 Rz 93). Danach hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797). Es trifft also jede Partei die Behauptungslast und Beweislast für die Tatsachen, die Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm sind (vgl RIS-Justiz RS0039939, Rechberger in Rechberger2 Vor § 266 ZPO Rz 11 mwN). Es trägt daher derjenige, der einen Anspruch behauptet, für alle anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) Tatsachen die Behauptungs- und Beweislast. Umgekehrt hat derjenige, der den Anspruch bestreitet, die anspruchshindernden, anspruchsvernichtenden und anspruchshemmenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0106638). Folgerichtig hat daher den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand der Versicherer zu führen (RIS-Justiz RS0107031).

Nur wenn dem Gegner der beweispflichtigen Partei, die mangels Kenntnismöglichkeit der Tatumstände ganz besonderen, unverhältnismäßigen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt ist, nicht nur die betreffenden Kenntnisse zur Verfügung stehen, sondern es ihm auch leicht möglich und nach Treu und Glauben ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben, kann es zu einer Umkehr der Beweislast kommen (vgl SZ 69/284 ua). Eine solche Konstellation wurde etwa im Wettbewerbsrecht (Rechberger in Fasching/Konecny2 III Vor § 266 ZPO Rz 34) und bei Fragen der Haftung wegen Verletzung von Berufspflichten sowie bei grober Verletzung gesetzlicher Beratungspflichten (Fasching LB2 Rz 886) angenommen, ist aber in einem Fall wie dem vorliegenden nicht gegeben.

Dafür, im vorliegenden Fall daher der Beklagten die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass der betreffende Geldbetrag von S 400.000,-- (umgerechnet EUR 29.069,13) Geschäftsgelder waren, spricht auch die Überlegung, dass es ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, den gegenständlichen Risikoausschluss positiv - als primäre Risikobegrenzung - zu formulieren (etwa: „Versichert sind Privatgelder") und damit die Beweislast dafür, dass es sich um Privatgelder handelte, dem Kläger als Versicherungsnehmer aufzubürden. Die Beklagte hat es sich also selbst zuzuschreiben, dass sie auf Grund der von ihr gewählten Formulierung gezwungen ist, den - wie ihr einzuräumen ist - für den Versicherer in der Regel wohl schwierigen Beweis zu erbringen, dass Geschäfts- und nicht Privatgelder gestohlen wurden. Selbst Prölss, der aaO meint, im Hinblick auf die oft gegebenen Schwierigkeiten, den Deckungsumfang positiv zu umschreiben, könne man aus der Formulierung allein grundsätzlich nicht auf dem Willen des Versicherers schließen, dass er die Beweislast für das Vorliegen eines dem Risikoausschluss entsprechenden Sachverhalts übernehme, muss einräumen, dass dies nicht gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - „sich jedenfalls die als Risikoausschluss formulierte Klausel ohne weiteres als primäre Risikobeschreibung hätte formulieren lassen".

Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht demnach die Beweislast für den von der Beklagten erhobenen Einwand, bei dem (neben weiterem Bargeld, Schmuck und Münzen) entwendeten Geldbetrag von S 400.000,-- habe es sich (ebenfalls) um Geschäftsgelder gehandelt, der Beklagten auferlegt, zu deren Ungunsten die betreffende Negativfeststellung daher ausschlägt.

Da die Beklagte auch noch in der Revision daran festhält, die Berufung sei im Hinblick auf den vom Kläger bereits zuvor eingebrachten Kostenrekurs nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig gewesen, ist der Vollständigkeit halber noch zu bemerken, dass die gegenteilige Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz gesicherter oberstgerichtlicher Judikatur (SZ 28/152; RZ 1988/13; RIS-Justiz RS0040202 und insbes RS0036043, zuletzt etwa 5 Ob 226/02z und 7 Ob 302/04v) folgt, während die von der Revisionswerberin vertretene Gegenmeinung überholt ist. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Die Revision muss erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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