OGH 7Ob279/55

OGH7Ob279/558.6.1955

SZ 28/152

Normen

ZPO §55
ZPO §465
ZPO §474
ZPO §55
ZPO §465
ZPO §474

 

Spruch:

Ein Urteil kann von einer Partei mit Berufung in der Hauptsache auch dann angefochten werden, wenn sie schon einen Kostenrekurs gegen das Urteil erhoben hat.

Entscheidung vom 8. Juni 1955, 7 Ob 279/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 19. September 1954 wurde das Klagebegehren auf Unzulässigerklärung einer Exekution abgewiesen und gleichzeitig das Armenrecht des Klägers für erloschen erklärt. Das Urteil wurde vom Kläger zunächst nur mit Kostenrekurs angefochten, wobei sich der Kläger unter Hinweis auf § 68 Abs. 3 ZPO. die spätere Erhebung einer Berufung ausdrücklich vorbehielt. Diese Berufung wurde dann auch nach Behebung des Beschlusses, womit das Armenrecht des Klägers für erloschen erklärt wurde, und nachdem das Berufungsgericht bereits dem Kostenrekurs Folge gegeben hatte, rechtzeitig eingebracht.

Das Berufungsgericht wies die Berufung unter Hinweis auf den bereits eingebrachten Kostenrekurs, mit dem die Berufung inhaltlich im Widerspruch stehe, als unzulässig zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung des Klägers sachlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs des Klägers ist begrundet.

Wohl kann von einer und derselben Streitpartei ein Urteil nur mit einer Berufung und ein Beschluß nur mit einem Rekurs angefochten werden, weshalb spätere Rechtsmittelschriften einer Partei grundsätzlich zurückzuweisen sind, wenn bereits eine Rechtsmittelschrift derselben Partei vorliegt (GlUNF. 5548, JBl. 1953 S. 240, 2 Ob 335/54; Pollak, System, 2. Aufl. II S. 737 und 749). Im vorliegenden Falle aber darf nicht übersehen werden, daß zwei Rechtsmittel vorliegen, die verfahrensrechtlich verschiedener Natur sind und die sich auch gegen prozessual verschieden geartete Aussprüche des Erstgerichtes richten. Eine Berufung gegen den Ausspruch des Gerichtes in der Hauptsache enthält freilich immer auch einen Angriff auf die Kostenentscheidung, auch dann, wenn dies in der Berufung nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. Während aber in diesem Falle der Bestand der Kostenentscheidung davon abhängig ist, ob der Berufungswerber in der Hauptsache durchdringt, bekämpft der Kostenrekurs die Kostenentscheidung unter der Voraussetzung, daß die Entscheidung in der Hauptsache bestehen bleibt. Dem besonderen prozessualen Charakter der im Urteil enthaltenen Kostenentscheidung und der gegen diese Entscheidung zulässigen Rechtsmittel trägt ja auch die Bestimmung des § 55 ZPO. Rechnung. Es läßt sich daher eine Zurückweisung der Berufung mit der Heranziehung des Grundsatzes, daß eine und dieselbe Entscheidung von einer und derselben Partei nur mit einem einzigen Rechtsmittel anfechtbar ist, nicht rechtfertigen.

Das Berufungsgericht hat diesen Grundsatz zur Begründung seiner Entscheidung auch gar nicht herangezogen, sondern gerade den zwischen Rekursantrag und Berufungsantrag bestehenden Gegensatz zum Anlaß der Zurückweisung der Berufung genommen, indem es den Standpunkt einnahm, die Berufung stehe im Widerspruch zum Kostenrekurs und stelle diesem gegenüber eine bedeutende und unzulässige Erweiterung der Anfechtung des Urteiles dar. Dieses Argument ist aber nicht durchschlagend. Denn der erwähnte Gegensatz besteht auch, wenn in einer Berufung u. a. das Urteil auch im Kostenpunkt unabhängig von der Hauptsache ausdrücklich angefochten wird. Auch hier wird einerseits versucht, die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz in der Hauptsache zu beseitigen, und andererseits die Kostenentscheidung für den Fall bekämpft, als die Entscheidung in der Hauptsache bestehen bleibt. Trotzdem liegt in Wahrheit ein Widerspruch nicht vor, da in allen diesen Fällen nicht daran gezweifelt werden kann, daß eben in erster Linie die Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung in der Hauptsache angestrebt und nur für den Fall, als dieses Begehren keinen Erfolg haben sollte, die ziffernmäßige Änderung der Kostenentscheidung bekämpft wird. Daß der Kläger aber auch im vorliegenden Falle mit seinem Kostenrekurs nichts anderes bezwecken wollte als die ziffernmäßige Änderung der Kostenentscheidung für den Fall, als seine Berufung, deren nachträgliche Einbringung er in Erwägung zog, keinen Erfolg haben sollte, ergibt sich klar aus dem in dem Rekurs ausgesprochenen Vorbehalt der späteren Einbringung einer Berufung. Auf Grund dieses Vorbehaltes wäre vom Berufungsgericht der Ablauf der Rechtsmittelfrist abzuwarten und nach Einlangen der Berufung über diese und den Kostenrekurs gemeinsam zu entscheiden gewesen, als ob die Kostenbeschwerde in die Berufung aufgenommen wäre. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenrekurs war daher voreilig. Keinesfalls aber kann dem Kläger die Bekämpfung der Entscheidung in der Hauptsache durch eine rechtzeitig eingebrachte Berufung nur deshalb abgeschnitten werden, weil er schon vor Einbringung dieser Berufung seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Urteiles hinsichtlich der Höhe der bestimmten Kosten durch Einbringung eines Kostenrekurses geltend gemacht hatte, dies um so weniger, als der Kläger offenbar nur das größere Kostenrisiko des Berufungsverfahrens vermeiden wollte, solange die Frage des Armenrechtes noch nicht endgültig geklärt war.

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