European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0080OB00057.04X.0924.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Der beklagte - 1977 geborene - Wechselbürge war im Installationsunternehmen seiner Eltern, das sich bereits in den Jahren 1993/1994 in Konkurs befunden hatte, beschäftigt. Sein Vater war vor diesem Konkurs Geschäftsführer, danach wurde diese Funktion formell von der Mutter des Beklagten ausgeübt, tatsächlich der Betrieb aber weiter vom Vater geführt. Die klagende Partei, der das erste Konkursverfahren bekannt war, hat im Laufe der Jahre Betriebsmittelkredite und darüber hinaus einen revolvierenden Kontokorrentkredit gewährt, sodass schließlich ein Kreditvolumen von S 5,5 Mio offen war. Dabei war auch vereinbart, Bürgen zu stellen und eine Restschuldversicherung abzuschließen bzw Forderungen abzutreten. Auf einer Liegenschaft wurde eine Höchstbetragshypothek von S 650.000,‑- bereits im Jahre 1995 bestellt und dann später (Abschluss des Kontokorrentkreditvertrages vom 16. 10. 2000) ein weiteres mit einem Betrag von S 1,690.000,‑- begründet.
Der Beklagte, der mit der Buchhaltung des Unternehmens nichts zu tun hatte, verdiente 1999 S 14.300,‑- netto 14‑mal jährlich zuzüglich bestimmter Diäten und Sachbezüge. Er wohnte im Haushalt seiner Eltern und kaufte sich im August 1999 gemeinsam mit seiner Freundin eine Eigentumswohnung um S 1,360.000,‑ ‑, was aus einem Kredit über insgesamt S 1,6 Mio finanziert wurde.
Zur Sicherung eines bereits im Februar 1998 abgeschlossenen Kontokreditvertrages der klagenden Partei über S 500.000,‑- unterschrieb der Beklagte am 28. 6. 1999 einen Bürgschaftsvertrag mit der klagenden Bank. Darin verbürgte er sich für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Kreditgeberin aus dem Kontokorrentkreditvertrag sowie allfälligen Verlängerungen der Kreditvereinbarung. Die Unterfertigung dieses Bürgschaftsvertrages erfolgte nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin, sondern nach einem Gespräch des Beklagten mit seinem Vater im Büro des Installationsunternehmens. Dabei wies ihn der Vater darauf hin, dass die klagende Bank dies so haben wolle, der Beklagte aber nichts zu befürchten hätte. Dieser meinte darauf hin, da müsse er ja auch nicht unterschreiben, woraufhin sein Vater aber darauf verwies, dass im Falle seiner Weigerung die Firmenkredite fällig gestellt würden und Haus und Firma weg seien.
Nicht festgestellt werden konnte, ob der Beklagte den Bürgschaftsvertrag und die Kreditverlängerung auch unterfertigt hätte, wenn ihn die Klägerin über die Folgen des nicht ordnungsgemäßen Bedienens der Kredite durch das Familienunternehmen aufgeklärt hätte. In weiterer Folge wurden dann die Kredite im Herbst 2002 fällig gestellt und über das Vermögen der Installations GmbH am 12. 12. 2002 das Konkursverfahren eröffnet. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages waren der Klägerin das Einkommen des Beklagten bei der Installations GmbH sowie der Umstand, dass dieser bei seinen Eltern wohnte, bekannt. Der diesen Geschäftsfall betreuende Mitarbeiter der Klägerin hielt es für wahrscheinlich, dass die Installations GmbH die Kreditverlängerung auch ohne Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erreicht hätte, allerdings hatte die GmbH zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Eigenmittel, um sämtliche Kreditverpflichtungen mit diesem Tag abzudecken. Nach der Halbjahresbilanz für 1999 ergab sich ein Gewinn von S 153.000,‑ ‑, ein Bilanzgewinn von S 161.000,‑ ‑, ein Cashflow von S 328.000,‑- und ein Eigenkapital von S 27.000,‑ ‑. Das Gesamtobligo gegenüber der Klägerin betrug ca S 6,5 Mio. Die Bilanz für das Jahr 1998 wies einen Bilanzverlust von S 421.000,‑- sowie Verbindlichkeiten von S 8,072.116,‑- und ein Eigenkapital von S 78.532,‑ ‑ - das im Jahr 1997 noch mit S 341.155,‑- überhaupt negativ gewesen war ‑, aus.
Die Klägerin stützt sich in der Wechselklage im Wesentlichen darauf, dass sich die finanzielle Situation der Kreditnehmerin auch insoweit positiv dargestellt habe, als eine positive Fortbestandsprognose vorhanden gewesen sei. Die Klägerin habe dementsprechend auch nicht gegen die Aufklärungspflicht nach § 25c KSchG verstoßen. Ebensowenig liege ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten vor. Die Regelungen des Kautionsschutzgesetzes seien nicht anzuwenden, da diese nur den Arbeitgeber nicht aber einen Dritten, wie die klagende Bank, treffen würden.
Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass er die Bürgschaftsverpflichtungen nur wegen der konkreten Situation, insbesondere der Gefahr des Arbeitsplatzverlustes und des persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zum Vater unterfertigt habe. Die Beklagte habe es auch entgegen § 25c KSchG unterlassen, ihn über die wirtschaftliche Lage der Kreditnehmerin aufzuklären, obwohl das Eigenkapital praktisch negativ gewesen sei. Diese Verpflichtung treffe die Beklagte auch anlässlich der Verlängerung der Kontokorrentkredite im Jahr 2000. Die Übernahme der Bürgschaft stehe auch in einem krassen wirtschaftlichen Missverhältnis zum Einkommen des Beklagten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte dabei rechtlich im Wesentlichen, dass zwar eine Nichtigkeit der Bürgschaftsverpflichtung entsprechend dem Kautionsschutzgesetz zu verneinen sei, da keine Drucksituation bestanden habe. Der Vater des Beklagten habe als Bevollmächtigter der klagenden Bank nur die Konsequenzen einer allfälligen Nichtübernahme der Bürgschaft aufgezeigt. Auch ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten sei zu verneinen, da er immerhin über ein monatliches Einkommen von S 14.000,‑- netto monatlich 14‑mal jährlich verfügt habe und ihn die Kapitalrückzahlung für S 500.000,‑- bei einer 10‑jährigen Rückzahlung nur mit etwa S 4.160,‑- belastet hätte. Doch sei die Nichtigkeit gemäß § 25c KSchG zu bejahen, da es die Klägerin trotz der prekären finanziellen Situation der Installations GmbH unterlassen habe, den Beklagten darüber aufzuklären. Es hätte ein hohen Gesamtobligo von über S 6 Mio bestanden, ebenso Bilanzverluste und nur ein knapp positives Eigenkapital.
Das Berufungsgericht gab der gegen diesen Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Im Wesentlichen ging es davon aus, dass nach § 3 Kautionsschutzgesetz die Aufrechterhaltung eines Dienstverhältnisses vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, dass ihm vom Dienstnehmer ein Darlehen gewährt werde oder dass sich der Dienstnehmer an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteilige. Der Dienstnehmer solle davor geschützt werden, um der Aufrechterhaltung des Dienstvertrags willen dem Dienstgeber ein Darlehen zu gewähren und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt zu sein. Dies werde auch auf Sachverhalte erstreckt, in denen die an den Dienstgeberdarlehen gewährende Bank auf der Beibringung eines Bürgen bestand und der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages von der Bürgschaftsübernahme abhängig mache. Die Drohung, dass bei Verweigerung der Unterschrift auf dem Bürgschaftsvertrag "die Firma weg" sei, sei einer Drohung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gleichzuhalten.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist im Ergebnis unzulässig.
Es kann die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass hier eine Nichtigkeit der Bürgschaft des Beklagten in analoger Anwendung der §§ 3 und 4 KautSchG auf Grundlagen der vorliegenden Judikatur des Obersten Gerichtshofes bejaht werden könnte, durchaus in Zweifel gezogen werden. Nach § 3 KautSchG darf die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrages vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Dienstnehmer ihm ein Darlehen gewährt oder sich mit einer Geldeinlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Solche Verträge sind entsprechend § 4 KautSchG nichtig. Dadurch soll der Dienstnehmer davor geschützt werden, zur Aufrechterhaltung seines Dienstvertrages dem Dienstgeber Darlehen zu gewähren und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt zu sein (vgl zuletzt etwa OGH 6 Ob 1/00s oder OGH 4 Ob 22/98h jeweils mwN). Dieser unmittelbare Anwendungsbereich des Kautionsschutzgesetzes wurde durch Analogie auch auf solche Sachverhalte erweitert, in denen eine Umgehung der Nichtigkeitssanktion dadurch erreicht werden sollte, dass eine darlehensgewährende Bank auf der Beibringung eines Bürgen bestand und der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages von der Bürgschaftsübernahme abhängig machte (vgl SZ 61/229) oder der Dienstnehmer auf Initiative des Alleingesellschafters einen Gesellschaftsanteil an der Dienstgeber‑GmbH im Wege der Drittfinanzierung erwarb. Die Nichtigkeitssanktion erfasste hier auch das Finanzierungsgeschäft (vgl SZ 62/54). In beiden Fällen hatte jedoch das Kreditinstitut volle Kenntnis einerseits von dem Druck des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer (Kündigungsdrohung ‑ SZ 61/229) bzw vom Anlass für den Erwerb des Geschäftsanteiles (SZ 62/54). Gerade in einem durchaus vergleichbaren Fall, in dem es um die Beibringung einer Bürgschaft des im Betrieb beschäftigten Sohnes ging, hat aber der Oberste Gerichtshof analoge Anwendbarkeit des Kautionsschutzgesetzes unter Hinweis darauf verneint, dass sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, dass die Klägerin die Garantieerklärung in Kenntnis des Umstandes entgegengenommen habe, dass die Dienstgeberin die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses davon abhängig mache (vgl OGH 27. 3. 1995, 1 Ob 544/95). Es bedürfte also einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob allein schon aus dem Umstand, dass ein Kreditinstitut auf die Beibringung der Bürgschaft eines Angestellten dringt, dann wenn der Arbeitgeber auf diesen Kredit angewiesen ist, mangels gegenteiliger Behauptungen unterstellt werden kann, dass das Kreditinstitut mit der Ausübung eines entsprechenden Druckes rechnen und sich diesen auch zurechnen lassen muss. Dies kann hier aber deshalb unterbleiben, da das Berufungsgericht im Ergebnis aus anderen Gründen zutreffend die Berufung der Klägerin verworfen hat. Ist es doch berechtigt davon ausgegangen, dass es nicht darauf ankommt, ob hier durch ein Sachverständigengutachten doch noch für den Zeitpunkt der Kreditaufnahme eine positive Fortbestehensprognose festgestellt werden kann.
Nach § 25c KSchG hat die Bank einen Verbraucher, der als Bürge eintritt, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn sie erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Unterlässt sie dies, so haftet der Bürge nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte, was hier nicht festgestellt werden konnte (vgl dazu etwa OGH 20. 2. 2002, 9 Ob 33/02x, RIS‑Justiz RS0113881). Je nach Art und Ausmaß der Verbindlichkeiten hat der Gläubiger einer sorgfältige Bonitätsprüfung unter Verwendung der ihm zugänglichen Instrumente vorzunehmen und sich in jenem Umfang Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zu verschaffen haben, wie dies ein sorgfältiger Kreditgeber üblicherweise tut (vgl RIS‑Justiz RS0115984 mwN zuletzt 3 Ob 284/03s). Es entspricht aber auch der ständigen Judikatur, dass allein schon der Umstand, dass der Kreditgeber von sich selbst aus aktiv wird, um die Einbeziehung des Bürgen in das bestehende Schuldverhältnis zu erreichen, prima facie darauf hinweist, dass der die Einbringung der Forderung beim Hauptschuldner als nicht gesichert ansah (vgl RIS‑Justiz RS0113882 mwN, zuletzt 8 Ob 100/03v). Hier war wirtschaftlich betrachtet bereits eine bestehende Kontokorrentkreditverbindung vorhanden, die nur verlängert werden sollte. Wenn nun die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Einbeziehung des Beklagten als Bürgen bestand, so deutet dies eben prima facie darauf hin, dass sie die Einbringung der Forderung bei der Installations GmbH selbst nicht als gesichert ansah. Dafür spricht auch, dass dieses Unternehmen bereits einmal im Konkurs verfallen war und die Kreditverbindlichkeiten - insoweit unbekämpft - mehr als das 100‑fache des Eigenkapitals betragen haben. Dass diese Außenstände sonst ausreichend substantiell abgesichert gewesen wären, hat sich nicht ergeben. Ausgehend davon wäre selbst bei Zutreffen der Behauptungen der Klägerin, dass die Bilanz für 1998 - bei Vernachlässigung des aus den Vorjahren übernommenen Verlustvortrages von S 841.155,43 - ein positives Betriebsergebnis von S 421.000,‑- und einen Cashflow von S 770.000,‑- ausgewiesen habe, sich insgesamt die Entwicklung des Unternehmens im letzten Jahr positiv dargestellt habe, eine Hinweispflicht im Sinne des § 25c KSchG wegen der äußerst geringen Eigenkapitalquote und des mangelnden Nachweises von weitgehenden anderen Absicherungen zu bejahen.
Da sich aber die Entscheidung des Berufungsgerichtes schon aus diesem Grund als zutreffend erweist, ohne dass dabei im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten wäre, war die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.
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