OGH 4Ob22/98h

OGH4Ob22/98h27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Günther M*****, 2. Dipl. Ing. Peter S*****, beide vertreten durch Dr. Gerald Jahn, Dr. Arnold Gangl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Erna Sophie K*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 500.000.- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. Oktober 1997, GZ 3 R 168/97i, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 5. Mai 1997, GZ 6 Cg 220/96y-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 23.512,50 (darin S 3.918,75 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Gesellschaftervertrag vom 12. 12. 1991 wurde die A***** GmbH gegründet, die mit Generalversammlungsbeschluß vom 17. 9. 1996 unter gleichzeitiger Errichtung der M***** OEG aufgelöst wurde. An dieser Gesellschaft mit einem Stammkapital von S 500.000.- waren der Erstkläger mit einer Stammeinlage von S 249.000.-, der Zweitkläger mit einer Stammeinlage von S 250.000.- und die Beklagte mit einer Stammeinlage von S 1.000.- beteiligt. Die Beklagte war alleinige Geschäftsführerin und aufgrund eines mit der Gesellschaft abgeschlossenen Dienstvertrages berechtigt und verpflichtet, gegen ein Entgelt von S 50.000.- vierzehn Mal jährlich die Gesellschaft allein zu führen und das Unternehmen zu leiten und zu überwachen. Es stand ihr auch ein Dienstwagen zur Verfügung.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von S 500.000.- s. A. mit dem Vorbringen in Anspruch, sie hätten ihr in diesem Umfang ein Privatdarlehen eingeräumt, welches trotz Fälligstellung nicht zurückgezahlt worden sei.

Die Beklagte wendet ein, die Darlehensvaluta sei ihr niemals zugeflossen. Das Darlehen sei für offene Rechnungen der A***** GmbH benötigt worden und deshalb im wirtschaftlichen Eigentum der Kläger verblieben; der Umweg über die Beklagte sei nur deshalb erfolgt, damit die Kläger im Insolvenzfall das Geld zurückfordern könnten. Es liege in Wahrheit ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen vor. Die Darlehensvereinbarung verletze das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz und das Kautionsschutzgesetz. Die Beklagte sei zur Unterzeichnung der Darlehensvereinbarung genötigt und bei Unterschriftsleistung arglistig über den Zweck irregeführt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Geschäftsgang der A***** GmbH schlecht war und ein Gewinn nicht erzielt wurde, weshalb die Gesellschaft von den Klägern laufend finanzielle Zuschüsse erhielt. Anfang 1994 betrug der Schuldenstand bereits S 2,000.000.-. In einem Gespräch zwischen den Streitteilen am 21. 2. 1994, das im Beisein des Steuerberaters der Gesellschaft geführt wurde, vertraten die Kläger die Ansicht, daß es aufgrund des Anwachsens der Gesamtverbindlichkeit der Gesellschaft auf rund S 2,000.000,- so nicht weitergehen könne und der Konkurs angemeldet werden müsse. Die Beklagte war mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden und ersuchte die Kläger, weiterhin für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufzukommen. Die Beklagte legte eine Aufstellung fälliger Rechnungen vor, aus welcher sich Außenstände der Gesellschaft in der Höhe von S 353.806.- ergaben. Die Streitteile vereinbarten daraufhin, daß sich auch die Beklagte an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft beteiligen werde, und daß die Kläger der Beklagten ein Darlehen gewähren. Die Kläger äußerten in diesem Gespräch gegenüber dem Steuerberater die Meinung, die Beklagte habe Gelder aus dem Unternehmen für sich verwendet, die von ihr zurückzuzahlen seien. Am selben Tag unterzeichnete die Beklagte vor einem Notar einen Schuldschein, in dem sie erklärte, den Klägern S 300.000.- samt halbjährlich im nachhinein zu zahlenden Zinsen aufrecht und ohne Einwendung zu schulden, wobei die Kapitalsforderung der Kläger darlehensweise auf fünf Jahre gestundet werde. Für den Fall der Verletzung einer wesentlichen Bestimmung dieser Vereinbarung waren die Kläger berechtigt, die gesamte offene Forderung sofort fällig zu stellen. Zur Besicherung ihrer Forderung räumte die Beklagte den Klägern ein Pfandrecht an einer ihr gehörigen Liegenschaft ein. Die Kläger überwiesen der Beklagten auf deren Konto je S 175.000.-, und zwar der Erstkläger am 21. 2. 1994 (im Ersturteil irrig: 1997), der Zweitkläger am 23. 2. 1994. Da die Beklagte mehr Geld als zunächst vermutet für die Fortführung der Gesellschaft benötigte, vereinbarte sie am 27. 5. 1994 mit Nachtrag zum Schuldschein vom 21. 2. 1994 eine Erhöhung des Darlehens um S 50.000.-, mit Nachtrag vom 8. 2. 1995 um weitere S 150.000.- auf damit insgesamt S 500.000.-. Am 8. 2. 1995 übergaben die Kläger der Beklagten deshalb je S 75.000.- in bar. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der A***** GmbH forderte die Beklagte die Kläger durch ihren Anwalt mit Schreiben vom 15. 12. 1995 auf, ihr eine grundbuchsfähige Löschungsquittung über die den Klägern eingeräumte Hypothek auszufolgen und begründete dies mit dem Umstand, daß ja die Gelder, die diesbezüglich geflossen seien, für die Gesellschaft verwendet worden seien. Mit Schreiben vom 23. 1. 1996 begehrten die Kläger daraufhin die Zinsen aus dem Darlehen für den Zeitraum 21. 2. 1994 bis 31. 12. 1995. Da keine Zahlung erfolgte, stellten die Kläger den gesamten aushaftenden Betrag fällig. Die Beklagte hat keine Zahlungen geleistet. Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahin, daß ein wirksamer Darlehensvertrag vorliege, der weder nach den Vorschriften des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG), noch nach jenen des Kautionsschutzgesetzes (KautSchG) unwirksam sei, und gelangte zu einer Klagestattgebung.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte - wenn auch mit teilweise anderer Begründung - die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, der Beklagten kämen die Haftungsprivilegien des DHG nicht zugute, da dieses Gesetz im Hinblick auf § 25 GmbHG als lex specialis auf solche Dienstnehmer einer GmbH nicht anwendbar sei, die zugleich deren Geschäftsführer seien, und verneinte auch das Vorliegen eines Verstoßes gegen das KautSchG, habe doch der Beklagten bei Unterfertigung der Schuldscheine bewußt sein müssen, daß sie im Gegenzug für ihre Bareinzahlung in die Gesellschaft, die von den Klägern kreditiert worden sei, weder eine Beteiligung noch sonst eine Gegenleistung erhalten werde. Die Beklagte habe sich damit der Ansicht der Kläger gebeugt, für die entstandenen Verluste schadenersatzrechtlich verantwortlich zu sein. Ein derartiger Sachverhalt falle nicht mehr unter den Schutzzweck des KautSchG, zumal die Kläger ja nur auf die drohende Insolvenz im Falle des Ausbleibens weiterer Barzuschüsse hingewiesen hätten (in welchem Fall die Beklagte zwangsläufig ihren Arbeitsplatz verloren hätte), ohne die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages von einer Geldeinlage der Beklagten abhängig gemacht zu haben. Daß Gesellschafter einer GmbH mit der von ihnen bestellten Geschäftsführerin eine privatrechtliche Vereinbarung über eine Schadensregelung schließen, stelle aber auch keine sittenwidrige Umgehung der Rechtsfolgen eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens dar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Ob der Beklagten allenfalls Haftungsprivilegien des DHG zugutekommen könnten, ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich. Im übrigen hat das Berufungsgericht im Einklang mit der in Österreich ganz herrschenden Lehre und Rechtsprechung die Anwendbarkeit des DHG auf Geschäftsführer einer GmbH verneint (Koppensteiner, GmbHG § 25 Rz 15 mwN; 8 Ob 505/80; 9 ObA 145/90).

Die Revisionswerberin hält an ihrer Rechtsmeinung fest, der vorliegende Sachverhalt falle bereits deshalb in den Schutzbereich des KautSchG, weil die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses der Beklagten mit einem Darlehen bzw. einer Geldeinlage in die Gesellschaft verquickt worden sei, möge auch eine Drohung mit Kündigung seitens der Kläger nicht vorgelegen sein. Es genüge für die Unterstellung unter den Tatbestand des § 3 KautSchG, daß die Kläger der Beklagten mitgeteilt hätten, daß das Unternehmen ohne weiteren Geldzufluß zwangsläufig in Konkurs gehen werde, zumal ihnen bekannt gewesen sei, daß das der Beklagten gewährte Darlehen der Finanzierung des weiteren Geschäftsganges des Unternehmens dienen sollte.

Nach § 3 KautSchG darf die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrages vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, daß ihm vom Dienstnehmer ein Darlehen gewährt wird oder daß der Dienstnehmer sich mit einer Gesellschaftseinlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Verträge über Darlehen oder Geschäftsbeteiligungen, die diesem Verbot widersprechen, sind nichtig (§ 4 KautSchG). Zweck dieser Verbotsnorm ist es ua, den Dienstnehmer davor zu schützen, daß er um der Aufrechterhaltung des Dienstvertrages willen dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt wird (SZ 61/229 = EvBl 1989/83 = ÖBA 1989, 631 = RdW 1989, 369). Die besondere Gefahr von Darlehen und stillen Einlagen liegt dabei darin, daß beide formlos abgeschlossen werden können und der Darlehensgeber keine gesetzlichen Kontroll-, Informations- bzw. Einwirkungsrechte bezüglich des Geschäftsbetriebes des Darlehensnehmers hat; die stille Beteiligung ist darlehensähnlich, auch der stille Gesellschafter hat keine nennenswerten Kontroll-, Informations- oder Einwirkungsrechte (Geist, Beiträge der Arbeitnehmer zur Standortsicherung und Kautionsschutzgesetz, RdW 1995, 388ff, 392).

Die Rechtsprechung hat den (bei wörtlicher Interpretation engen) Schutzbereich des KautSchG durch Analogie auf solche Sachverhalte erweitert, in denen eine Umgehung der Nichtigkeitssanktion dadurch versucht wurde, daß eine darlehensgewährende Bank auf der Beibringung eines Bürgen bestand und der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages von der Bürgschaftsübernahme abhängig machte (SZ 61/229), oder ein Dienstnehmer auf Initiative des Alleingesellschafters einen Geschäftsanteil an der Dienstgeber-GmbH im Wege der Drittfinanzierung erwarb, wobei die Nichtigkeitssanktion auch das Finanzierungsgeschäft erfaßte, da der Finanzierer Kenntnis von der wirtschaftlichen Verflochtenheit der Vorgänge besaß (SZ 62/54). Verpöntes Verhalten in allen diesen Fällen war die Ausübung von Druck durch den Dienstgeber auf den Dienstnehmer, wodurch dessen freie Willensbildung beeinträchtigt wurde.

Ganz anders ist der hier zu entscheidende Sachverhalt gelagert. Die Beklagte war langjährige alleinige Geschäftsführerin einer GmbH, die über Jahre keine Gewinne erwirtschaftete und nur durch wiederholte Zuschüsse der Gesellschafter vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt worden ist. Wenn die Gesellschafter in dieser Situation bei einem Schuldenstand von rund S 2,000.000,- erklärten, daß es so nicht weitergehen könne und der Konkurs angemeldet werden müsse, und den Verdacht äußerten, die Beklagte habe durch unzulässige Privatentnahmen den schlechten Vermögensstatus der GmbH mitverschuldet, worauf sich die Beklagte dieser Ansicht der Kläger gebeugt hat, was in der Folge zu einer Einigung dahin führte, daß sich die Beklagte an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft beteiligte, indem sie offene Rechnungen mittels eines bei den Gesellschaftern aufgenommenen Darlehens zahlte, kann von einer dem § 3 KautSchG analogen Interessenlage nicht gesprochen werden. Weder lag damit nämlich die nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes geforderte Drucksituation seitens des Dienstgebers infolge Junktimierung von Geldzufluß und Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses vor, noch war die Beklagte als alleinige Geschäftsführerin der GmbH in ihren Kontroll-, Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten auf die zukünftige Geschäftsgebarung der Gesellschaft mit den von ihr zur Verfügung gestellten Geldmitteln beschränkt. Die Beklagte hat sich vielmehr in einer krisenhaften Unternehmenssituation ihrer Dienstgeberin auf ihre eigene Initiative hin entschlossen, Gesellschaftsverbindlichkeiten mit eigenen Mitteln und auf ihr eigenes Risiko zu liquidieren. Motiv der Beklagten für ihren Geldzufluß an die GmbH war dabei ersichtlich auch der Umstand, daß die Gesellschafter den Vorwurf erhoben, ihnen stünden Ausgleichsansprüche für unzulässige Entnahmen der Beklagten aus der Gesellschaft zu. Zutreffend haben deshalb die Vorinstanzen eine Nichtigkeit des Darlehensvertrages iS des § 4 KautSchG verneint.

Was zuletzt den Einwand betrifft, in Wahrheit liege ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen vor, das nur zur Umgehung den Weg über die Beklagte geflossen sei, übersieht die Revisionswerberin, daß sich diese Frage ausschließlich in einem Gesellschaftskonkurs dahin stellt, ob ein vom Gesellschafter zur Gesellschaft erfolgter Geldzufluß als nicht rückforderbares Eigenkapital zu behandeln ist, oder ob dem Gesellschafter im Ausmaß seiner erbrachten Leistung die Position eines Konkursgläubigers zukommt. Ein derartiger Sachverhalt liegt aber hier nicht vor. Der Revision konnte damit auch unter diesem Gesichtspunkt kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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