OGH 6Ob92/04d

OGH6Ob92/04d23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der zweitklagenden und gefährdeten Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Berger, Saurer, Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. O*****gesellschaft mbH, ***** und 2. Österreichischer Rundfunk, Würzburggasse 30, 1130 Wien, beide vertreten durch Korn Frauenberger, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung, über die Revisionsrekurse der zweitklagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 2004, GZ 5 R 158/03x-21, womit über die Rekurse der zweitklagenden Partei und der beklagten Parteien der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15. Juli 2003, GZ 24 Cg 59/03i-14, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Zweitklägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die Zweitklägerin hat den beklagten Parteien die mit 1.170,18 EUR (darin 195,03 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstkläger ist Geschäftsführer des zweitklagenden Transportunternehmens, eine Gesellschaft mbH, die ihren Sitz in Österreich hat und in ihrer Firma den Nachnamen des Erstklägers und seines Bruders Karl führt, der Geschäftsführer eines Transportunternehmens mit dem Sitz in Luxemburg ist. Gesellschafter der Zweitklägerin sind der Erstkläger und seine drei Brüder Karl, Othmar und Martin. Die Zweitklägerin ist das einzige Transportunternehmen in Österreich, das den Namen der Brüder in der Firma führt. Gegen den Erstkläger liegt derzeit keine Anklageschrift vor. Gegen ihn sind allerdings in Deutschland und Österreich Strafverfahren im Zusammenhang mit der sogenannten "Frächteraffäre" wegen des Verdachts des illegalen Einschleusens ausländischer Kraftfahrer anhängig. Gegen Karl K***** als Geschäftsführer des in Luxemburg ansässigen Trransportunternehmens wurde in Deutschland wegen des genannten Verdachts bereits Anklage erhoben. Über die "Frächteraffäre" wurde in den europäischen Medien berichtet. Der zweitbeklagte ORF ist Alleingesellschafter der Erstbeklagten und Herausgeber einer Website im Internet. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin des Onlinedienstes auf dieser Website. Sie veröffentlichte dort die Schlagzeile: "Frächteraffäre: Anklage gegen Firma K***** fertig". Durch Anklicken dieser Schlagzeile gelangte man unter derselben Überschrift zu folgendem Text:

"Vor genau einem Jahr ist die Frächteraffäre rund um die Firma K***** aufgeflogen. In einer europaweiten Aktion scharf durchsuchte die deutsche Polizei eine der größten europäischen Speditionen mit Sitz in Luxemburg. Nun wurde die Anklage gegen die Firma fertiggestellt. Mehr dazu in Österreich.ORF.at". Auf der angegebenen Subseite konnte man denselben Text unter der Überschrift "Anklage gegen Spedition K***** fertig" lesen. Im weiteren Text erhielt man die Information, dass Firmenchef Karl K***** verhaftet worden sei, weil er verdächtigt werde, hunderte Fahrer illegal beschäftigt zu haben. Die Anklage in 146 Fällen gegen den Spediteur sei jetzt erhoben worden. In weiteren 3.000 Fällen werde gegen Karl K***** ermittelt."

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Unterlassung der unwahren Äußerung, dass gegen das Speditionsunternehmen, dessen Geschäftsführer der Erstkläger sei, die Anklage fertig sei und die Unterlassung gegenüber der Zweitklägerin des Gebrauchs ihres Firmenwortlautes und/oder deren Kurzbezeichnung "Firma K*****" und/oder sonstiger die Zweitklägerin identifizierenden Firmenschlagworte im Zusammenhang mit Berichten über ein gegen Karl K***** in Deutschland angestrengtes Strafverfahren, so dieses Strafverfahren nicht im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit der Zweitklägerin stehe. Hinsichtlich der Erstbeklagten wird auch ein Widerrufsbegehren gestellt. Die Zweitklägerin beantragt zur Sicherung ihrer klageweise geltend gemachten Ansprüche die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Mit ihrem Hauptantrag zur Sicherung des auf § 43 ABGB gestützten Anspruchs auf Unterlassung der Namensnennung begehrt die Zweitklägerin ein mit dem Klagebegehren identisches Sicherungsgebot, hilfsweise das beiden Beklagten aufzutragende Gebot, die Behauptung und/oder Verbreitung der unwahren Äußerung, die Anklage gegen die Spedition K***** sei fertig, zu unterlassen. Der Erstkläger sei ein unbescholtener österreichischer Staatsbürger. Die Zweitklägerin sei von dem Luxemburger Unternehmen organisatorisch getrennt. Die Zweitklägerin habe Anspruch auf Namensanonymität im Sinne der §§ 16 und 43 ABGB, weil sie keinen sachlichen Anlass zur Namensnennung gegeben habe. Die Behauptung, dass gegen die Firma K***** die Anklage fertig sei, sei ehrenbeleidigend und kreditschädigend, weil gegen den Erstkläger weder in Deutschland noch in Luxemburg ein Strafverfahren anhängig sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Auch gegen den Erstkläger werde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in München geführt. Er werde genauso wie sein Bruder derselben Straftaten verdächtigt. Mit einer Anklageerhebung gegen den Erstkläger sei zu rechnen. Der bekämpfte Bericht der Beklagten habe erkennen lassen, dass nur Karl K***** und sein Transportunternehmen betroffen seien.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Sicherungsantrages ab und gab dem Eventualbegehren statt. Es traf über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende hervorzuhebende Feststellungen:

Zwischen dem Luxemburger Unternehmen und der Zweitklägerin habe es keine Geschäftsbeziehung gegeben. Karl K***** übe bei der Zweitklägerin keine Tätigkeit aus. Die Zweitklägerin und das Luxemburger Transportunternehmen gehörten zur sogenannten K*****-Gruppe. Die Zweitklägerin sei Inhaberin von Internetdomains. Wenn man diese beiden Adressen anwähle, gelange man zur Startseite der K*****-Gruppe. Dort werde eine Darstellung seit der Firmengründung 1955 durch Karl K***** sen. gegeben und berichtet, dass 1984 eine Gesellschaft in Luxemburg gegründet worden sei, um ein Standbein in der Europäischen Union zu haben. Die K*****-Gruppe sei bis heute zu einem Unternehmen ausgebaut worden, das in vielen europäischen Ländern mit eigenen Niederlassungen vertreten sei, um die jeweiligen Märkte besser bearbeiten zu können. Die Zweitklägerin sei das einzige Unternehmen der K*****-Gruppe, das in der Firma den Familiennamen K***** führe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass mit der bloßen Namensnennung keine Verletzung des durch § 43 ABGB geschützten Namensrechts verwirklicht werde. Die Zweitklägerin könne sich nicht mit Erfolg auf das Recht auf Namensanonymität berufen. Das auf die Unterlassung kreditschädigender Äußerungen gerichtete Unterlassungsbegehren sei berechtigt. Ein unbefangener Durchschnittsleser verstehe die Schlagzeile "Anklage gegen Firma K***** fertig" dahin, dass gegen die Zweitklägerin oder eines ihrer Organe eine fertige Anklage vorläge. Eine nicht unbeachtliche Zahl von Lesern begnüge sich mit der Lektüre der Schlagzeile. Die dortige Aussage sei nach den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens unwahr. Aufgrund des offenkundigen Naheverhältnisses der Gesellschafter der Zweitklägerin einerseits sowie der Kläger und Karl K***** bzw seines Unternehmens als Mitglied der K*****-Gruppe andererseits, bedeute die bloße Hervorhebung des gemeinsamen Familiennamens ohne Klarstellung, auf wen sich die Äußerung über eine fertige Anklage beziehe, die Gefahr einer Kreditschädigung der Zweitklägerin.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Zweitklägerin und der beiden Beklagten nicht Folge. Es führte zum Rekurs der Zweitklägerin im Wesentlichen aus, dass hier nicht ein rechtswidriger Namensgebrauch, sondern der Fall einer Namensnennung zu beurteilen sei. Hier gelte es, die Namensanonymität gegen die Informationsfreiheit abzuwägen. Die Zweitklägerin bemühe sich als ein im Firmenbuch eingetragenes Unternehmen, bei möglichen Geschäftspartnern einen good-will aufzubauen. Mit ihren Internetdomains als Mitglied der K*****-Gruppe und ihrem Werbeauftritt habe die Zweitklägerin selbst eine Verbindung mit den anderen Firmen der Gruppe hergestellt. Sie könne sich daher nicht auf Namensanonymität berufen. Die Feststellung des Erstgerichtes, dass zwischen dem Luxemburger Unternehmen und der Zweitklägerin keine Geschäftsbeziehung bestanden habe, werde vom Rekursgericht nicht übernommen. Es stehe fest, dass beide Gesellschaften im Rahmen der Gruppe zumindest gemeinsam werben. Zum Rekurs der Beklagten führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, dass Äußerungen stets nach ihrem Gesamtzusammenhang zu beurteilen seien. Eine isolierte Betrachtung einer Artikelüberschrift stehe mit dieser Rechtsprechung in Widerspruch. Auch in der Entscheidung 6 Ob 296/02a sei nicht ausgesprochen worden, dass eine Schlagzeile, wenn sie über einen selbständigen Aussageinhalt verfüge, isoliert zu beurteilen sei. Aus dem der Schlagzeile folgenden Text könne durch den Hinweis auf den Firmenchef Karl K***** zwar eine Person, die die Geschäftsführer der K*****-Gruppe kenne, darauf schließen, dass (nur) auf das in Luxemburg ansässige Unternehmen hingewiesen werde. Für durchschnittliche Leser ergebe sich dies aber nicht. Beim Durchschnittsleser, der nicht darüber informiert sei, dass der Geschäftsführer der Zweitklägerin Rainer als Vornamen habe und nicht Karl, könne durchaus der Eindruck entstehen, dass gegen den Firmenchef der Zweitklägerin eine Anklage fertiggestellt worden sei. Unter Berücksichtigung der "Unklarheitenregel" sei der Vorwurf der Beklagten für die Zweitklägerin kreditschädigend. Die Beklagten hätten ihre Information konkret und richtig abfassen können. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Zweitklägerin, dass ihrem Sicherungshauptbegehren stattgegeben werde. Die Beklagten beantragen mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs die Abänderung dahin, dass auch der Eventualantrag abgewiesen werde. Der Oberste Gerichtshof hat den Parteien Rekursbeantwortungen freigestellt.

Beide Revisionsrekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A) Da die bekämpfte Namensnennung vom Inhalt des Begleittextes

abhängig ist (RIS-Justiz RS0009319), ist es angebracht, zuerst den Revisionsrekurs der Beklagten zu behandeln:

Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt, dass die bekämpfte Schlagzeile nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Es komme auf den Gesamtzusammenhang, also auch auf den im Internet weiters veröffentlichten Text an. Nach diesem stehe aber entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes die Richtigkeit des wesentlichen Tatsachenkerns der Äußerung fest, nämlich die Anklageerhebung gegen Karl K***** als Chef des in Luxemburg ansässigen Frachtunternehmens. Überdies seien gegen den Erstkläger wie gegen seinen Bruder im sogenannten "Frächterskandal" Strafverfahren wegen des Verdachts derselben Delikte anhängig. Die Zweitklägerin repliziert dazu, dass die Schlagzeile als selbständige Tatsachenbehauptung ohne Rücksicht auf den weiteren im Internet abrufbaren Text zu beurteilen sei. Im Übrigen wäre auch unter Berücksichtigung des Gesamttextes die strittige Behauptung unwahr. Diese vermittle den wahrheitswidrigen Eindruck, dass gegen die Zweitklägerin eine Anklage fertig sei. Die Zweitklägerin führt für ihre Ansicht über eine isolierte Betrachtung von Schlagzeilen Lehrmeinungen ins Treffen, mit denen sich der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung 6 Ob 138/01i = MR 2001, 367 - Kanaleinmündungsgebühr, auseinandergesetzt hat. Zu beurteilen war ein in einem Untertitel einer Presseaussendung einer politischen Partei erhobener Lügenvorwurf, der im weiteren Text der Aussendung näher erläutert worden war. Der Oberste Gerichtshof führte aus, der Einwand, es komme nur auf den im Titel der Presseaussendung erhobenen Lügenvorwurf und damit nur auf die reine Begriffsdefinition an, isoliere den bekämpften Vorwurf aus dem Zusammenhang und stehe im Gegensatz zur Rechtsprechung. Im gewerblichen Rechtsschutz möge der blickfangartigen Herausstellung im Titel wegen des flüchtigen Lesens etwa von Werbeaussagen in der Eile des Geschäftsverkehrs eine Bedeutung zukommen. Die dort maßgeblichen Argumente seien auf Presseaussendungen von Politikern im politischen Meinungskampf nicht ohne weiteres übertragbar. Triftige Gründe, warum ein im Titel schlagwortartig erhobener Vorwurf nicht durch den erläuternden Text gerechtfertigt werden dürfte, bringe der Kläger nicht vor. Der Bedeutungsinhalt des Lügenvorwurfs sei nach dem gesamten Text der Presseaussendung zu ermitteln.

Die Entscheidung 6 Ob 296/02a = MR 2003, 27, ist die zweite oberstgerichtliche Entscheidung, die sich im Anwendungsbereich des § 1330 ABGB mit einem Schlagzeilenvorwurf zu beschäftigen hatte. Die Überschrift eines Artikels einer Tagesausgabe einer Zeitung lautete "Der rote Bankchef als Abzocker". Im Artikel selbst wurde der Bankdirektor wegen einer Kreditvergabe und wegen seiner Einkommens- und Pensionsansprüche kritisiert. Der Oberste Gerichtshof beurteilte den Begriff "Abzocker" als "unpräzise und nicht eindeutig". Wer die Überschrift nur überfliege, nehme nicht wahr, dass der Kläger mit dem Begriff belegt werden sollte. Die Überschrift mache ohne den weiteren Text "keinen erkennbaren Sinn". Wenn der Kläger als Chef einer sozialdemokratisch orientierten Institution mehrere Millionen Euro zusätzlich zu seinem Gehalt als Bankdirektor vereinnahme und dies in der angeführten Weise kritisiert werde, liege darin kein massiver Wertungsexzess.

Eine nicht einschlägige Vorentscheidung ist schließlich die zu § 78 UrhG ergangene Entscheidung 4 Ob 2059/96i = MR 1996, 240. In der Überschrift eines Artikels war der Nachname eines bekannten österreichischen Rennfahrers mit dem Schlagwort "Neue Ermittlungen" genannt und daneben sein Bild veröffentlicht worden. Erst aus dem Text des Artikels ergab sich, dass es um strafgerichtliche Erhebungen gegen den Vater des Rennfahrers ging. Der Oberste Gerichtshof beurteilte die Bildveröffentlichung wegen des durch die Aufmachung des Titels hervorgerufenen irreführenden Eindrucks als empfindliche Kränkung und bestätigte den Zuspruch einer Entschädigung an den Kläger. Mit dieser Entscheidung wurde also der Begleittext des Bildes im Titel des Artikels vom weiteren Text isoliert und nur der Titel selbst zur Entscheidungsgrundlage genommen.

In der Judikatur der Strafgerichte zu § 111 StGB wird die Ansicht vertreten, dass eine beleidigende Äußerung in der Überschrift oder einer Schlagzeile dann tatbildlich ist, wenn der Eindruck einer vollständigen Information erweckt wird, sodass weitere Informationen zum Verständnis der Schlagzeile nicht erforderlich seien. Wenn diese fragmentarischen Charakter aufweise und der Leser damit zur Lektüre des (gesamten) Artikels aufgefordert werde, sei auf den Zusammenhang mit dem Artikeltext abzustellen. Eine Überschrift sei daher nur dann isoliert zu sehen, wenn bereits aus ihr eine eigenständige, sich auf eine bestimmte Person beziehende Aussage folge, nicht aber, wenn durch nichtsagende Übertreibungen lediglich zum Konsum des bezughabenden Artikels aufgefordert werde (Judikatur des OLG Wien, zitiert bei Hager/Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4 E 35). Diese Grundsätze werden auch zum Recht auf Gegendarstellung vertreten (Judikaturhinweise bei Brandstetter/Schmid, MedienG² Rz 10 zu § 9).

Ein Teil des Schrifttums geht noch einen Schritt weiter und spricht sich wegen des besonders hohen Veröffentlichungswerts von Schlagzeilen und Titeln stets für eine isolierte Beurteilung aus, selbst wenn die Schlagzeile einen unvollständigen Aussagewert aufweist (Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 28 - 42 Rz 33 - 35).

Für den Anwendungsbereich des § 1330 ABGB ist zunächst festzustellen, dass einer isolierten Beurteilung der Schlagzeile der in der ständigen Rechtsprechung vertretene Grundsatz entgegensteht, dass jede Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fiel, zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0031883). Die Unklarheitenregel, dass jeder Täter die für ihn ungünstigste Auslegung seiner Äußerung gegen sich gelten lassen muss (RS0079648) und der weitere Grundsatz, dass sich die Unrichtigkeit einer Äußerung auch aus ihrer Unvollständigkeit ergeben kann (RS0031963; RS0111212), stehen mit der grundsätzlich gebotenen Beurteilung nach dem Gesamtzusammenhang nicht in Widerspruch. Wenn sich aus dem gesamten Text ergibt, was mit der Überschrift gemeint war, ist der Titel im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nicht unklar und kann gerechtfertigt sein. Vor der neuerlichen Befassung mit dem Thema ist es erforderlich, einerseits zwischen vollständigen und unvollständigen Titeln und andererseits zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen zu unterscheiden:

Werturteile sind Ausdruck der Meinungsfreiheit (Art 10 MRK), die gerechtfertigt sein können, wenn sie auf der Basis eines wahren Sachverhalts geäußert wurden. Mit falschen Tatsachenbehauptungen darf ein Gegner nicht herabgesetzt werden (RS0032201; 6 Ob 25/99s; 6 Ob 114/01h uva). Ein ohne konkreten Sachverhalt abgegebenes, ehrverletzendes Werturteil unterliegt als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Abs 1 ABGB (6 Ob 285/01g). Daraus folgt, dass jedes in einem Titel oder in einer Überschrift plakativ abgegebene Werturteil stets unvollständig ist, wenn es nicht auch den im folgenden Artikel erläuterten Sachverhalt in geraffter Form schon im Titel wiedergibt. Bei Anerkennung der zitierten Meinung, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es dem Medien dann generell verwehrt, plakativ schon im Titel eines Artikels ein Werturteil abzugeben, wenn dieses einen Betroffenen kritisch angreift. Es liegt auf der Hand, dass mit der Inkriminierung "knalliger", also besonders pointierter Überschriften, losgelöst vom übrigen Text, ein Eingriff in die nach der Judikatur des EGMR besonders hoch einzuschätzende Pressefreiheit vorgenommen würde. Die aus dem Gedanken der Eile des Geschäftsverkehrs und des sicherlich bei einem Teil der Konsumenten üblichen bloßen "Schlagzeilenlesens" abgeleitete Forderung nach einer isolierten Beurteilung von Schlagzeilen und Überschriften steht daher im Konflikt mit den Ansprüchen der Medien und dem Grundsatz, dass jede Äußerung nach dem Verständnis des angesprochenen Publikums zu beurteilen ist. Maßstab ist dabei der unbefangene "Durchschnittsleser", also das Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten (§ 1297 ABGB) Erklärungsempfängers (RS0115084). Dieses Verständnis ist auch für die Frage maßgeblich, wer überhaupt von der kritischen Äußerung betroffen ist (RS0031757). Wenn nun schon jede Schlagzeile, also auch eine unvollständige und eine unklare Aussage, die offen lässt, was oder wer mit dem Titel gemeint ist, selbständig und nach der Unklarheitenregel zu Lasten des Äußernden zu beurteilen wäre, so setzte dies nach dem eben erläuterten Grundsatz voraus, dass der sogenannte "Schlagzeilenleser" der maßstabgetreue Durchschnittsleser wäre. Dies lässt sich jedoch nicht mit dem auch in der Rechtsprechung des EuGH vertretenen Leitbild eines verständigen Konsumenten vereinbaren. Ein solcher Erklärungsempfänger wird einem unvollständigen, aufklärungsbedürftigen Text in einer Schlagzeile entweder durch Lesen des Artikels nachgehen oder aber im Unklaren über den Sinn des Titels verbleiben, dies dann aber auf seine Unterlassung, den gesamten Text zu lesen, zurückführen. Printmedien wenden sich mit der Verwendung griffiger Schlagzeilen an das Lesepublikum, um es zum Lesen der gesamten Veröffentlichung zu animieren. Nach Berka (Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz 260) gehört es auch zur verfassungsrechtlich geschützten Medienfreiheit, wirksame Überschriften zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen. Wegen des Zwangs zur Kürze könne nicht jede präzisierungsbedürftige Aussage isoliert betrachtet werden, wohl aber selbständige Aussagen. Dieser Ansicht ist zu folgen. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten gilt daher für Werturteile (ohne erklärenden Sachverhalt) und unvollständige Tatsachenbehauptungen, dass ergänzungsbedürftige Titel nicht selbständig und isoliert in Richtung einer Verletzung des § 1330 ABGB zu untersuchen sind und dass solche Titel durch den nachfolgenden Text gerechtfertigt werden können.

Vollständige Tatsachenbehauptungen in Titeln und Überschriften können isoliert beurteilt werden. In diese Richtung weist schon die Begründung der zitierten Entscheidung 6 Ob 296/02a, wenn dort ausgeführt wurde, dass der Vorwurf des "Abzockens" ohne den Text des Artikels keinen erkennbaren Sinn ergab. Der Oberste Gerichtshof ging damals also von einer unvollständigen Titelaussage aus. Diesen Teil der Entscheidungsbegründung übersieht offenbar Korn in seiner Entscheidungskritik (MR 2003, 29). Den von ihm zitierten Meinungen aus der deutschen Rechtsprechung und Lehre über die selbständige Beurteilung von vollständigen Aussagen in Titeln und Schlagzeilen kann durchaus gefolgt werden. Wenn Tatsachenbehauptungen mit denjenigen im Folgetext nicht in Einklang zu bringen sind, liegt es geradezu auf der Hand, dass zwei selbständig zu beurteilende Äußerungen vorliegen, sodass der Ehrenschutz auch den Titel allein erfasst. Zu unvollständigen Titeln führt der von Korn zitierte Autor Wasserburg (Der Schutz der Persönlichkeit im Recht der Medien, 105 f) im Anschluss an eine Entscheidung des OLG Köln richtig aus, dass ergänzungsbedürftige Überschriften am Gesamtinhalt des Textes zu prüfen sind, wie dies in Österreich auch Berka vertritt. Die hier strittige Schlagzeile "Frächteraffäre: Anklage gegen Firma K***** fertig" ist eine vom Nachfolgetext losgelöst zu beurteilende, vollständige und unwahre Tatsachenbehauptung:

Ausgehend vom unstrittigen Umstand, dass die Zweitklägerin das einzige Unternehmen in Österreich ist, das den Namen "K*****" in der Firma führt, kann ihre Betroffenheit von der Äußerung nicht zweifelhaft sein. Der Umstand, dass die Gesellschaftsform (GmbH) im Titel nicht genannt wird, schadet nicht, weil im Geschäftsverkehr der Gesellschaftszusatz meist unterdrückt wird und es auf das markante Firmenschlagwort ankommt. Die Zweitklägerin bzw ihr gleichnamiger Gesellschafter-Geschäftsführer war für das angesprochene Publikum jedenfalls als möglicher Betroffener identifizierbar (vgl zur Identifikation 6 Ob 21/99f = SZ 72/39).

Die Titelaussage ist eine vollständige Aussage über eine Anklageerhebung gegen die Zweitklägerin im Zusammenhang mit der "Frächteraffäre". Der behauptete Sachverhalt ist unwahr und unzweifelhaft zumindest rufschädigend.

Entgegen der Auffassung der beklagten Revisionsrekurswerber ist die Aussage auch nicht in ihrem Tatsachenkern deshalb richtig, weil auch gegen den Erstkläger Strafverfahren in Deutschland und Österreich anhängig sind. Wohl ist der Wahrheitsbeweis schon als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079693). Auf unwesentliche Details kommt es nicht an (6 Ob 173/98d). Es ist aber kein unwichtiges Detail, ob gegen eine Person strafgerichtliche Erhebungen geführt werden, die schon aufgrund einer Anzeige gepflogen werden müssen oder ob schon eine von einem Staatsanwalt erhobene Anklage vorliegt, also ein von diesem geprüfter und bejahter dringender Tatverdacht.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist daher aus den dargelegten Gründen nicht Folge zu geben, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob mit dem Nachfolgetext der im Titel erhobene Vorwurf ausreichend klargestellt wurde oder ob im Sinne der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes dies nach dem Ungünstigkeitsprinzip zu verneinen wäre.

B) Zum Revisionsrekurs der Zweitklägerin:

Die Rekurswerberin strebt die Stattgebung ihres im Sicherungsverfahren gestellten Hauptbegehrens mit der Begründung an, ihr Name dürfe nicht im Zusammenhang mit einer Anklageerhebung gegen das Transportunternehmen des Bruders des Erstklägers genannt werden. Nach der Entscheidung 4 Ob 14/03t dürfe nicht der Eindruck einer ideellen oder wirtschaftlichen Beziehung zwischen dem Namensträger und dem Dritten erweckt werden. Die Namensnennung in Sensationsberichten sei unzulässig. Die Klägerin stünde in keinerlei Zusammenhang mit der "Frächteraffäre". Die Beklagten verweisen dazu in ihrer Revisionsrekursbeantwortung im Wesentlichen auf die Feststellungen zur sogenannten "K*****"-Gruppe.

Das Recht auf Namensanonymität leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab (§§ 16 und 43 ABGB; RS0008998). Die bloße Namensnennung ist aber nicht generell rechtswidrig. Hat der Betroffene nicht zugestimmt und besteht weder ein gesetzliches Verbot noch eine gesetzliche Ermächtigung, dann hängt die Frage der Rechtswidrigkeit von der vorzunehmenden Interessenabwägung ab. Ein allgemeines Recht, den Gebrauch des Namens eines anderen im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, besteht insoweit nicht, als dies durch bloße Namensnennung geschieht. Die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namensnennung ergibt sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage (6 Ob 2/04v mwN). Da hier - wie oben behandelt - die mit der Namensnennung verbundene Aussage verboten wurde, wäre es naheliegend, auch die Namensnennung als unzulässig zu qualifizieren. Dies ist jedoch deshalb nicht der Fall, weil zwar die Namensnennung ausschließlich im Zusammenhang mit der falschen Behauptung, gegen die Zweitklägerin sei schon Anklage erhoben worden, zu verbieten wäre, hier aber das Begehren der Zweitklägerin anders lautet und das Verbot der Namensnennung im allgemeinen Zusammenhang mit der Frächteraffäre und der Strafverfolgung des Karl K***** angestrebt wird, sodass mit einer Antragstattgebung auch Äußerungen verboten werden, auf deren Unterlassung die Zweitklägerin keinen Anspruch hat (Berichterstattung über die "K*****-Gruppe").

Wohl darf der Name eines Dritten nur in Zusammenhängen erwähnt werden, zu deren Erwähnung der Namensträger sachlich Anlass gegeben hat (Frick, Persönlichkeitsrecht 84). Ein solcher Anlass wurde hier vom Rekursgericht aber zutreffend festgestellt. Entgegen den Revisionsrekursausführungen steht die Zweitklägerin durchaus im Zusammenhang mit der "Frächteraffäre", laufen doch gegen den Erstkläger strafgerichtliche Erhebungen in Deutschland und Österreich wegen derselben Delikte, wie sie seinem Bruder vorgeworfen werden. Das Rekursgericht hat ferner die Feststellung des Erstgerichtes, es bestünde zwischen der Zweitklägerin und dem Luxemburger Unternehmen des Bruders des Erstklägers keine Geschäftsbeziehung, ausdrücklich nicht übernommen und auf die schon vom Erstgericht festgestellte Zusammenarbeit der Unternehmen im Bereich der Werbung im Rahmen der sogenannten "K*****-Gruppe" hingewiesen. Damit kann ein sachlicher Anlass für eine Namensnennung nicht mehr verneint werden. Gegen die Auffassung, dass die gebotene Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Namensschutz (dazu 7 Ob 329/97a mwN; Raschauer Namensrecht 301 f) hier zugunsten der Beklagten ausschlägt, führt die Revisionsrekurswerberin keine tauglichen Gründe ins Treffen. Es ist daher auch ihrem Revisionsrekurs nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 78 und 402 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO, hinsichtlich der gefährdeten Partei auch auf § 393 EO.

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