OGH 4Ob2059/96i

OGH4Ob2059/96i29.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard B*****, vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler & Dr.Simon Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000; Revisionsinteresse S 100.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30.Jänner 1996, GZ 4 R 229/95-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.Juni 1995, GZ 35 Cg 28/95x-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 19.681,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 2.176,90 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Tageszeitung "Tirol-Kurier" vom 17.Februar 1995 erschien auf Seite 7 folgender Artikel über den Vater des Klägers, der mit einem Lichtbild des Klägers versehen war:

Der Kläger hat weder dem Inhalt dieses Artikels noch der Veröffentlichung seines Lichtbildes die Zustimmung erteilt. Er ist ein weltbekannter, vor allem in Österreich sehr populärer Sportler. Aufgrund des Artikels sprachen ihn in Tirol mehrere Personen an und fragten ihn, welche Ermittlungen denn gegen ihn geführt würden.

Der Kläger wird derzeit von fünf oder sechs Sponsoren gefördert, die jährlich 10,000.000,- bis 12,000.000,- S zu seiner Unterstützung bereitstellen. Mit diesen Sponsoren hatte er aufgrund des Artikels keine Probleme. Stellt der Kläger sein Bild für eine Werbekampagne zugunsten eines bestimmten Produktes zur Verfügung (wobei dann sein Bild wiederholt veröffentlicht werden darf), so verlangt und erhält er durchschnittlich 1,000.000 S.

Daß die Verkaufszahlen des "Tirol-Kuriers" aufgrund des erwähnten Artikels gestiegen wären, steht nicht fest.

Der Kläger beantragte - neben dem schon rechtskräftig zuerkannten Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren - die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 150.000 sA. Durch die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit dem beigegebenen Text seien Interessen des Klägers verletzt worden, weil er damit in den Verdacht geraten sei, unanständige Handlungen begangen zu haben. Das Bild sei lediglich verwendet worden, um die Sensationslust der breiten Öffentlichkeit anzusprechen. Ihm stehe Anspruch auf Entschädigung zu. Im Hinblick auf seinen außerordentlichen Bekanntheitsgrad als Rennfahrer, den Umstand, daß er für die Überlassung seines Bildes zu Werbezwecken ein entsprechend hohes Entgelt erziele, sowie daß die Beklagte den Verkauf ihrer Tageszeitung durch die ungerechtfertigte Veröffentlichung habe steigern können, erscheine ein Betrag von S 150.000 gerechtfertigt. Dieser Anspruch werde auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes, des Gewinnherausgabean- spruches und eines Verwendungsanspruches gestützt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Da der Kläger einer breiten Öffentlichkeit bekannt sei, würden durch Veröffentlichungen seines Bildes regelmäßig keine berechtigten Interessen verletzt, sofern nicht das Bild selbst entstellend oder herabsetzend sei. Davon könne aber hier keine Rede sein. Der Begleittext zum Bild sei in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen. Selbst wenn jemand zunächst nur die Überschrift des Artikels gelesen hätte, dann wäre er dadurch wahrscheinlich neugierig geworden und hätte auch den übrigen Artikel gelesen und dabei erkannt, daß der Bericht nicht den Kläger selbst, sondern dessen Vater betreffe. Da gegen den Kläger weder Anschuldigungen erhoben noch sonst abträgliche Behauptungen über ihn aufgestellt worden seien, sei er durch die Veröffentlichung des Bildnisses nicht der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben worden. Der Kläger habe durch die Bildnisveröffentlichung keine finanzielle Einbuße erlitten. Auch eine ganz empfindliche Kränkung liege nicht vor, so daß auch ein immaterieller Schaden nicht in Betracht komme. Der Verkauf der Tageszeitung der Beklagten sei durch das Bild nicht gesteigert worden. Auch der Verwendungsanspruch bestehe daher nicht zu Recht.

Der Erstrichter verurteilte die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens von S 50.000 zur Zahlung von S 100.000 sA. Die große Überschrift des Artikels enthalte Hinweise auf ein gesetzwidriges Verhalten, das von einem oberflächlichen Leser wegen der Abbildung des Klägers durchaus auf diesen bezogen werden könne. Es entstehe der Eindruck, als hätte sich der Verfasser des Artikels bei der Auswahl der Überschrift bewußt mißverständlich ausgedrückt, um das Interesse an seinem Artikel zu heben. Infolge der Gefahr eines solchen Mißverständnisses seien durch die Veröffentlichung des Bildes des Klägers dessen berechtigte Interessen verletzt worden. Ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse der Beklagten liege nicht vor. Die Veröffentlichung habe nur der Befriedigung von Sensationslust des Leserpublikums gedient. Es gebe keinen vernünftigen Grund, warum sich der Verfasser des Artikels nicht mit dem verbalen Hinweis (ohne Lichtbild) auf ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem vom Artikel betroffenen Johann B***** und seinem berühmten Sohn, dem Kläger, beschränke. Einer seriösen Gestaltung des Artikels hätte es zumindest entsprochen, auch ein Foto Johann B*****s zu veröffentlichen.

Ein Schadenersatzanspruch nach § 87 Abs 1 UrhG sei aber zu verneinen, weil der Kläger einen Gewinnentgang nicht einmal behauptet habe. Auch eine Berechnung des Schadens nach dem "angemessenen Entgelt" komme nicht in Betracht, weil die Beklagte das Bild des Klägers nicht für Werbezwecke verwendet habe. Eine Entschädigung nach § 87 Abs 2 UrhG gebühre dann, wenn die Beeinträchtigung den mit jeder Rechtsverletzung verbundenen Ärger überschreite; nur ernste Beeinträchtigungen und empfindliche Kränkungen seien zu vergüten. Dabei sei ein wesentlicher Gesichtspunkt, ob die Person des Abgebildeten durch die Veröffentlichung in einen nicht den Tatsachen entsprechenden Zusammenhang gestellt worden sei. Gerade das treffe hier zu. Als Besonderheit sei in Betracht zu ziehen, daß der Kläger seinen hohen Werbewert und seine Attraktivität neben seinen sportlichen Erfolgen auch maßgeblich einem skandalfreien, sauberen Image verdanke. Nur solange dieses Bild aufrecht sei, könne der Kläger seiner Rolle als Idol der Jugend und der sonstigen sportinteressierten Bevölkerung entsprechen, was selbstverständlich auch von Sponsoren und Werbefirmen einkalkuliert werde. Artikel wie der vorliegende seien für dieses Image des Klägers gefährlich und geeignet, seinen Werbewert beträchtlich zu senken. Angesichts der Abhängigkeit des Klägers von Sponsorengeldern sei ein immaterieller Schaden zu bejahen. Wegen der besonderen Popularität des Klägers erscheine der Betrag von S 100.000 angemessen.

Das Berufungsgericht wies das Zahlungsbegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß (der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und) die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nicht jede Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichung eines Personenbildnisses könne zum Ersatz immateriellen Schadens führen. Ein Zuspruch solle Härtefällen vorbehalten bleiben, in welchen das erlittene Ungemach durch eine über die gewöhnlichen Folgen einer Urheberrechtsverletzung hinausgehende Genugtuung ausgeglichen werden solle. Der Kläger sei weder durch die Bildnisveröffentlichung selbst noch durch den beigegebenen Begleittext in seiner Ehre oder Intimsphäre verletzt worden. Tatsächlich handle es sich bei dem Lichtbild um ein gewöhnliches Porträtfoto, das den Kläger so zeige, wie er nahezu der gesamten österreichischen Bevölkerung bekannt sei. Sein Name werde im Artikel nur ein einziges Mal erwähnt. Daß dem Kläger das Familienverhältnis zu seinem Vater vorgeworfen oder er durch diesen Hinweis bloßgestellt werden sollte, sei nicht zu sehen. Der Kläger sei damit auch nicht empfindlich gekränkt worden, zumal er keine konkrete Behauptungen darüber aufgestellt habe, daß gerade diese Veröffentlichung die Beeinträchtigung, die mit jeder Bildnisveröffentlichung verbunden ist, übersteige. Solche Behauptungen hätte er aber aufstellen müssen. Die vom Erstgericht herausgestrichene Abhängigkeit des Klägers von Sponsorengeldern könnte keinen immateriellen, sondern höchstens einen materiellen Schaden begründen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Obwohl die Beklagte das Unterlassungsgebot des Ersturteiles unbekämpft ließ, vertritt sie doch auch noch im Revisionsverfahren - unter insoweit wörtlicher Übernahme der Entscheidungsgründe des Berufungsgerichtes - die Auffassung, daß der Kläger weder durch die Bildnisveröffentlichung selbst noch durch den beigegebenen Begleittext in seiner Ehre oder Intimsphäre verletzt worden sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:

Selbst wenn man annehmen wollte, daß der Kläger als Rennfahrer der gesamten Öffentlichkeit bekannt sei, wäre daraus in diesem Falle für die Beklagte nichts zu gewinnen. Es trifft zwar zu, daß die Verletzung berechtigter Interessen im Sinn des § 78 Abs 1 UrhG durch die Bildveröffentlichung als solche erfolgen muß (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 103 Rz 6.3.3; SZ 67/114 = ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen ua). Ist die abgebildete Person allgemein bekannt, dann werden ihre Interessen durch die Bildveröffentlichung in aller Regel nicht beeinträchtigt. Anderes gilt aber ua dann, wenn das Bild einer allgemein bekannten Person den Abgebildeten im Zusammenhang mit dem Begleittext mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hatte (Gerstenberg in Schricker, Urheberrecht 783 Rz 37 zu § 23 KUG; SZ 67/114 = ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen). Dies ist jedoch hier der Fall:

Das Bild des Klägers, dessen Namen darunter auch noch ausdrücklich genannt wird, ist umrahmt von einem Artikel mit der groß und fettgedruckten Überschrift "B***** Neue Ermittlungen". Der flüchtige Betrachter der Zeitung muß zwangsläufig diese "Ermittlungen" auf den abgebildeten, allseits bekannten Kläger beziehen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß innerhalb des Textes eine Äußerung des "B*****-Anwaltes" fettgedruckt herausgehoben angeführt wird. Erst derjenige, der den Artikel zur Gänze genau liest, kann erfassen, daß es dabei nicht um den Kläger, sondern um seinen Vater geht. Da aber - wie von Kennern des Medienwesens berichtet wird (Swoboda, Bildnisschutz - gestern und heute, MR 1995, 204 f [205]) - heute

"kaum jemand... mehr die Zeit (hat), eine Zeitung von vorne bis

hinten wirklich durchzulesen", so daß "stattdessen.... zwei bis drei

Zeitungen durchgeblättert (werden), die wichtigen Informationen anhand der Schlagzeilen herausgesucht" werden, kann entgegen der Meinung der Beklagten zu ihrer Entlastung der Text des Artikels in seiner Gesamtheit nicht herangezogen werden. Die Beklagte hat vielmehr durch die ganze Aufmachung des Artikels unter Einschluß des Lichtbildes den Eindruck erwecken müssen, daß gegen den Kläger (strafgerichtliche) Ermittlungen laufen und er von einer Höchststrafe in der Höhe einer halben Million Schilling bedroht ist. Im vorliegenden Fall ist es tatsächlich zu solchen Mißverständnissen gekommen. Damit wurde aber nicht nur der Kläger ganz allgemein in seinen "berechtigten Interessen" (§ 78 Abs 1 UrhG), sondern gerade auch in seiner Ehre auf das Empfindlichste verletzt.

Nach § 87 Abs 2 UrhG kann der durch eine Zuwiderhandlung gegen das Urheberrechtsgesetz (§ 87 Abs 1 UrhG), also auch gegen § 78 UrhG, Verletzte eine angemessene Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile verlangen, die er durch die schuldhafte Handlung erlitten hat. Daß der Verstoß gegen § 78 Abs 1 UrhG - für den die Beklagte jedenfalls nach § 81 Abs 1 letzter Satz UrhG einzustehen hat - zumindest grob fahrlässig erfolgt ist, kann keinem Zweifel unterliegen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist "der in keinem Vermögensschaden bestehende Nachteil" einer schuldhaften Verletzung (nur) dann zu ersetzen, wenn die Beeinträchtigung den mit jeder Urheberrechtsverletzung (oder Bildnisveröffentlichung) verbundenen Ärger übersteigt, es sich also um eine ganz empfindliche Kränkung -

einen "besonderen Ärger" - handelt (SZ 55/25 = ÖBl 1982, 164 -

Blumenstück; SZ 66/122 = ÖBl 1993, 279 - WIN mwNN; ÖBl 1995, 186 -

Lebensberater ua). Auch bei einem Verstoß gegen § 78 Abs 1 UrhG muß der Kläger daher regelmäßig behaupten, worin die durch die beanstandete Bildnisveröffentlichung verursachte empfindliche Kränkung besteht. Die bloße Erklärung, das Klagebegehren auf alle Ansprüche aus dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eigenen Bild zu stützen, wurde dafür als nicht ausreichend angesehen (ÖBl 1990, 91 - Music Man). Ergibt sich aber schon aus der Behauptung der im konkreten Einzelfall beeinträchtigten Interessen eine solche empfindliche Kränkung, dann hat der Kläger damit auch schon die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gemäß § 87 Abs 2 UrhG dargetan (SZ 63/75; ÖBl 1995, 186 - Lebensberater).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger all die Tatsachen vorgebracht, aus denen sich nicht nur die Verletzung seiner berechtigten Interessen im Sinn des § 78 Abs 1 UrhG, sondern auch eine besonders empfindliche Kränkung ableiten läßt.

Aus diesem Grund ist der Anspruch des Klägers auf Schadenersatz nach § 87 Abs 2 UrhG zu bejahen, ohne daß es in diesem Zusammenhang einer näheren Auseinandersetzung mit der in der Lehre an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes geübten Kritik (Mahr, Der "besondere Ärger" als Voraussetzung einer Entschädigung nach § 87 Abs 2 UrhG, MR 1996, 9 ff mwN in FN 8) bedürfte.

Mit dem Hinweis darauf, daß ein solcher besonderer Ärger bisher stets nur bei Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit tatsächlich erhobenen Vorwürfen bejaht wurde, übersieht die Beklagte ganz, daß hier eben durch die Gestaltung des Artikels (entgegen dessen wirklichen Inhalt) der Eindruck erweckt wurde, der Kläger sei verdächtig, eine schwerwiegende, strafbare Handlung begangen zu haben. Das bedeutet aber eine ganz empfindliche Kränkung.

Gegen die Bemessung des Entschädigungsbetrages mit S 100.000 bestehen keine Bedenken. Im Hinblick auf den hohen Bekanntheitsgrad des Klägers, die - vom Erstrichter zutreffend hervorgehobene - Beeinträchtigung des Klägers als erfolgreicher Sportler durch den erzeugten Anschein, er habe sich strafbar gemacht, und das schwere Verschulden der Beklagten, die ohne jede sachliche Rechtfertigung offenbar geradezu bewußt ein Mißverständnis zum Nachteil des abgebildeten Klägers herbeiführen wollte, ist der Entschädigungsbetrag von S 100.000 nicht zu hoch gegriffen.

Da schon aus diesem Grund der Revision Folge zu geben war, brauchte auf die Frage, ob auch ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zuzuerkennen wäre, nicht eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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