OGH 6Ob155/04v

OGH6Ob155/04v23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard M*****, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ivica N*****, vertreten durch Dr. Felix Sehorz, Rechtsanwalt in Wien und 2. Dragisa S*****, vertreten durch Lansky & Partner, Rechtsanwälte in Wien, Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Parteien A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.064,41 EUR und Feststellung, über die Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2004, GZ 14 R 95/03y-62, womit über die Berufung der Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Februar 2003, GZ 3 Cg 221/00t-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 6.064,41 EUR samt 4 % Zinsen aus 5.087,10 EUR seit 10. Juli 2000 bis 5. Jänner 2001 und 4 % Zinsen aus 6.064,41 EUR seit 6. Jänner 2001 zu zahlen und es werde festgestellt, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand auch für alle zukünftigen Schadenersatzansprüche der klagenden Partei aus der Verletzung ihrer Räumungspflicht vom 29. 12. 1999 zu haften hätten, abgewiesen werden.

Die klagende Partei hat folgende Verfahrenskosten erster Instanz jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen:

1) der erstbeklagten Partei 4.505,66 EUR (darin 750,94 EUR Umsatzsteuer); 2) der zweitbeklagten Partei 4.019,69 EUR (darin 672,95 EUR Umsatzsteuer) und 3) der Nebenintervenientin 2.675,95 EUR (darin 437,80 EUR Umsatzsteuer und 49,14 EUR Barauslagen). Die beklagte Partei hat ferner der Nebenintervenientin die mit 1.916,82 EUR (darin 178,14 EUR Umsatzsteuer und 848 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.747,88 EUR (darin 114,48 EUR Umsatzsteuer und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Eigentümer eines Mietshauses in Wien hatte ein Unternehmen (die Nebenintervenientin) mit dem "Winterservice" (Schneeräumung und Streuung bei Glatteis) auf Grundstücksflächen (Gehsteig, Garagenvorplatz u.a.) beauftragt. Im Vertrag wurden die Flächen genauer bezeichnet. Umfasst waren auch der Hauszugang und vier Stufen. Dabei handelt es sich um nicht dem öffentlichen Verkehr dienende Grundstücksteile (§ 93 StVO). Der Zugang zu diesen war von der öffentlich zugänglichen Fläche durch ein Tor abgetrennt. Die Nebenintervenientin gab den Auftrag an eine in der Zwischenzeit gelöschte OEG weiter, deren Gesellschafter die beiden Beklagten waren. Am Vormittag des 29. 12. 1999 herrschten Lufttemperaturen von + 2 °C. Auf ungeräumten Gelände befand sich eine Schneelage von 20 cm Höhe. Der Kläger, ein Briefträger der Österreichischen Post AG, hatte einen von der Hausverwaltung zur Verfügung gestellten Schlüssel, sperrte das verschlossene Tor auf und wollte zur Hausbriefanlage gehen. Dazu musste er den Weg zum Hauszugang und die vier aus Waschbeton hergestellten Stufen betreten, die im Gegensatz zu den vor dem Tor befindlichen und öffentlich zugänglichen Grundstücksflächen nicht geräumt und gestreut waren. Der Kläger rutschte auf der letzten der vier Stufen aus und erlitt beim Sturz eine Fraktur des rechten Arms und des Ellenbogens. Er war danach bis zum 14. 4. 2000 im Krankenstand. Sein Verdienstentgang betrug 13.448,10 S.

Der Kläger begehrte mit seiner am 6. 10. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage die Bezahlung eines Schmerzensgelds von 70.000 S, eines Verdienstentgangs von 13.448,10 S (zusammen 6.064,41 EUR) und die Feststellung, dass die Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Unfall wegen Verletzung ihrer Räumpflicht hafteten. Er stützte seine Ansprüche auf die unterlassene Schneeräumung bzw. Streuung der Unfallstelle durch die Beklagten (der OEG). Aus dem Vertrag der Nebenintervenientin mit der OEG ergäben sich Schutzwirkungen zugunsten Dritter.

Die Beklagten und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandten ein, dass die Betreuungspflicht nur die öffentlichen Wege umfasst habe. Die Unternehmerin habe auch keinen Schlüssel zum Tor erhalten, sodass eine Räumung im Unfallsbereich nicht möglich gewesen sei. Die Nebenintervenientin führte weiters ins Treffen, dass ihr trotz Verlangens kein Schlüssel zum Tor ausgefolgt worden sei und dass Schutzpflichten der Erfüllungsgehilfen zugunsten Dritter nicht bestünden. Zwischen den Beklagten (der OEG) und dem Kläger bestehe kein Vertragsverhältnis.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Von seinen Feststellungen ist für das Revisionsverfahren als wesentlich hervorzuheben:

Am Unfallstag sei es nicht möglich gewesen, den Weg vom Außentor zum Hauszugang zu reinigen, weil die Subunternehmerin (OEG) keinen Schlüssel für das Tor verlangt habe. Der Hausverwalter habe aufgrund einer Beschwerde eines Mieters der Nebenintervenientin den Missstand bekannt gegeben, dass entgegen der Vereinbarung weder auf dem Garagenvorplatz noch auf dem Zugang zum Haus geräumt oder gestreut worden sei. Die Schneeräumung sei weder am 28. 12. 1999 noch am 29. 12. 1999 im Innenbereich der Liegenschaft durchgeführt worden. Die OEG sei vom Vertag nicht zurückgetreten und habe sich auch nicht den Schlüssel für das Grundstück besorgt. Es hätten weder die Beklagten noch die Nebenintervenientin Interesse am Schlüssel gezeigt. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht noch aus, dass der Schlüssel über Verlangen der Nebenintervenientin oder der Beklagten ausgefolgt worden wäre.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass die Nichtdurchführung der Arbeiten durch die OEG für die Verletzungen des Kläger kausal gewesen sei. Die OEG habe ihre Vertragsverpflichtungen gegenüber der Nebenintervenientin nicht erfüllt. Dieser Vertrag entfalte Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Die Beklagten seien ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Der Kläger stehe in der "Interessensphäre" der Nebenintervenientin. Der OEG sei ein Organisationsverschulden anzulasten. Sie hätte sich darum kümmern müssen, dass sie Zugang zu den zu räumenden Flächen erhalte. Ihr hätte klar sein müssen, dass sie ihre Schutzpflichten nicht erfüllen könne, wenn sie sich den Schlüssel nicht besorge. Ihr sei selbst ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. § 93 StVO komme hier nicht zur Anwendung, weil es sich bei der Unfallstelle nicht um eine Straße handle. Aufgrund des vorliegenden Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter könne der Kläger die Beklagten direkt in Anspruch nehmen. Die persönliche Haftung der Beklagten ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der OEG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Nebenintervenientin nicht Folge. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass die Subunternehmerin aufgrund ihres Werkvertrages mit der Nebenintervenientin den vom Hauseigentümer aufgetragenen Winterdienst übernommen habe. Durch die Nichtübergabe des Gartentorschlüssels bei der Vertragserrichtung sei die Räumung des Hauszuganges keineswegs endgültig unmöglich geworden. Infolge der Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen hätte die Subunternehmerin nachdrücklich den Schlüssel verlangen und darauf hinweisen müssen, dass sie sonst ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könne. Die Beklagten hätten ungerechtfertigt in Kauf genommen, dass der Innenbereich nicht gereinigt habe werden können. Zwar sei in der Entscheidung 2 Ob 335/97x vom Obersten Gerichtshof die Ansicht vertreten worden, dass ein Paketzusteller, der bei der Zustellung eines Paketes über Ersuchen einer Mieterin in einem vereisten Innenhof zu Sturz gekommen sei, nicht zum Kreis jener Dritten gehöre, die von der Schutzwirkungen des Vertrages zwischen dem Hauseigentümer und seinen Mietern umfasst seien. Gleiches sei in der Entscheidung 5 Ob 521/91 = SZ 64/76 vertreten worden. Dem könne sich das Berufungsgericht hier nicht anschließen. Die Hausbrieffachanlage sei nur über den zu räumenden Hauszugang mit den vier Stufen zu erreichen gewesen. Daraus ergebe sich aus den Mietverträgen für den Hauseigentümer die Verpflichtung, im Interesse der Mieter die Postzustellung zu ermöglichen. Der Hauseigentümer sei zur Gewährleistung eines gefahrlosen Zuganges verpflichtet. Die Verkehrssicherungspflicht treffe ihn gegenüber den Briefträgern. Diese Verkehrssicherungspflicht sei an die Nebenintervenientin und von dieser an die Subunternehmerin übertragen worden. Die Beklagten hafteten als Gesellschafter der damals bestandenen OEG (§ 4 Abs 1 EGG und § 128 HGB).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR nicht übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht von der Rechtsansicht der beiden zitierten Entscheidungen zum Umfang der Schutz- bzw. Verkehrssicherungspflichten gegenüber Briefträgern abgegangen sei.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Nebenintervenientin die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Auszugehen ist davon, dass sich der Kläger nur auf eine Vertragshaftung, nicht aber auf Deliktshaftung stützt und keinen Sachverhalt releviert, aus dem sich eine Handlungspflicht der Beklagten unabhängig vom Schneeräumungsvertrag ableiten ließe. Die Haftung der beklagten Gesellschafter für die in der Zwischenzeit gelöschte OEG ist unstrittig.

Wenn sich ein Vermieter zur Erfüllung seiner Verpflichtung, das Mietobjekt im brauchbarem Zustand zu erhalten (§ 1096 ABGB) eines Werkunternehmers bedient und bei der Werkherstellung Dritte geschädigt werden, stellt sich die Frage, ob diese gegen den Unternehmer Vertragshaftung geltend machen können, obwohl sie zu ihm in keiner Vertragsbeziehung stehen. Eine derartige Haftung wird in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen bejaht.

Die oberstgerichtliche Rechtsprechung ist der von Franz Bydlinski (Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359) in Österreich eingeleiteten Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter gefolgt. Die vertragliche Schadenersatzhaftung wird auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahe stehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (SZ 62/173; SZ 64/76 mwN uva; Harrer in Schwimann ABGB2 Rz 94 zu § 1295 ABGB; Reischauer in Rummel ABGB II2 Rz 30 zu § 1295). Dem Geschädigten wird das Recht zuerkannt, den eigenen Schaden aus fremdem Vertrag geltend zu machen (RIS-Justiz RS0037785). Hauptursache für die Anerkennung der Schutzwirkung war die Unzulänglichkeit der Deliktshaftung, insbesondere der ungenügende Schutz des § 1315 ABGB (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 135). Der erweiterte Schutzzweck wurde bisher überwiegend mit einer objektiven ergänzenden Vertragsauslegung nach einem zu unterstellenden Vertragswillen der Parteien begründet (1 Ob 2317/96h = JBl 1997, 315). Er wird neuerdings auch auf den jeweiligen Schutzbereich des im Gesetz geregelten Schuldverhältnisses gestützt (Koziol/Welser aaO 137 mwN). Die objektive Auslegung des Vertrages bestimmt den begünstigten Personenkreis (4 Ob 203/00g). In einer Reihe von Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass Werkverträge von Bauunternehmen Schutzwirkungen gegenüber Familienangehörigen und Mietern des Auftraggebers auslösen (5 Ob 521/91 = SZ 64/76; 6 Ob 276/98a; 7 Ob 271/00d).

In der Entscheidung 6 Ob 250/01k hat der Senat zum Problem der abzulehnenden uferlosen Ausweitung der Vertragshaftung aus dem Titel der Schutzwirkungen ausgeführt, dass die nach dem Gesetz bestehende unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht (vgl nur die unterschiedlichen Beweislastregeln und den Umfang der Schadenersatzansprüche) nicht aufgehoben oder verwischt werden dürfen. Der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, müsse eng gezogen werden. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages sei ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers. Ein solches sei zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe (1 Ob 601/92 = JBl 1994, 331 [Karollus]; 1 Ob 2317/96h = JBl 1997, 315; 3 Ob 71/97f und 7 Ob 178/99y; 7 Ob 236/98a; 4 Ob 325/98t). Dort wurden jeweils auf vertragliche Schutzwirkungen gestützte Ansprüche Dritter wegen ihrer eigenen Ansprüche gegen einen der Vertragspartner verneint (1 Ob 93/00h mwN).

Der Vermieter hat nicht nur Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Mieter, sondern - vor allem soweit es um Gefahrenquellen geht, die mit der Beschaffenheit des Mietobjekts in Zusammenhang stehen - auch gegenüber jenen Personen, die im Zuge der Erfüllung der Vermieterpflichten gefährdet werden und der Interessensphäre des Mieters nahestehen. Dies wurde für Familienangehörige und Hausangestellte bejaht, für Personen, mit denen der Mieter gesellschaftlich oder im allgemeinen Verkehr mit der Umwelt in Kontakt kommt aber verneint, insbesondere für Gäste, Lieferanten, Handwerker und Paketzusteller (2 Ob 335/97x mwN). Der Schutzbereich der Mietverträge ist hier aber gar nicht entscheidungswesentlich, weil weder die Nebenintervenientin noch die Beklagten Vertragspartner der Mietverträge des Hauseigentümers sind und der Hauseigentümer nicht geklagt ist.

Um einen Postbediensteten, der eine Paketzustellung zu besorgen hatte, ging es auch in der Entscheidung SZ 64/76. Der Oberste Gerichtshof verneinte auch dort eine Vertragshaftung wegen der Schutzwirkungen eines vom Hauseigentümer abgeschlossenen Vertrages. Es ging um einen Werkvertrag mit einem Baumeister über Umbauarbeiten. Das Berufungsgericht argumentiert gegen die Begründung und das Ergebnis der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen mit der Erwägung, dass der Hauseigentümer gegenüber dem Briefträger im Interesse der Mieter verpflichtet sei, für einen gefahrlosen Zugang zur Hausbrieffachanlage zu sorgen. Es hat dabei offensichtlich den Schutzzweck der hier nicht relevanten Mietverträge im Auge. Die Frage ist aber hier nur im Bezug auf die Werkverträge zu untersuchen.

Die objektive Vertragsauslegung der beiden Schneeräumungsverträge (Hauseigentümer mit Nebenintervenientin; Nebenintervenientin mit der OEG) ergibt zunächst zweifelsfrei, dass vom Schutzzweck der Verträge jedenfalls der Liegenschaftseigentümer selbst, seine Mieter und deren Mitbewohner erfasst sind. Gegen die Einbeziehung auch der Postzusteller in den geschützten Personenkreis spricht das Argument der uferlosen Ausweitung der Vertragshaftung. Der Zweck der Räumungsverträge, nämlich die Schaffung eines schneegeräumten und gegen Glatteis durch Streuung gesicherten Zuganges zum Haus begünstigt aber grundsätzlich jeden, der das Haus betreten will. Es kann also erwogen werden, alle Personen in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen, die voraussehbar den Zugang zum Haus regelmäßig betreten werden und dazu auch verpflichtet sind (Postbedienstete; Leute der Müllabfuhr), dann also, wenn dieser Sachverhalt den Vertragsparteien bei Vertragsabschluss bekannt war und darauf hingewiesen wurde. Es ist aber auch mit einer Ausdehnung des Schutzbereiches des Räumungsvertrages für den Kläger nichts gewonnen:

Die Lehre von Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten gegenüber einem der Vertragsleistung nahestehenden Dritten dient nicht dazu, dem Erfüllungsgehilfen die Vertragshaftung mit den Folgen der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB aufzubürden (RIS-Justiz RS0017043). Der Vertrag zwischen dem Geschäftsherrn und dem Gehilfen entfaltet grundsätzlich keine Schutzwirkungen zugunsten des geschädigten Gläubigers (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 336). Der Gehilfe haftet nur deliktisch. Da eine generelle Pflicht, Schädigungen anderer durch Tätigwerden zu verhindern, nicht besteht, kommt eine Haftung des Erfüllungsgehilfen für die Unterlassung einer Vertragspflicht dem Gläubiger des Schuldners gegenüber, für den der Erfüllungsgehilfe tätig ist, nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0028458). Der Erfüllungsgehilfe haftet also nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses (hier des Schneeräumungsvertrages) rechtswidrig (deliktisch) war (8 Ob 75/97f mwN; RIS-Justiz RS0022481), worauf sich der Kläger gerade nicht beruft. Ein eigener deckungsgleicher Anspruch aus Vertragsverletzung oder wegen Verletzung vertraglicher Schutzpflichten gegen den Geschäftsherrn hindert die Geltendmachung der Vertragshaftung gegen den Gehilfen (6 Ob 246/02y). Daraus folgt, dass auch dann, wenn man den Postzusteller als in den Schutzbereich des zwischen dem Hauseigentümer und der Nebenintervenientin abgeschlossenen Schneeräumungsvertrages einbezogen erachtete, der Kläger dann höchstens die Nebenintervenientin, nicht aber deren Erfüllungsgehilfen (die OEG bzw nunmehr die Beklagten) in Anspruch nehmen könnte.

Da das Klagebegehren nicht zu Recht besteht, braucht nicht mehr auf die Revisionsausführung zum Thema der Unmöglichkeit der Erfüllung der Räumverpflichtung, zur Frage in welche Spähre die unterlassene Schlüsselübergabe fällt sowie zum Vorwurf schuldhaften Verhaltens, weil sich die Beklagten nicht um eine Schlüsselübergabe bemühten, eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf den §§ 19, 41 und 50 Abs 1 ZPO. Zu den Verfahrenskosten erster Instanz ist zu bemerken, dass dort, wo im Kostenverzeichnis der beiden Beklagten von geringeren Ansätzen als nach dem RAT ausgegangen wird, diese Ansätze der Kostenberechnung zugrunde gelegt wurden. Für die beiden letzten Tagsatzungen verzeichnete der Erstbeklagte überhöhte Ansätze. Für den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil waren der Zweitbeklagten keine Kosten zuzusprechen, weil der Widerspruch in der (honorierten) Tagsatzung vom 6. 3. 2001 erfolgte. Die verzeichneten Kosten für die frustrierte Tagsatzung vom 9. 4. 2001 waren ebenfalls nicht zuzusprechen, weil die Rechtsvertreterin der Zweitbeklagten von der Verlegung der Tagsatzung verständigt worden war. Für den Antrag vom 12. 3. 2002 (ON 39) war der Zweitbeklagten nur der einfache Einheitssatz zuzusprechen. Die von ihr verzeichneten Sachverständigengebühren waren (noch) nicht zuzusprechen, weil nach der Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob die Sachverständigengebühren aus von der Zweitbeklagten erlegten Vorschüssen ausbezahlt wurden.

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