OGH 4Ob203/00g

OGH4Ob203/00g17.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Slavko M*****, vertreten durch Fürst & Domberger, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Mödling, gegen die beklagten Parteien 1. Joiser H***** GmbH, *****, 2. K*****gesellschaft mbH, *****, wegen 805.000 S sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 905.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2000, GZ 16 R 52/00k-5, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. April 2000, GZ 1 Cg 16/00f-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von 805.000 S und Feststellung ihrer Haftung für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall vom 1. 4. 1997 in Anspruch. An diesem Tag sei er als Elektromonteur des Unternehmens E***** auf der Baustelle für das Stadtbad M***** eingesetzt gewesen. Die Erstbeklagte habe an dieser Baustelle die Baumeisterarbeiten durchgeführt, die Zweitbeklagte sei mit Installationsarbeiten betraut gewesen. Im Zuge der Betonier- und Estricharbeiten habe die Erstbeklagte ein etwa 20 cm großes Installationsloch in der Decke zwischen Erdgeschoss und erstem Stock bestehen lassen, das lediglich mit einer Folie abgedeckt worden sei. Am Tag des Unfalls habe die Zweitbeklagte an diesem Loch Arbeiten durchgeführt, nämlich ein provisorisches Rohr entfernt, jedoch offensichtlich das Loch auch nicht ordnungsgemäß verschlossen, sondern nur mit einer Folie abgedeckt, sodass das Loch nicht erkennbar gewesen sei. Der Kläger habe Installationsarbeiten im Deckenbereich des ersten Stocks durchgeführt. Dabei sei die 4m hohe Leiter, auf der er gearbeitet habe, mit einem Standbein in das nicht erkennbare Loch geraten. Die Leiter sei gekippt, der Kläger habe den Halt verloren, sei mit dem Kopf und dem Rücken auf der Betondecke aufgeschlagen und habe sich schwerste Verletzungen zugezogen. Die Beklagten hafteten für das Verhalten der ausführenden Personen innerhalb ihrer vertraglich übernommenen Pflichten für das Bauvorhaben sowie "aufgrund jeglichen sonstigen erdenklichen Rechtsgrundes".

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Die Beklagten seien Formkaufleute gem § 6 HGB. Der Kläger stütze seine Schadenersatzansprüche auf Vertrag und berufe sich entweder auf einen Vertrag zwischen ihm und den Beklagten oder allenfalls auf Schutzwirkungen aus Verträgen zwischen den Beklagten und Dritten (etwa dem Bauherrn). In beiden Fällen liege auf Seiten der Beklagten ein Handelsgeschäft vor, weshalb die Rechtssache gem § 51 Abs 1 Z 1 JN in die Handelsgerichtsbarkeit falle.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch Schadenersatzansprüche, die ein in den Schutzbereich eines Handelsgeschäfts fallender Dritter aus der Schlechterfüllung eines Handelsgeschäftes gegen einen Kaufmann geltend mache, vor die Handelsgerichte gehörten. Der Kläger mache Schadenersatzansprüche nicht gegen den unmittelbaren Schädiger geltend, sondern gegen jene (Form-)Kaufleute, deren Erfüllungsgehilfen die Schädiger gewesen seien. Die Beklagten könnten dem Kläger infolge der Schutzwirkung jener Verträge haften, mit denen sie sich im Rahmen ihrer Unternehmenstätigkeit zur Durchführung von Baumeister- und Installationsarbeiten verpflichtet hätten. Der Kläger leite seine Ansprüche aus der Schlechterfüllung dieser Handelsgeschäfte ab. Vor die Handelsgerichte gehörten nicht nur Ansprüche, die einem Vertragspartner des Handelsgeschäftes infolge dessen Schlechterfüllung zustünden, sondern auch Schadenersatzansprüche, die ein im Schutzbereich dieser Verträge auftretender Dritter verfolge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO; § 528 Abs 1 ZPO); das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, Ansprüche aus der Schlechterfüllung eines Handelsgeschäfts iSd § 51 Abs 1 Z 1 JN seien nur solche des Gläubigers der vertraglichen Leistung, niemals jedoch Ansprüche allfälliger Dritter. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Voraussetzung für die Zuständigkeit des Handelsgerichts gem § 51 Abs 1 Z 1 JN ist, dass der Anspruch aus dem Handelsgeschäft selbst abgeleitet wird und in einem sachlichen Zusammenhang mit der Gewerbetätigkeit steht. Das Handelsgeschäft muss unmittelbar die Grundlage für die Berechtigung des Anspruchs bilden. Ein direkter Geschäftsabschluss zwischen den Prozessparteien ist dabei allerdings nicht erforderlich (Simotta in Fasching I**2 § 51 JN Rz 63f mit Beispielen aus der Rsp).

Schadenersatzansprüche gegen einen Kaufmann gehören nur dann vor die Handelsgerichte, wenn sie aus der Erfüllung, Schlechterfüllung oder Nichterfüllung eines Handelsgeschäftes abgeleitet werden (Simotta aaO Rz 70 mwN zu Lehre und Rsp). Schlechterfüllung liegt nicht nur vor, wenn die Leistung selbst mangelhaft erbracht wird, sondern auch dann, wenn - auch bei ordentlicher Erbringung der Leistung - sonstige Güter des Gläubigers verletzt werden ("positive Vertragsverletzung"); als haftungsbegründend wird die Verletzung von den Schuldner treffenden Schutzpflichten angesehen (Koziol/Welser I10 268).

Es ist heute allgemein anerkannt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten aus Schuldverhältnissen aber nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessenssphäre eines Partners angehören. Begünstigte Personen in diesem Sinne sind Dritte, die der Vertragspartner durch Zuwendung der Hauptleistung erkennbar begünstigen will oder an deren Schutz er selbst ein unmittelbares eigenes Interesse hat ("Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter"; Koziol/Welser aaO 309; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II**2 85; Reischauer in Rummel, ABGB**2 Rz 30 zu § 1295; SZ 59/51; RdW 1999, 468 uva). Der begünstigte Personenkreis ist dabei auf Grund einer objektiven Auslegung des Vertrags zu bestimmen (SZ 46/121). Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter ist nach der Rsp dort nicht zu unterstellen, wo der Dritte gegen einen der beiden Kontrahenten Ansprüche aus eigenem Vertrag hat (SZ 51/176 = EvBl 1979/101; JBl 1990, 376; RdW 1999, 468). Der in den Schutzkreis des Vertrags aufgenommene Dritte kann direkt gegen den Schuldner ex contractu Schadenersatzansprüche geltend machen (JBl 1997, 315 = EvBl 1997/105).

Erhält somit der im Sinne dieser Ausführungen begünstigte Dritte, soweit es seine Schadenersatzansprüche betrifft, gegenüber dem Schädiger die Stellung eines Vertragspartners mit allen für ihn günstigen Konsequenzen, muss dies auch auf die Zuständigkeitsvorschrift des § 51 Abs 1 Z 1 JN durchschlagen. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof auch schon in seiner Entscheidung SZ 64/82 - dort als obiter dictum in einer Stellungnahme zur Rechtsmeinung des Handelsgerichts Wien in WR 202 - die Ansicht vertreten, vor Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes habe für die Klage eines durch eine mangelhafte Ware geschädigten Konsumenten gegen den Produzenten die Zuständigkeit des Kausalgerichts deshalb bestanden, weil der geltend gemachte Anspruch aus einem mit Schutzwirkungen zugunsten des Klägers als Dritten abgeschlossenen Handelsgeschäfts des Produzenten mit dem Händler abgeleitet werde.

An dieser Ansicht ist festzuhalten. Es fallen demnach auch solche Schadenersatzansprüche in die Zuständigkeit der Handelsgerichte, die ein geschädigter Dritter aus der Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit einem Vertrag geltend macht, den ein Kaufmann im Zuge eines Handelsgeschäfts abschließt, sofern der Geschädigte nur ein in den Schutzkreis dieses Vertrags aufgenommener Dritter ist.

Diese Voraussetzungen treffen - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - hier zu: Auf Grund der Angaben des Klägers (§ 41 Abs 2 ZPO) ist davon auszugehen, dass der Kläger als Mitarbeiter eines auf der Baustelle tätigen Unternehmens durch die Erfüllung jener Verträge, die die Beklagten mit dem Bauherrn abgeschlossen haben, erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet ist. Weil er auch keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Bauherrn besitzt, ist er als begünstigter Dritter dieser Verträge, die für die Beklagten Handelsgeschäfte iSd § 343 Abs 1 HGB sind, anzusehen. Ansprüche des Klägers aus der Schlechterfüllung dieser Verträge gehören somit vor das Handelsgericht.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte