Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben und dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1127,91 (darin enthalten EUR 187,91 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die im vom Beklagten betriebenen Pflegeheim beschäftigte Klägerin wurde von dessen Geschäftsführer am 19. 2. 2003 zu einem Gespräch gebeten. Dabei konfrontierte sie der Geschäftsführer mit verschiedenen Differenzen mit dem Inhaber des Pflegeheims und angeblich von der Klägerin getätigten abträglichen Äußerungen über das Pflegeheim. Schließlich sagte er, dass er vom Beklagten beauftragt worden sei, das Dienstverhältnis hiemit zu kündigen. Die Klägerin erwiderte darauf, dass sie schon damit gerechnet habe, da das ganze Haus voller Gerüchte gewesen sei; die vorgeworfenen Äußerungen habe sie nie getätigt. Der Beklagte und Teile seiner Familie seien gegen die Klägerin eingestellt, obwohl das Pflegeheim ohne die Klägerin nicht so dastehen würde, wie dies der Fall sei. Dann fing die Klägerin an zu weinen. Daraufhin erläuterte der Geschäftsführer, dass er vom Beklagten den Auftrag habe, das Dienstverhältnis einvernehmlich aufzulösen, wenn sie das wolle und dies auch dem Beklagten lieber wäre. Der Geschäftsführer legte der Klägerin ein mit "einvernehmlicher Lösung" übertiteltes, vom Beklagten auch bereits unterfertigtes Schreiben vor. Die Klägerin nahm dieses Schreiben an sich und bestätigte den Erhalt mit dem Vermerk "übernommen". Am nächsten Tag stellte sie jedoch dieses Schreiben an den Geschäftsführer mit dem Vermerk "Bin nicht einverstanden" und der weiteren Erklärung zurück, dass sie sich nicht kündigen lasse. Der Geschäftsführer verfasste daraufhin ein Kündigungsschreiben, das er mit 19. 2. 2003 rückdatierte und am 20. 2. 2003 per Einschreiben an die Wohnadresse übermittelte. Dort konnte es am 20. 2. 2003 von der Klägerin um 18.00 Uhr abgeholt werden. Die am 26. 2. 2003 verfasste Anfechtungsklage wurde am 27. 2. 2003 zur Post gegeben.
Mit ihrer ausdrücklich als Anfechtung einer Kündigung nach § 105 ArbVG bezeichneten Klage begehrt die Klägerin, die ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, aber auch festzustellen, dass das Dienstverhältnis über den 30. 6. 2003 hinaus aufrecht weiter besteht. Sie stützt sich sowohl darauf, dass die Kündigung sittenwidrig sei als auch auf die Anfechtungsgründe des § 105 ArbVG. Nähere Ausführungen zur Sittenwidrigkeit finden sich allerdings nicht. Zur Rechtzeitigkeit der Kündigungsanfechtung macht die Klägerin geltend, dass ihr das Kündigungsschreiben vom 19. 2. 2003 erst am 21. 2. 2003 zugestellt worden sei. Davor sei ihr nur ein schriftliches Anbot für eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses unterbreitet und eine Kündigung in Aussicht gestellt worden. Im Ergebnis sei zumindest von einer konkludenten Vereinbarung der Schriftform auszugehen. Im Übrigen erstattete sie noch ein umfangreiches Vorbringen zu ihrer Stellung im Betrieb, den behaupteten Kündigungsgründen und ihrer sozialen Beeinträchtigung durch die Kündigung.
Der Beklagte wendete vor allem die Verspätung der Klage ein und machte auch geltend, dass die Klägerin leitende Angestellte iSd § 36 Z 3 ArbVG sei und die Kündigung daher nicht anfechten könne. Auch erstattete der Beklagte ein umfangreiches Vorbringen zur mangelnden sozialen Beeinträchtigung der Klägerin sowie den Kündigungsgründen.
Das Erstgericht wies die Klage als verspätet zurück. Es begründete dies zusammengefasst darauf, dass bereits am 19. 2. 2003 die Kündigung mündlich ausgesprochen worden sei. Dementsprechend sei die Anfechtungsfrist des § 107 ArbVG bereits abgelaufen.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Zurückweisung erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge. Es vertrat im Wesentlichen die Rechtsansicht, dass von einer gewillkürten Schriftform für die Kündigung als Gültigkeitserfordernis nicht auszugehen sei. Eine dahingehende Behauptung sei von der Klägerin auch nicht aufgestellt worden. Die Kündigungsanfechtung sei mehr als eine Woche nach dem mündlichen Ausspruch der Kündigung zur Post gegeben worden und daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Den Revisionsrekurs erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da konforme Entscheidungen vorlägen und im Übrigen keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO zu lösen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt. Die Klägerin hat bereits in ihrem Schriftsatz vom 13. 5. 2003 die Behauptung aufgestellt, dass zumindest konkludent die Schriftform für die Kündigung vereinbart worden sei. Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass der Revisionsrekurs wegen des Vorliegens konformer Entscheidungen unzulässig wäre, findet in dem klaren Wortlaut des § 528 Abs 2 ZPO, wonach ein Revisionsrekurs gegen bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nur dann unzulässig ist, wenn es sich nicht um Klagszurückweisungen handelt (vgl dazu auch Kodek in Rechberger ZPO² § 528 Rz 3) keine Deckung.
Die Anfechtung von Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit hat in Betrieben, in denen - wie unstrittig hier - kein Betriebsrat errichtet wurde, nach § 107 ArbVG durch den betroffenen Arbeitnehmer binnen einer Woche nach Zugang der Kündigung zu erfolgen. Diese Anfechtungsfrist ist so wie jene nach § 105 Abs 4 ArbVG eine prozessuale Frist (siehe ZAS 1990/20 [Andexlinger]; RIS-Justiz RS0052033; RIS-Justiz RS0052030 jeweils mwN).
Entscheidend ist hier nun, wann die Kündigung tatsächlich "ausgesprochen" wurde. Bei Auflösungserklärungen kommt es darauf an, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gesamten Umstände bei einer objektiven Betrachtungsweise verstehen konnte; eine abweichende subjektive Auffassung des Erklärenden oder des Erklärungsempfängers ist nicht wesentlich (vgl allgemein RIS-Justiz RS0028612; RIS-Justiz RS0028618; RIS-Justiz RS0028622 uva).
Hier hat nun der Geschäftsführer der Beklagten in einem allgemeinen Gespräch über verschiedene Gründe für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, dass er den Auftrag habe, die Klägerin "hiemit" zu kündigen. Als die Klägerin dann verschiedene Einwendungen machte und schließlich zu weinen begann, erklärte er, dass er auch den Auftrag habe, das Dienstverhältnis mit der Klägerin einvernehmlich aufzulösen und der Beklagte eine einvernehmliche Auflösung auch bevorzugen würde. Dabei legte er der Klägerin ein vom Beklagten bereits unterfertigtes Schreiben über eine einvernehmliche Auflösung vor. Die Klägerin bestätigte dessen Übernahme mit einem entsprechenden Vermerk. Betrachtet man nun allein die Erklärung, dass der Geschäftsführer den Auftrag habe, die Klägerin "hiemit" zu kündigen, kann kein Zweifel bestehen, dass damit eine einseitige auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung im Sinne einer Kündigung abgegeben würde. Die Erklärung muss jedoch im Gesamtzusammenhang des Gesprächs gesehen werden. Dabei ist auch zu beachten, dass es den Vertragsparteien im Rahmen eines solchen Gespräches entweder mit Zustimmung der anderen Vertragspartei oder, wenn dies unverzüglich erfolgt, auch ohne deren Zustimmung freisteht, ihre Kündigung wieder zurückzunehmen (vgl in diesem Sinne schon RIS-Justiz RS0028708). Es kommt daher darauf an, ob die Klägerin nach Abschluss dieses Gespräches objektiv den Eindruck haben musste, nunmehr gekündigt zu sein und nur noch quasi eine "Option" auf eine einvernehmliche Auflösung zu haben, oder ob sie aus dem Gesamtzusammenhang des Gesprächs schließen konnte, dass die Kündigung vorweg nicht ausgesprochen sein sollte, sondern vielmehr über die einvernehmliche Auflösung des Vertragsverhältnisses zu verhandeln sei. Während Letzteres eine Willenseinigung voraussetzt, bedarf die Kündigung nur einer einseitigen nicht annahmebedürftigen Willenserklärung. Kündigung und einvernehmliche Auflösung schließen einander aus. Bei der Kündigung ist eine Äußerung des Erklärungsempfängers auch gar nicht erforderlich. Vielmehr kommt dabei zum Ausdruck, dass der Erklärende unabhängig von allfälligen Willensäußerungen des Erklärungsempfängers das Arbeitsverhältnis beenden will (vgl RIS-Justiz RS0028521 mwN). Grundsätzlich bedarf die Kündigung als Willenserklärung nicht der Einhaltung bestimmter Formerfordernisse, also auch nicht der Schriftform (vgl RIS-Justiz RS0031654 mwN, zuletzt etwa 8 ObA 32/04w). Hier sind nun verschiedene Umstände hervorzuheben. Einerseits hat der Geschäftsführer der Beklagten durch die Übergabe des Anbotes zu einer schriftlichen einvernehmlichen Auflösung, die er sich auch bestätigen ließ, wobei er zum Ausdruck brachte, dass er diese Lösung bevorzugen würde, eine Handlung gesetzt, die mit einer Kündigung nicht vereinbar ist, weil es bei dieser eben keiner Zustimmung des Erklärungsempfängers bedarf. Andererseits war auch die mündliche "Kündigung" in dieses Gespräch über den Wunsch des Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu beenden, und die Gründe dafür eingebettet. Eine klare Erklärung zum Verhältnis dieser beiden Verhaltensweisen - einerseits einer mündlichen "Kündigung" und andererseits einem schriftliches Anbot zur einvernehmlichen Auflösung - hat der Geschäftsführer der Beklagten nicht gegeben. Dabei ist zu beachten, dass auch dann, wenn für die Kündigung als solche eine Schriftform nicht vorgesehen ist, durch die Einhaltung einer Schriftform bei einer anderen - angebotenen - Auflösungsvariante dieser besonderes Gewicht verliehen wird. Letztlich ist auch noch ins Kalkül zu ziehen, dass etwaige Unklarheiten im Erklärungsverhalten zu Lasten des Erklärenden gehen (vgl allgemein § 915 ABGB).
Unter Beachtung des gesamten Gesprächsverlaufes konnte die Klägerin daher den Eindruck haben, dass vorweg über die einvernehmliche Auflösung verhandelt werden sollte.
Ausgehend von der später ausgesprochenen schriftlichen Kündigung wurde die Kündigungsanfechtungsklage jedoch rechtzeitig eingebracht.
Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 52, 50 und 41 ZPO. Als Bemessungsgrundlage war der Zweifelsstreitwert nach § 14 lit a RATG heranzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0109658 mwN insbesondere zuletzt 8 ObA 79/03f).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)