OGH 9Ob63/04m

OGH9Ob63/04m23.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Emil Knauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei DI Monika N*****, Fotografin, *****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 26.685,46 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26. März 2004, GZ 5 R 9/04i-27, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach der von der zweiten Instanz richtig wiedergegebenen und von der Beklagten in ihrer Richtigkeit auch nicht bestrittenen Rechtslage genügt zum Zustandekommen eines Kaufvertrages grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand. Dass Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrags nicht entgegen. Die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen. War allerdings eine Vereinbarung über offen gebliebene - auch unwesentliche - Punkte vorbehalten, kommt der Vertrag erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben (Ris-Justiz RS0013973; zuletzt etwa 10 Ob 147/02v). Ob die Parteienvereinbarung vollständig ist, muss mit den Mitteln der Auslegung ergründet werden. Es kann Fälle geben, in denen es trotz der Einigung über Objekt und Preis im erkennbaren Sinn beider Parteien liegt, die Kaufvereinbarung noch als unvollständig zu erachten; die Auslegung kann freilich auch ergeben, dass sich die Kontrahenten schon vor der Einigung über alle Einzelheiten endgültig verpflichten wollten. Wurde aber über irgend einen Vertragspunkt verhandelt, ohne Einigung zu erzielen, so ist der Kaufvertrag auch dann nicht abgeschlossen, wenn man sich über Objekt und Preis geeinigt hat (RIS-Justiz RS0013968; SZ 54/12; NZ 1986, 37). Da der Vorvertrag bereits alle wesentlichen Vertragsbedingungen des Hauptvertrages enthalten muss, ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass die Vertragspartner, wenn sie sich ohnedies bereits über alle Umstände einig sind, doch nicht den Hauptvertrag sondern nur einen Vertrag auf Abschluss des Hauptvertrages gewollt haben, weil dies einen bloßen Umweg darstellt (RIS-Justiz RS0080940; RS0017974; RS0031487).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den konkreten Einzelfall stellt - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar. Von einer krassen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz kann aber hier nicht die Rede sein.

Die Beklagte argumentiert vor allem mit der Feststellung, dass es auf Grund des Anbots des Kaufinteressenten "verschiedene Unklarheiten, insbesondere hinsichtlich der Grenzen" gegeben habe. Diese Feststellung muss aber in ihrem Zusammenhang gesehen werden. Das Erstgericht hat diese "Unklarheiten" als Grund für eine Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, der Beklagten und deren Rechtsvertreter angeführt. Dass davon dem Kaufinteressenten konkret Mitteilung gemacht worden sei bzw dass mit ihm über irgendwelche Unklarheiten verhandelt worden sei, steht hingegen - mit Ausnahme der Frage des Grenzverlaufs - nicht fest. Dass über den Grenzverlauf mit dem Interessenten verhandelt wurde, ist unstrittig. Bei diesen Verhandlungen wurde aber nach den insofern unbestritten gebliebenen Feststellungen vor der Annahme des Anbots des Interessenten durch die Beklagte eine Einigung erzielt.

Der Beklagten ist auch zuzugestehen, dass nach der Einigung über den Grenzverlauf eine weitere Besprechung mit dem Kaufinteressenten vereinbart wurde, die aber nicht zustande kam. Daraus ist allerdings für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil sie (durch ihren Vertreter) dessen ungeachtet mit Schreiben vom 11. 10. 2001 die Erklärung, das Anbot anzunehmen, abgab. Verhandlungen über irgend welche offene Punkte hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen nicht gegeben.

Der Erstrichter hat festgestellt, dass im Annahmeschreiben der Beklagten die Annahme des Anbots (im Rahmen der mittlerweile vereinbarten Grenzen) erklärt und überdies festgehalten worden sei, dass "noch die Bedingungen laut Anbot besprochen werden sollten". Diese Feststellung wurde allerdings von der Klägerin in ihrer Berufung mit dem (zutreffenden) Hinweis bekämpft, dass von einer ausstehenden Besprechung der Bedingungen im Annahmeschreiben keine Rede sein könne; vielmehr seien die vom Interessenten gesetzten Bedingungen als "erfüllbar" bezeichnet worden. Das Berufungsgericht hat die bekämpfte Feststellung daher nicht übernommen, die Beweisrüge aber nicht erledigt, weil es den bezughabenden Teil des Klagebegehrens auch unter Zugrundelegung dieser Feststellung als berechtigt erachtete. Diese Rechtsauffassung ist aus folgenden Überlegungen vertretbar:

Im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht nur darum, ob die Einigung über Ware und Preis für sich allein schon als Kaufvertrag zu werten ist; vielmehr hat hier die Beklagte ausdrücklich erklärt, das Anbot des Interessenten anzunehmen. Zudem ist zwischen den Parteien gar nicht strittig, dass das Annahmeschreiben der Beklagten den Hinweis enthält, dass die vom Interessenten gesetzten Bedingungen "erfüllbar" sind. Dies hat die Klägerin in ihrer Klage selbst vorgebracht. Dazu kommt, dass die Beklagte gar nicht behauptet hat, mit dem Interessenten vor ihrer Annahmeerklärung außer zur Frage des Grenzverlaufes Verhandlungen über irgendwelche konkreten Punkte des Anbots geführt oder auch nur verlangt zu haben. Selbst wenn man daher (gegen den klaren Wortlaut des Annahmeschreibens) auf Grund der dargestellten formellen Situation davon ausgeht, dass darin Gespräche über die Bedingungen angekündigt wurden, ist die Beurteilung nicht unvertretbar, dass der Hinweis auf solche Gespräche iS der Ankündigung der Abklärung der ausstehenden Abfassung des schriftlichen Vertrags und nicht dahin zu interpretieren ist, dass damit die mangelnde Bindungswirkung der ausdrücklich erklärten Annahme des Anbots zum Ausdruck gebracht werden sollte. Dass die schriftliche Ausfertigung des Vertrages einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wurde, steht der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass der Vertrag bereits vorher wirksam zustande gekommen sei, nicht entgegen (RIS-Justiz RS0017217). Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens - das Berufungsgericht habe der Beklagten durch Unterlassung der Vorgangsweise nach § 473a ZPO die Möglichkeit genommen, das Fehlen von Feststellungen zu rügen - liegt nicht vor. Zweck der genannten Bestimmung ist es, dem Berufungsgegner die Möglichkeit einer Mängel- oder einer Beweisrüge in Bezug auf Feststellungen zu eröffnen, auf die die Entscheidung gegründet werden soll, nicht jedoch, dem Berufungsgegner die Möglichkeit zu verschaffen, das Fehlen von Feststellung zu rügen (9 Ob 344/00d; 1 Ob 124/01v).

Im Übrigen ist der Einwand, dass die Feststellungen zur abschließenden Beurteilung des hier interessierenden Anspruchs nicht ausreichen, unzutreffend. Dass die Beklagte behauptet hat, eine rechtliche Überprüfung habe ergeben, dass einzelne Bedingungen des Kaufinteressenten unerfüllbar seien, trifft zu; sie hat aber nicht behauptet, dies schon vor ihrer Annahmeerklärung gewusst bzw - und nur das könnte für die hier zu beurteilende Frage bedeutsam sein - dem Interessenten auch mitgeteilt und die Annahmeerklärung insofern eingeschränkt zu haben. Dass die nachträglich vom Interessenten gestellte Bedingung über die Höhe der Bäume und Sträucher mit der Beklagten nicht abgesprochen war, trifft nach dem Akteninhalt zu. Zum Zeitpunkt, als diese Bedingung gestellt wurde, war aber der Vertrag nach der unbedenklichen Beurteilung des Berufungsgerichtes bereits zustande gekommen, sodass diese Bedingung, die ohne Zustimmung der Beklagten nicht mehr zum Vertragsbestandteil werden konnte, das bereits vorher erfolgte Zustandekommen des Vertrages nicht rückgängig machen konnte. Ebenso wenig ist entscheidend, aus welchen Motiven der Kaufinteressent an der zunächst vereinbarten Besprechung nicht teilgenommen hat. Fest steht nämlich, dass die Beklagte dessen ungeachtet sein von ihr damals als verbindlich gewertetes Anbot angenommen hat und dass sich auch der Kaufinteressent in der Folge (zunächst) auf die Wirksamkeit des dadurch zustande gekommenen Vertrages berufen hat. Nachträgliche Informationen über sein Motiv, an der Besprechung nicht teilzunehmen, sind irrelevant, weil es auf den objektiven Erklärungswert der beiderseitigen Vertragserklärungen ankommt. Ebenso ohne Bedeutung ist, dass der Interessent nachträglich durch seinen Rechtsanwalt erklärte, sich zur Vermeidung eines Rechtsstreites der Ansicht der Beklagten (über das Nichtzustandekommen des Vertrages) anzuschließen. Damit hat er das Verhalten der Beklagten, die den Vertrag nicht zuhalten wollte, akzeptiert, wobei er sich im Übrigen die Geltendmachung ihm entstehender Kosten vorbehielt; daraus kann in keiner Weise abgeleitet werden, dass trotz der vorher erfolgten Annahme seines Anbots durch die Klägerin überhaupt kein Vertrag zustande gekommen sei.

Es trifft auch nicht zu, dass das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen als "nicht hinreichend deutlich" bezeichnet und uminterpretiert habe; vielmehr hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - wie gezeigt in vertretbarer Weise - die Rechtsauffassung vertreten, dass in den Erklärungen der Beklagten die von ihr behauptete Absicht, sich trotz ihrer Annahmeerklärung nicht binden zu wollen, "nicht hinreichend deutlich" zum Ausdruck gekommen sei. Bei den in diesem Zusammenhang von der Revisionswerberin ins Treffen geführten "Feststellungen" handelt es sich teilweise um rechtliche Wertungen des Erstgerichtes, teilweise um Feststellungen, die sich auf Vorkommnisse nach der Annahme des Anbots durch die Beklagte beziehen.

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